Schrobenhausen 1816: „Eine Stadt ohne irgend einer vorzüglichen Auszeichnung“

Von | 21. Oktober 2025

Drehen wir die Uhr um 210 Jahre zurück. Die Zeiten sind bewegt. Am 8. Juni 1815 verblutet die Napoleonische Ära auf dem Schlachtfeld im belgischen Waterloo. Die Neuordnung Europas nimmt auf dem Wiener Kongress Gestalt an. Am 8. Juni 1815 wird der Deutsche Bund geschaffen, dem fortan auch Bayern angehört. In Verhandlungen und Verträgen arrondiert das junge, erst seit 1806 bestehende Königreich sein Staatsgebiet, verliert, gewinnt hinzu und erhält 1. Mai 1816 schließlich die linksrheinische Pfalz.

Wir aber begleiten – abseits der großen Welt – Joseph von Obernberg auf seiner Fahrt durch den Landgerichts-Bezirk Schrobenhausen im Mai 1816, worüber er wenige Wochen später im zweiten Heft des dritten Bandes seines insgesamt fünfbändigen Werkes „Reisen durch das Königreich Baiern“ berichtet, seine Eindrücke mit wohlgesetzt-blumiger Sprache schildert und sich dabei gerne in historischen Exkursen ergeht.

Historische Reiseberichte, in denen Schrobenhausen in mehr als einem Nebensatz erwähnt wird, sind eine ausgesprochene Rarität. Auch Obernberg befasst sich viel lieber mit Pfaffenhofen oder Aichach, widmet sich aber immerhin den Orten des Umlands etwas ausführlicher. Jenseits aller „Nestbeschnutzung“ könnte man daher zu dem Urteil gelangen, dass Schrobenhausen für den Reisenden des 19. Jahrhunderts wenig attraktiv war.

Joseph von Obernberg, auch Ignaz Joseph von Obernberg, wurde am 21. November 1761 als Sohn eines Regierungsadvokaten in Ansbach geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Ingolstadt bekleidete er – auf der Karriereleiter nach oben steigend – zahlreiche öffentliche Ämter vom Vogteirichter in Miesbach (1785) bis zum Vorstand der Spezial-Staatsschulden-Tilgungskommisssion (1811). Kurfürst Carl Theodor erhob ihn 1793 in den Adelsstand. Seit 1803 ordentliches Miglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, profilierte er sich mit zahlreichen Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte. Joseph von Obernberg starb am 23. März 1845 in München.

(Biographische Angaben nach: Anton von Delling: Biographie des Ignatz Joseph Edlen von Obernberg. Nebst Verzeichnis der vom königl. Kreisdirektor Ignaz Joseph von Obernberg verfassten Schriften und Aufsätze. Manuskript 1845)

Joseph von Obernbergs bei weitem umfangreichstes Werk sind seine „Reisen durch das Königreich Baiern“, die zwischen 1815 und 1820 in insgesamt fünf Bänden im Verlag von Ignatz Joseph Lentner in München erschienen sind. All diese Fahrten unternahm er im Isarkreis, dem 1808 bis 1837 als Verwaltungseinheit bestehenden Vorgänger des heutigen Regierungsbezirks Oberbayern. Der Titel „Reisen durch das Königreich Baiern“ ist inhaltlich also etwas zu hoch gegriffen.

Nachdem er sich in den Landgerichten Landshut und Pfaffenhofen ungesehen und mit lobenden Worten über Land und Leute nicht gespart hat, macht sich Obernberg nach einer Übernachtung in Geisenfeld an einem blühenden Frühlingstag im Mai 1816 auf den Weg nach Schrobenhausen:

Nun gilt Obernbergs Aufmerksamkeit dem Paartal, über das er schwärmerisch urteilt:

Das 72. Kapitel des Reisebuches, das sich nun dem Landgericht Schrobenhausen widmet, präsentieren wir in zwei Spalten, links das Original in Fraktur, rechts ein „Transkript“ in heutiger Druckschrift, dem sich jüngere Leser sicher gerne zuwenden werden:

Obernberg Reisen in Bayern Schrobenhausen

Zwey und siebenzigster Brief.


Hohenwart. Stadt Schrobenhausen. Lage, Gestalt, Ursprung und Schicksale. Vorläufiger Ueberblick des Landgerichts. Schlösser: Singenbach, Steingriff, Edelshausen, Niederärnbach.


Schon im vorigen Briefe habe ich von Hohenwart gesprochen, doch nur in Hinsicht auf seine mahlerische Lage. Nun, beym Eintritte in’s Landgericht Schrobenhausen, dessen
erste Ortschaft es in dieser Gegend ist, theile ich Ihnen hierüber weitere Notizen mit. –
Hohenwart (Hohe Warte, alta specula) bestehet aus dem bekannten vormahligen Nonnenkloster, und einem Marktflecken, der an seinem
Fuße

Obernberg-Reisen-Bayern-Schrobenhausen_

Fuße sich ausbreitet. Eine uralte Burg stand hier, und ward nach dem Geiste der Zeiten um das Jahr 1074 von Rapotho Grafen von Tauern in ein Kloster umgewandelt.

Sie erinnern sich, mein Freund! dieses Geschlechtes aus meinem dritten Briefe über die erste Reise (Heft I. S. 45). Dasselbe war zwischen Hall und Innsbruck von Alters her
reich begütert, und in vorzüglichem Ansehen. Rapotho vergab sein Eigenthum an der Paar an Benediktiner=Nonnen, und Ortolph sein Sohn, vorzüglich aber seine Schwester Willitrud vermehrten die Stiftung, und dotirten reichlicher das neue Kloster.

Rapotho, ihr Bruder, hatte auf dem Rückwege von einem Kreuzzuge seinen Tod gefunden. Der Leichnam ward nach Hohenwart gebracht und in der Kirche begraben. Die gebeugte Schwester gab nun ihre ganze Habe dem Kloster hin, nahm selbst den Schleyer an, und starb als die erste Aebtissinn im Jahre 1081 *)
Wie=

*) Monum. boic. Vol. XVII. pag. 97.

Obernberg-Reisen-Bayern-Schrobenhausen

Wiederholte Feuersbrünste haben in der Zeitfolge das Kloster in Asche gelegt, und diese und kriegerische Ueberfälle die ältern Urkunden zum unersetzbaren Schaden der Geschichte vernichtet. Doch ward dasselbe im J. 1572 durch Unterstützung Herzogs Albert V. des Großmüthigen von der Aebtissinn Barbara neu aufgeführt.

Nicht unwahrscheinlich ist die Meinung derjenigen, welche das Summontorium der Römer, das in Antonins Reisekarte vorkommt, an Hohenwart erkennnen wollen. Die hohe Lage
an einem Flusse nicht sehr fern vom Hauptstrome der Donau, – und der Umstand, daß die Römer stets hohe Plätze in ihren Kriegen mit den Germanen für ihre Kastelle wählten, stimmen ganz hiemit überein.

Eben so ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Burg Hohenwart bey den Einfällen der Ungarn, besonders im J. 955 von selben zerstört, nachhin aber, da sie auf dem Lechfelde
im genannten Jahre die verdienten Schläge bekamen, und ihren Untergang gefunden haben, wieder aufgebaut worden; wo dann die zerstreuten Einwohner sich wieder gesammelt, und den

Obernb. Reisen, III, B. 2. H

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Markt Hohenwart am Fuße der Burg angelegt haben. Er zählet jetzt ungefähr 890 Seelen.

Uebrigens darf sich Hohenwart der Ehre rühmen, durch einen Sprößling aus seiner Mitte die große Erfindung der Deutschen, die Buchdruckerkunst, in Rom eingeführt zu haben. Ein Geistlicher, von Hohenwart gebürtig, war es, der mit dem Priester Georg Sachsel von Reichenhall im Jahre 1478 dieses Verdienst sich erwarb. Mit Vergnügen theile ich Ihnen diese interessante, und den Baiern Ehre bringende, Notiz mit, wie ich sie von meinem literarischen Freunde Dionys Reithofer empfangen habe *).

Je mehr wir uns der Stadt Schrobenhausen näherten, begegneten uns mehrere Menschen, welche vom dortigen Jahr=Markte zurückkehrten; denn auf den gestrigen Tag fiel das Himmelfahrtsfest, mit welchem jener Markt
ver=

*) Aemil. Reif. origg, typograph. zu genanntem Jahre.

Obernberg-Reisen-Bayern-Schrobenhausen

verbunden ist. Wir konnten also die Gestalten und die Kleidertracht wahrnehmen, die wir beyde kaum etwas verschieden von jenen um Geisenfeld fanden, wo sie gegen die obern Reviere um Pfaffenhofen etwas, aber mehr noch gegen jene um Hohenkammer, Unterbruck und Munchen verbessert erscheinen. Aber in keiner Hinsicht mögen sie jenen gleich kommen, welche ich Ihnen aus dem Isarthale unter Landshut bey Altheim, Essenbach u. s. w. beschrieben habe. An Geschmack stehet die hiesige Tracht jenem edleren Kostüm bey weitem nach.

Nur 2 Stunden=Säulen hatten wir von Hohenwart und Schenkenau nach Schrobenhausen zurückzulegen in schöner Ebene, die sich immer und immer erweitert, wie man sich dem Städtchen nähert, indem die beyderseitigen Hügel allmählig zurücktreten, und in Form eines Kranzes die Fluren der Stadt umgeben, gleichwohl aber im Süden einem schönen Ausblicke in die Ferne freyen Spielraum gewähren.
Der niedersteigenden Sonne milde Strahlen verschönerten die Gegend, und vergnügt in diesem Genusse einer freundlichen Natur fuhren wir dahin. Schon glaubten wir am Thore zu seyn,
als

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als die Straße plötzlich zur Rechten ablenkte, und in einem weiten Bogen nach einer andern Seite der Stadt führte.

Bey unserm Eintritte fanden wir wohl das Leben, das ein Jahrmarkt hervorbringt: aber wenig Angenehmes an der Gestalt des Innern von Schrobenhausen. Durchgehends hat es ein sehr alterndes Ansehen, ohne irgend einer vorzüglichen Auszeichnung. Auch dieser Ort und die Gegend soll in der Vorzeit die Grafen von Thauern zu Gebiethern gehabt haben; welches nicht unwahrscheinlich ist, da sie in der Nähe zu Hohenwart, wie dessen Stiftung beweiset, sehr begütert waren. Im eilften Jahr hundert bestand er nur aus 2 Höfen, die Schroben-Höfe genannt, die nach und nach, als sich mehrere Ansiedlungen ergaben, zu einem Markte anwuchsen. Diese neuen Einwohner leisteten in den Fehden gegen die Reichsstädte gute Dienste; daher ihnen auch Herzog Stephan II. von Baiern=Ingolstadt 1393 mehrere Freyheiten ertheilte. Sein Sohn, Ludwig der Gebartete erhob den Markt zu einer Stadt, ließ die Mauern aufführen, die Wälle aufwerfen, und sie mit Gräben umgeben. Zur Beförderung des
Han=

Obernberg-Reisen-Bayern-Schrobenhausen

Handels verlieh er seiner neuen Stadt noch mehrere ansehnliche Freyheiten, die sich aber in der Zeitfolge wieder verloren haben.

Im dreyßigjährigen Kriege ward die Stadt von den Schweden hart bedrängt, indem sie die ganze Zeit hindurch den ersten Anfällen der Feinde, wie die Stadt Aichach ausgesetzt war. Im
Jahre 1704 ward Schrobenhausen von den Engländern und Oestreichern besetzt, zu unserer Zeit aber im J. 1796 von den Franzosen genommen. Im J. 1799 zog zweymal das Heer der Russen durch, und 1800 ward die Stadt wieder von den Franzosen besetzt, und erst nach dem Frieden im folgenden Jahre geräumt.

Schrobenhausen hat an der Straße nach Aichach eine ganz artig gelegene Vorstadt, mit deren Einschluß 1480 Einwohner gezählt werden. Die Stadt hält drey Jahrmärkte, in der Fastenzeit wochentlich einen Hauptviehmarkt, und an jedem Donnerstage eine, zwar nicht bedeutende, Getreidschranne nebst Wochenmarkt. Nur die Poststraße von Augsburg nach Regensburg führet hindurch. Uebrigens ist sie der Sitz des königl. Landgerichts und Rentamtes.
Gleich=

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Gleichwohl fließen die Erwerbs=Quellen nicht reichlich.

Die Wiesen, welche die Stadt umgeben, und von der Paar durchschnitten werden, haben einigen Zusammenhang mit dem bekannt großen Donaumoose, dessen hier angränzender Theil das Schrobenhauser=Moos genannt wird. Wie weit die Kultur des erstern gediehen ist, werden wir
auf einer andern Reise durch das Landgericht Neuburg sehen. Gegenwärtig kann ich nur die wichtigern Ortschaften des Landgerichts Schrobenhausen in’s Auge fassen, und dann dessen Bezirk im Ganzen überschauen, um die wesentlichsten Resultate aus diesem Ueberblicke abziehen zu können.

Dieses Landgericht, welches ganz seine alte politische Formation behalten hat, begreift, nach neuesten genauen Vermessungen, nur 5 8/10 Quadratmeilen in sich, und zählet 9177 Seelen, wovon also nur 1582 auf einer derselben leben.
Sie sehen also klar, welchen Einfluß jene Moosstrecken auf die Bevölkerung dieser Gegenden behauptet haben. Nun werden sie zwar zu den bestehenden Gütern benutzt, allein diese sind da=
durch

Obernberg-Reisen-Bayern-Schrobenhausen

durch nur vergrößert, und, besonders für die Viehzucht erleichtert, aber darum nicht merklich Ihre Menschenzahl vermehrt; denn sie ertragen nicht so viel, daß neue Ansiedlungen auf nachhaltige Dauer bestehen könnten; und Kolonieen muß man nicht anlegen vor der Zeit, wenigstens
nicht ohne hinlänglichem Spielraum zum Anbau. Doch hievon ein Andersmal!

In den Umgebungen von Schrobenhausen wollen wir uns umsehen. Sie theilen sich in die westnordlichen und südöstlichen; indem die Paar, und die Straße das Landgericht nach seiner Breite durchschneiden, und dieses von Südost nach Nordost seine Länge erstrecket. In das Hauptthal der
Paar mündet sich ein Seitenthälchen herab, von dem Flüßchen Weilach belebt, das aus dem Süden kommt, dem Orte Weilach den Nahmen giebt, und bey Schrobenhausen an ihre größere Schwester die Paar sich ergiebt. In
diesem südöstlichen Theile befindet sich das Edelgut Singenbach, eine vormalige Hofmark, deren frühere Inhaber die Lösch und Seebeck waren. Wie die Inschrift eiues Grabsteins dieser letzteren Familie bezeuget, hieß der Ort vormals Minenbach. An ihn stoßt der sogenannte
Thurn=

Thurnberg, worauf vor Zeiten ein Thurm soll gestanden haben. Nach dem Abgange der Raindorfer gelangte Johann Nidermair, churbaierischer Hofkammer=Direktor, durch Kauf zum Besitze, dessen Nachkommen, die Freyherren von Niedermair noch gegenwärtig Eigenthumer des Gutes sind.

Mehrere Ortschaften von Bedeutung lagern sich im nordwestlichen Theile des Landgerichts.In der Nähe von Schrobenhausen, nur eine halbe Stunde entfernt, vor dem Forste Hagenau, liegt Steingriff, ein, dem Freyherrn Augustin von Guggomos (nebst dem Edelsitze Wöhr) gehöriges Edelgut. Vor mehr als dreyhundert Jahren hatten es die Pichler im Besize. Johann Leonhard Pichlers Witwe Agnes, geborne von Seckendorf setzte 1493 ihre Vettern, Wolfgang, Christoph und Andreas die Weichser zu Erben ein, und lange hin bis auf unsere Zeit blieben ihre Nachkommen, die
Freyherren von Weichs Inhaber dieser ehemaligen Hofmark. Einige derselben ruhen in der Kapelle auf dem nahen Dürrenberge, welche im J. 1566 Jacobe von Weichs gestiftet hat.
Nörd=

Nördlich von Steingriff besitzet der Herr Graf Kajetan von Sandizell das Schloß und Pfarrdorf Edelshausen. Der Ort war ursprünglich eine Einöde oder Einzelhof, von Ulrich Edelshauser bewohnt. Die Pfarrkirche erhob sich aus einer Kapelle, welcher derselbe seinen Hof als Dotation überlassen hat. Nach einer Steinschrift am Thore des Schlosses hat
Ortolph von Sandizell 1556 den Bau desselben angefangen und 1562 vollendet. Das J. 1632 war dem Schlosse und auch zum Theil dem Dorfe verderblich; die Schweden legten selbes und auch einige Häuser in Asche; nur erst nach dreyßig Jahren ward es mit großen Kosten wieder hergestellt. In der Pfarrkirche wurden folgende Sandizeller begraben: im Jahre 1444 Ortolph; – 1486 Sigmund; 1517 Moritz; – 1541 Hochprand; – 1567 Mauritius, Bischof zu Freising; – 1574 Ortolph, und 1575 dessen Gemahlinn Martha, geborne Kärgl; – 1604 Georg; – 1607 Moritz; 1615 Johann; – 1671 Ortolph Freyherr von Sandizell. – Von jenem Hochprand von Sandizell erzählet die lateinische Steinschrift, daß er dem zweyten
Zuge Kaiser Karls V. nach Afrika gefolget
sey,

sey, und dort jenseits des Meeres vor dem belagerten Algier, mit Waffenruhm bedeckt, seinen Tod gefunden habe, als ein blühender Jüngling von 21 Jahren.

An der nördlichen Gränze des Landgerichts, zwey Stunden von der Stadt Schrobenhausen am Donaumoose, erscheint Ihnen Nieder=Aernbach, ein, dem Freyherrn von Pfetten gehöriges Edelgut. Das prächtige Schloß, im J. 1598 von den Vöhlin von Frickenhausen mit einem Aufwande von 60,000 Gulden erbaut, steht auf einem munteren Hügel, eine weite Aussicht über das Moos an die Donau nach Ingolstadt und Neuburg beherrschend.

Im J. 1455 besaßen diese vormalige Hofmark die Herren von Kammer; 1551 Anton Fraunberger, von dem es durch Heirath 1571 an Daniel Messenbeck zu Schwendt, nach dessen Tode aber 1586 an Johann Ludwig von Gumpenberg durch Kauf, und 1594 an den schon genannten Ferdinand Vöhlin von
Frickenhausen und Illerhausen auf gleiche Art übergieng. Eben so erhielten es 1629 die Herren von Seiboltsdorf; aber nach dem
Tode

Tode Victor Adams von Seibeltsdorf, Vicedoms zu Burghausen gelangte 1663 der geheime Rath und Hofkammer=Präsident, Marquard Freyherr von Pfetten zum Besitze, der es an seinen Stammen vererbte. Wir nehmen
jetzt unsere Richtungen nach der westlichen Gränze des Landgerichts. Daher schließe ich für heute, und theile Ihnen morgen das Weitere mit.
Drey

Drey und siebenzigster Brief.


Oberärnbach. Berg im Gau. Langenmoosen. Altes Dorfgericht daselbst. Schloß Sandizell. Erinnerung an das Landleben des Adels in der Vorzeit. Allgemeine Bemerkungen.


Im Westen von Niederärnbach, nördlich von Schrobenhausen, erschienen uns die Dörfer Oberärnbach und Berg im Gau, in der fruchtbarsten Gegend des Landgerichts gelagert. Das Schloß Oberärnbach steht an einem Bache, welcher in den Hauptkanal fällt, und endlich mit der Ach in der Paar sich verliert. Diese vormalige Hofmark besassen die Judmann, Preysing, Neudeck, Schaden, Altersheimer, und
nach=

nachhin die Freyherren von Metternich als baierisches Ritterlehen, bis sie endlich gleichfalls die Freyherren von Pfetten erhielten. – Berg im Gau, ein Pfarrdorf, zählet 21 Häuser, unter welchen ein Schul= und Gasthaus sich befindet. Hier, wie auch um Oberärnbach, begünstiget die bessere Scholle den Bau des Weizens in nicht geringem Maße, vorzüglich in den Fluren von Berg.

Unfern im Südwesten von Berg im Gau breitet sich das Pfarrdorf Langenmoosen aus, indem es 115 Häuser mit Einschluß eines Schul= und Gasthauses zählt. Merkwürdig ist für die Geschichte der Vor- und Mittelzeit in Baiern das alte Dorfgericht, und die sogenannte Ehehaft dieses Dorfes, noch vom Herzoge Georg dem Reichen zu Landshut im J. 1481 bestätiget, und unter dem Nahmen Herbstrecht zu Langenmoosen noch in der Tiefe des vorigen Jahrhunderts unter dem Vorsitze des Pflegers von Schrobenhausen ausgeübt. Mit Interesse werden Sie die Ordnung, wie dieses Herbst=Recht gehalten worden, in der Beylage lesen, und hierin die altväterlichen Formen eines Theiles der altbaierischen Gerichts= und Polizeyverwaltung kennen lernen.
Wei=

Weiter südlich steht das ansehnliche Stammschloß der Herren Grafen von Sandizell mit einem Brauhause und bedeutender Oekonomie, in dem zugehörigen Pfarrdorfe von 59 Behausungen. Wiguleus Hund versichert *), in alten Briefen den ursprünglichen Nahmen Sandigenzell gefunden zu haben: eine sprechende Bezeichnung der Beschaffenheit des Bodens. Das alte edle, in baierischen und andern Kriegsdiensten rühmlich ausgezeichnete, Geschlecht der Sandizeller hatte früher sein Begräbniß zu Scheiern, welches Kloster sie mit verschiedenen Stiftungen bereicherten, in einer besondern Kapelle. Sie theilten sich in mehrere Linien, unter eigenen Beynahmen: als die von Lintach (einem alten,
auch nach Scheiern gegebenen Burgstall und Weiler nahe bey Edelshausen), von Satlberg, Großhausen, Niederwittelsbach, Edelshausen, dann, wie der gerühmte Wiguleus Hund vermuthet, auch von Steingriff, und
Schrobenhausen.

In der Richtung nach Süden gelangen Sie durch das große Kirchdorf Herzhausen an die
Paar,

*) Im Stammbuche II. Th. S. 274.

Paar, und über diese an die Straße zurück,welche sich von Schrobenhausen herauf bereits der südwestlichen Gränze des Landgerichts nähert, nachdem sie ober dieser Stadt nur zwey Stunden=Säulen passiret hat.

Auch in diesem, nun durchwanderten, Bezirke nannte ich Ihnen nur jene Edelgüter, auf welchen sich noch ihre Schlösser erhalten haben; die übrigen 11 alten Hofmarken, und nachmaligen, nun auch aufgelöseten, Patrimonialgerichte umging ich. Die herrschaftlichen Sitze derselben sind früher oder später durch Kriege verwüstet, oder sonst verlassen, und niedergelegt worden. Die zugehörigen Dörfer haben also weder Auszeichnung, noch jenes Leben mehr, das ihnen die vormalige Gegenwart des Landadels gegeben hatte. Daß in der Mittelzeit der Bestand so vieler bewohnter Burgen, und kleinerer Sitze des niedern Adels, oder der freyen Eigenthumer, zur Bevölkerung und Kultur des Landes sehr
vieles beygetragen habe, können Sie sich, mein Werther! leicht vorstellen; wie es denn auch bekannt ist, daß Baiern vor dem dreyßigjährigen Kriege ungleich mehr bevölkert war, als gegenwärtig. Es beweisen ferner die Rudera vieler
ver=

verfallener Burgställe, daß in früherer Zeit nebenbey noch mehrere Edelsitze bestanden haben, und bewohnet worden, wovon nur mehr leise Sagen sprechen. So trägt im Landgerichte Schrobenhausen ein, dem Dorfe, und Edelsitze Wörth nahe gelegener Hügel deutliche Spuren eines hier gestandenen Thurmes oder Schlößchens in den wahrgenommenen Gräben und vorgefundenen Ziegel=Trümmern.

Zwar ist nicht zu widersprechen, daß manche dieser älteren Burgen und Sitze freyer Eigenthümer durch die an neue Plätze versetzten Schlosser ersetzt, oder wenigstens ihr Hofbau an die Grundholden übergegangen, und öfter auch unter zwey Bauern=Familien vertheilt worden, so daß Bevölkerung und Kultur durch jene Verödung weniger zu leiden hatten. Allein im Ganzen erhielten doch die Lebhaftigkeit und die Gewerbe der Ortschaften, durch Versiegung der Nahrungs=Quellen für Dorfhandwerker, einen empfindlichen Stoß, und auch so mancher Platz, vormals in Kultur gesetzt, trat hierauf in den Zustand ursprünglicher Verwilderung zurück, und ward Heide, Wald, oder gar Sumpf: wie man
be=

besonders im Gebirge an vielen Stellen wahrnehmen kann.

Uebrigens fanden wir allenthalben nur sehr mittelmäßige Fruchtbarkeit auf den Hügeln, deren Grundlage rother und weisser Sand bildet. Nur Berg im Gau, und Oberarnbach erfreuet sich, wie schon gesagt worden, eines guten Weizenbodens; die Flur von Niederarnbach begünstiget den Kornbau mehr, als andere Reviere. Ueberhaupt giebt der Sandboden den Samen nur 4-5, in etwas nassen Jahren 5-6mal zurück. Den höchsten Ertrag gewähren die westnördlich und westlichen Steuerdistrikte Berg im Gau, Langenmosen, Grimolzhausen, Hörzhausen, und Gerolsbach im Südosten. Mittelmäßig fällt er aus in den Distrikten Hohenwart, Schrobenhausen, Edelshausen, Diepoldshofen, Sandizell, Beutenhausen, Weilach, Klenau, Steingriff, Rettenbach und Gachenbach. – Der geringste Ertrag findet sich in den Distrikten: Mühlried, Brunen, Lauterbach, Strobenried, Singenbach, Alberzell, Hirschenhau=
sen, Arresing, Weilenbach und Wan=

Obernb. Reisen, III. B. 2. H.

gen. Doch wird in einigen derselben auch Breun gebaut.

Die Kultur schreitet voran. Sämmtliche Gemeinde-Gründe sind vertheilt; auch wird vielfältig das Brachfeld benützt, und der Klee= und Hopfenbau thätig betrieben. Die Bräuhaus=
Inhaber zu Sandizell und Niederärnbach ließen ihr Winter- und Sommerbier nur allein mit inländischem Gewächse einsieden, welches sie theils aus ihren beträchtlichen Hopfen=Anlagen, theils durch Beykauf erhielten. Die Bierbräuer zu Schrobenhausen und Hohenwart erhandelten nur wenige Zentner, die meisten aber gar keinen ausländischen Hopfen.

Wie diese Wahrnehmung uns erfreulich war, mit eben so vielem Vergnügen erhielten wir Kunde über die Männer, welche an der Spitze thätiger und verständiger Oekonomen stehen. Man nannte mir den Freyherrn von Pfetten zu Aernbach, den Rentenverwalter zu Sandizell Thomas Stubenböck, Stadtpfarrer Gebendorfer zu Schrobenhausen, Johann Schredinger, Michael Schirmböck, Johann Sedlmajr,
wel=

welche sich durch Arrondirungen ihrer Grundstücke, und andere erfolgreiche Unternehmungen auszeichnen, so wie der Bräuer Georg Stelzer in Hohenwart, welcher vom landwirthschaftlichen Vereine wegen neuen Hopfen=Anlagen mit einer Denkmünze belohnt ward.

Auch die Obstbaumzucht rücket immer mehr vor. Der genannte Verein beurkundete dieses, indem er dem Hrn. Pfarrer, und Schul=Distrikts=Inspektor von Schmid, dem Schullehrer Metzenauer zu Weillach und Maximilian Groß zu Sattelberg die Ehren=Medaille zuerkannte. Auch der Schullehrer Sebastian Rothenkolber zu Schrobenhausen zeichnet sich für diesen Zweig der Landwirthschaft durch ganz besondere Thätigkeit aus.

Mehrere Kolonieen wurden auf den Gründen erkaufter Staatswaldungen angelegt: allein sie sind wegen ihrem beschränkten Raume sehr unbedeutend. Wichtigen Erfolg aber verspricht für die Zukunft die Kolonie zu Pappenbergsweil, welche der k. Hr. Rentbeamte Pappenberger angelegt hat. –
Es

Es kommt hier, wie allenthalben, darauf an, ob und wie die Güter=Arrondirungen erzielt werden. Auf der ganzen Reise, und schon auf den vorigen ward mir von den bewährtesten Oekonomen die einstimmige Bemerkung mitgetheilt, daß die bisherigen Gemeinheits=Vertheilungen die Hornvieh= oder Pferdezucht, oft auch beyde zugleich sehr zurückgesetzt haben. Die Kleinbegüterten und Leerhaus=Besitzer erhielten als Gemeindeglieder gleiche Antheile. Letztere vorzüglich ergreifen die neuen Grundstücke, und schaffen sie zu Ackerland um. Die andern können die vorige Anzahl Viehes auf den kleinen, ihnen zugemessenen Weide=Theilen nicht mehr unterhalten, und die verminderte Zahl auf selben hüten zu lassen sind sie durch die Kosten der Hut gehindert. – Soll also die Abtheilung den beabsichteten Zweck, freyen Gesnuß des Eigenthums, erreichen: so müssen die Gründe zusammengelegt werden. Nur dann ist jeder im Stande, sein Besitzthum so frey und gut zu benützen, wie es sein eigenes Wirthschafts=System erfodert, folglich nach Umständen mehr die Viehzucht oder den Fruchtbau zu befördern, auf jeden Fall aber jene so weit zu betreiben, als es selbst der Ackerbau der Dün=
gung

gung wegen erfodert. Aber diese Arrondirung war bisher noch selten zu erzielen, so nothwendig sie auch geworden ist.

Im Gebiethe der Industrie erscheinet auf dem Lande die Garnspinnerey als ein Nebengegenstand der Betriebsamkeit; hiezu wird allenthalben die Zeit der Winter=Abende angewendet. Durch Kunstfleiß zeichnet sich der Uhrmacher Georg Mayr aus, so wie überhaupt die Tischler zu Schrobenhausen und Hohenwart. Joseph Brugger hat nicht nur allein mehrere Modelle für Säe= und Gesottschneidmaschinen, sondern auch mit gutem Erfolge schon mehrere Säekarren verfertigt.

An der Spitze der öffentlichen Anstalten stehen die Schulen, indem wackere Männer hiebey das k. Landgericht mit aller Kraft unterstützen. So hat der k. Distrikts=Schulen=Inspektor Kajetan von Schmid mehrmahls das öffentliche Lob der Regierung erworben. Auch der Stadtpfarrer Gebendorfer, Benefiziat Anton Ertlmayr, Kaplan Biberdaller daselbst, die Pfarrer Hörmann zu Aresing, Auerbach zu Gerolsbach und Pletz zu Klenau
zeich=

zeichnen sich durch Thätigkeit und warme Theilnahme vorzuglich aus.

Bey diesen Wahrnehmungen lebt die Hoffnung auf, die Bildung des Volkes bald in höherem Anfschwunge zu erblicken, überall Kultur
und Industrie in kräftiger Wirkung, und durch sie Glück und Wohlstand verbreitet zu sehen.

Quellennachweis: Die gemeinfreien Digitalisate stammen aus dem MDZ – Münchener DigitalisierungsZentrum.

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