Karlshuld – eine Postkarte erzählt

Von | 18. Dezember 2022

Eine persönliche Vorgeschichte: Ich habe diese Postkarte vor Kurzem wiederentdeckt, ich habe sie vor einigen Jahren gekauft, für eine so alte Karte durchaus günstig. Ich bin kein Kartensammler, besitze nur ganz wenige alte Ansichtskarten, fast alle über das Donaumoos. Kein Wunder, denn ich bin hier geboren und aufgewachsen, nur wenige Kilometer von Karlshuld entfernt. Eine sehr spannende Karte, denke ich, mit der man sehr viel erzählen kann – zur Geschichte Karlshulds und des Donaumooses, das seit Ende des 18. Jahrhunderts trocken gelegt und besiedelt wurde.

 

Datierung der Karte

Auf der Rückseite eindeutig 1907. Stempel vom 17. und 18. März 1907 („07“).

Karlshuld um 1900

Karlshuld, im Donaumoos gelegen – im Jahr 1907 gehört die Gemeinde zum Bezirksamt Neuburg (ab 1939 Landkreis Neuburg genannt). Das Ortschaften-Verzeichnis des Königlich Bayerischen Statistischen Bureaus von 1904 gibt detailliert Auskunft. Die Gemeinde besteht aus zwei Ortsteilen, nämlich Karlshuld und Kleinhohenried. Der heutige Ortsteil Neuschwetzingen gehört zu dieser Zeit zur Gemeinde Untermaxfeld, Grasheim bildet eine eigene Gemeinde. Die Gemeinde Karlshuld hat 1.350 Einwohner, davon 1.236 Katholiken, 109 Protestanten. Sie ist damit die größte Landgemeinde im Bezirksamt Neuburg. Karlshuld ist Sitz einer katholischen und einer protestantischen Pfarrei und besitzt insgesamt drei Schulen, eine katholische Knaben- , eine katholische Mädchenschule sowie eine protestantische Schule. Seit 1893 hat Karlshuld eine eigene Postagentur.

Farblithographie – ein Meisterwerk der Druckkunst

Farbdrucke aus dieser Zeit sind noch selten und basieren auf einer speziellen Drucktechnik, sie werden Farb- oder Chromolithographien genannt. Grundlage des Drucks ist also die Lithographie, die von Alois Senefelder (1771-1834) erfunden und im Lauf des 19. Jahrhundert immer weiter vervollkommnet wurde. Sie beruht auf dem Prinzip, dass sich Öle und Fette nicht mit Wasser mischen. Gedruckt wird im Flachdruckverfahren mittels eines Steins, meist einer Solnhofener Platte, der mit fetthaltiger Farbe präpariert wird. Für eine farbige Lithographie mussten mehrere  Steine für die einzelnen Farben präpariert werden, meist 6 Steine oder auch deutlich mehr. Diese Art des Farbdrucks lässt sich auf unserer Karte am besten durch den Blauton des Himmels nachvollziehen, der bei allen Motiven identisch ist. Der Druck war also sehr aufwendig, die Karten waren entsprechend teuer.

Die Chromolithographie war von rund 1890 bis 1920 ein sehr erfolgreiches Farbdruckverfahren. Später wurde diese Drucktechnik durch ein anderes Flachdruckverfahren abgelöst, den Offsetdruck, bei dem alle Bilder in Raster und vier Druckfarben aufgelöst werden.

Die Mitteilung

Die Karte richtet sich an den Kaufmann Joseph Schöpf in Pfaffenhausen bei Mindelheim. Der Text lautet wie folgt:

Geehrtester Herr Schöpf, ich gratuliere Sie („Ihnen“) zum hl. Namensfest u(nd) wünsche Ihnen alles Gute, besonders Gesundheit u(nd) in allem Glück u(nd) Segen u(nd) einstens den Him(m)el. Herr Schöpf, ich danke Ihnen bei dieser Gelegenheit für alle Schritte und für alles Gute, das Sie mir in Ihrer aufrichtigen Liebe gethan haben, ich kann es Ihnen nicht anders vergelten, als (dass) ich Sie mein Lebenlang täglich in mein armseliges Gebet einschließe u(nd) Gott bitte, Er, der alles tausendfach vergült, auch Sie belohne, jetzt und in Ewigkeit. Es würde mich recht freuen, wenn Sie mir ein paar Zeilen schreiben. Auch Schw(ester) Oberin wünscht Ihnen alles Gute …

Am Rand links: Gruß an Frau Schw(ester). Ich verbleibe Ihre dankbare Schw(ester) Kasimira

Geschrieben wurde die Karte also auf jeden Fall von einer Ordensfrau, wohl von der St.-Josephs-Kongregation. Der Name der Schwester wird mit Kasimira übertragen. Die Lesung ist aber schwierig. Die Schwester gratuliert dem „Joseph“ Schöpf zum Namensfest, in diesem Fall der Josephstag am 19. März. Der Namenstag war in der katholischen Bevölkerung bis weit ins 20. Jahrhundert deutlich wichtiger als der Geburtstag. Erstaunlich die Geschwindigkeit des Transports: In Karlshuld am 17. März abgestempelt, in Pfaffenhausen bereits am 18. So dürfte die Karte den Empfänger auf jeden Fall rechtzeitig erreicht haben. Transportiert wurde die Karte mit der Eisenbahn, in diesem Fall wohl vom nahen Niederarnbach aus.

Die Motive

Die Karte vereint die wohl wichtigsten Motive Karlshulds in dieser Zeit. Man könnte viel mehr darüber schreiben, ich will mich auf das Wesentlichste beschränken.

Kirche und Pfarrhof. In der frühen Gründungsphase Karlshulds musst als katholische Kirche eine Bretterkirche ausreichen. Nach einem persönlichen Besuch König Ludwigs I. wurde versprochen, eine aus Stein errichtete Kirche zu stiften. Er beauftragte mit der Planung keinen Geringeren als Friedrich von Gärtner (1791-1847), neben Leo von Klenze der bedeutendste bayerische Baumeister seiner Zeit, der Bau wurde in den Jahren 1832-1835 realisiert.

Knaben- und Mädchenschule. Der Unterricht von Knaben und Mädchen wurde in Karlshuld in der Mitte des 19. Jahrhunderts getrennt. Neue Schulbauten entstanden und wurden laufend erweitert und saniert. Die Karlshulder Knabenschule wurde abgerissen, nachdem 1966 ein großes modernes Schulhaus  fertiggestellt worden war. Die Mädchenschule wurde von den „Armen Schulschwestern“ geleitet, die im Jahr 1858 nach Karlshuld kamen und bis 1961 blieben. Im Gebäude der Mädchenschule befindet sich heute das Rathaus.

Korbfabrik und Klosterwirtschaft. Die Gemeinde Karlshuld war bis weit ins 20. Jahrhundert eine arme Gemeinde. Den meisten Siedlern waren viel zu kleine Gründe zugeteilt worden, von denen man nicht leben konnte. Als Nebenerwerb war die Weiden-Korbflechterei verbreitet. Im Jahr 1894 wurde die „Korbindustrie-Genossenschaft“ gegründet, um neue Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Hergestellt wurden „Spankörbe“, vor allem für Versandzwecke. Die Geschäfte liefen nicht wie erwartet – und so wurde die Korbfabrik im Jahr 1897 von Pfarrer Dominikus Ringeisen in Ursberg erworben, der an verschiedenen Standorten Einrichtungen zur Pflege von Behinderten wie Blinden und Taubstummen und kranken Personen unterhielt. Die von Ringeisen gegründete St.-Josephs-Kongregation erwarb im Jahr 1898 von Freiherrn von Pfetten in Niederarnbach das nebenstehende Gebäude samt Gastwirtschaft und baute es in ein Kloster mit angeschlossener Klosterwirtschaft um, Schwestern der Kongregation zogen ein.

Da sich der Betrieb der Fabrik nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nicht mehr rentierte, wurden Korbfabrik und Klosterwirtschaft 1921 an den Bayerischen Staat verkauft. Die ehemalige Korbfabrik wurde zur Saatgutreinigungsanlage umgebaut, die Klosterwirtschaft verpachtet. Im Jahr 2019 wurde die Klosterwirtschaft nach mustergültiger Sanierung mit einer angegliederten Pension wiedereröffnet.

Dampfdreschmaschine. Auf der Karte rechts unten bei näherem Hinsehen: eine Dreschmaschine, angetrieben von einer Lokomobile, einer beweglichen Dampfmaschine. Man wollte damit sicher dokumentieren, dass Karlshuld „auf der Höhe der Zeit“ und dem Fortschritt aufgeschlossen war, wenn auch für viele kleinere Höfe das Dreschen mit Dreschflegeln zu dieser Zeit sicher noch verbreitet war.

Jugendstil. Die roten geschwungenen Linien zwischen den Bildern sind Ausdruck der zeitgenössische Kunstrichtung des Jugendstil.

 

Die Rückseite der Karte

Die Rückseite der Karte enthält die Adresse des Empfängers:

An Herrn Joseph Schöpf, Kaufmann, Pfaffenhausen Post daselbst, bei Mindelheim in Schwaben

„Postkarte“. Mehr zur Geschichte der Postkarte finden Sie auf unserer Homepage hier. Ganz kurzer Überblick: Postkarten verbreiten sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Ansichtskarten durften zunächst nur auf der Vorder-, also der Bildseite beschrieben werden, erst im Jahr 1905 wurden Karten zugelassen, bei denen die Adress-Seite geteilt war, also auch einen Raum für Mitteilungen zur Verfügung stellte.

Rechts oben eine „bayerische“ Briefmarke aus der weit verbreiteten „Wappenserie“. Bei genauerem Hinsehen bemerkt man, dass das Wappen leicht „geprägt“ wurde. Obwohl Bayern seit 1871 dem Deutschen Reich angehörte, hatte es sich „Reservatrechte“ gesichert, unter anderem die Organisation des Post- und Telegraphenwesens. Gestempelt wurde die Karte am 17. und 18. Mrz. (März) 07 (1907). – Spekulieren können wir, warum die Briefmarke auf dem Kopf steht. Das könnte Zufall sein, möglicherweise aber auch „Briefmarkensprache“, die gerade auch zu dieser Zeit weit verbreitet war. Die mehr oder weniger „geheimen“ Mitteilungen schräg oder gedreht aufgeklebter Marken waren nie genau definiert. Eine auf dem Kopf stehende Briefmarke konnte aber bedeuten „schreibe mir“, wäre also eine Verstärkung des von der Schreiberin auf der Karte geäußerten Wunschs gewesen.

Verlagsangabe

Auf der Vorderseite unten in leichtem Blau und deshalb nur schwer erkennbar: „Heliocolorkarte von Ottmar Zieher München“. Über Ottmar Zieher gibt es einen Wikipedia-Eintrag, nämlich hier.

Eine Reihe von Informationen wurde der Festschrift von Uwe Kühne: Karlshuld. Ein Rückblick auf 200 Jahre Geschichte entnommen.

image_pdfimage_print