Das Schrobenhausener Schulhaus in der Lenbachstraße 22

Von | 4. Februar 2022

Lenbachstraße 22 – das Gebäude der vhs Schrobenhausen, ein Gebäude, das im Lauf der Zeit unter vielen Bezeichnungen bekannt war: Wirtshaus zum Bräuhiesen, Schulhaus, Mädchenschulhaus, Knabenschulhaus, Landwirtschaftsschule, Oberrealschule und Heimatmuseum. Im ältesten Schrobenhausener Stadtplan aus dem Jahr 1812 heißt die heutige Lenbachstraße noch Poststraße, das Wirtshaus zum Bräuhiesen hat der Bräuhiesengasse (heute: Bräuhiasengasse)  schon ihren Namen gegeben.

Seit dem Jahr 1802 bestand in Bayern die allgemeine Schulpflicht, doch das alte Schulgebäude in der heutigen „Alten Schulgasse“ entsprach in keiner Weise mehr den Anforderungen. So beauftragte die Regierung des Oberdonaukreises den Stadtmagistrat im Jahr 1818, wegen der „beschränkten, feuchten und ungesunden Lage“ des alten Schulhauses nach geeigneteren Schulräumen Ausschau zu halten. Da kein geeignetes städtisches Gebäude zur Verfügung stand, musste ein Schulraum angemietet werden. Kurze Zeit trug man sich mit dem Gedanken, das Spitalgebäude umzubauen, doch war dieses Gebäude schon dem königlichen Rentamt versprochen worden, das schließlich – nach längerem Zögern – darauf drängte, es nach Bezahlung des Schätzpreises zu übergeben. In dieser Situation bot der Bierbräuer Anton Bitzl im Dezember 1821 sein Anwesen zum Bräuhiasen dem Stadtmagistrat zum Kauf an.

Bürgermeister Willibald Frisch verfasste einen kurzen Bericht an das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten, das neben dem Magistrat Einfluss auf wichtige städtische Entscheidungen hatte:

„Da sich mehrere Liebhaber für dieses Haus – welches zu einem Schulhause ganz vorzüglich geeignet wäre – finden sollen, so beeilet man sich, die Bevollmächtigten von der Sache zu dem Ende zu unterrichten, damit sie sich erklären mögen, ob sie den Kauf dieses Hauses billigen oder nicht, um sofort die weitere Einleitungen treffen zu können.“

Die Sache wurde bevorzugt behandelt: Eine Besichtigung schon zwei Wochen später ergab, dass das Haus als Schule „vorzüglich geeignet“ sei. Stadtmagistrat und Gemeindebevollmächtigte stimmten dem Ankauf und Umbau zu: das Gebäude selbst kostete 1.375 Gulden, mit Umbaukosten sollte das neue Schulhaus insgesamt etwa 3.000 Gulden kosten. Franz Lenbach, der Vater des berühmten Malers, übernahm die Maurerarbeiten und zeichnete den Plan für den Umbau. Die Arbeiten nahmen raschen Fortschritt, bereits im Spätherbst 1822 wurde das neue Schulhaus erstmals bezogen, und im Jahr 1823 konnte es vollständig fertiggestellt werden.

Schulhaus Schrobenhausen

Fassade des Schulhauses nach den Plänen von Stadtmaurermeister Josef Lenbach (Stadtarchiv Schrobenhausen).

Die Umbaukosten waren wesentlich höher als erwartet, doch war man mit dem Werk sehr zufrieden. Der Lokalschulinspektor, Benefiziat Anton Ertlmair, war voll des Lobes:

„Das prächtige Schulhaus, das 1822 angekauft und hergestellt wurde, wovon die Kösten sich beyläufig auf 5100 fl. [=Gulden] beliefen, entspricht vollkommen der Erwartung eines jeden Schulfreundes. Die Zimmer der Lehrer und 4 helle geräumige Hörsäle, wovon 2 zum Elementar Unterrichte, 1 für eine Industrie Schule und 1 für einen allenfalsigen 3ten Lehrer bestimmt sind, erheben das Herz zu recht frohen Gefühlen und berechtigen zu dem schönen Wunsche, daß darin goldene Früchte der Weisheit und Tugend gedeihen.“

Die Stadt hatte nicht die gesamten Baukosten zu tragen: Sie erhielt Zuschüsse von der Regierung des Oberdonaukreises und vom Schrobenhausener Schulfonds, der sich unter anderem aus Vermächtnissen speiste, schließlich erlöste sie 673 Gulden aus dem Verkauf des alten, ausgedienten Schulhauses. Trotzdem war dieses neue Schulhaus eine stolze Leistung für eine Stadt, die im Jahr 1818 nur 1.649 Einwohner zählte, nach heutigem Maßstab eine Investition in Millionenhöhe.

Waren nun die Schüler gut untergebracht, so ließ die Errichtung der vom Lokalschulinspektor erwähnten „Industrieschule“ noch auf sich warten. Da aber im alten Rathaus Platzmangel herrschte, wurde im Jahr 1824 ein noch freies Zimmer des Schulhauses dem Stadtschreiber als Arbeitszimmer zugewiesen, „weil sich ein solches in keinem der übrigen Stadtgebäude vorfand“, wie der Schrobenhausener Magistrat der Regierung des Oberdonaukreises mitteilte, die eine Räumung der Kanzlei aus dem Schulhaus verlangte.

Doch inzwischen hatten auch die Pläne für eine „Industrieschule“ konkretere Formen angenommen. Industrieschulen waren die direkten Vorläufer der heutigen Berufsschule, die Schrobenhausener Schule gehörte zu den ersten Schulen dieser Art in Bayern, vielleicht auch deshalb, weil ein so weitsichtiger Fabrikant wie Karl Poellath „Schulrat“ war, eine Funktion, am ehesten vergleichbar mit dem heutigen Schulreferenten des Stadtrats. Die Industrieschule für Knaben hieß „Handwerker- und Zeichenschule“, die Industrieschule für Mädchen unterrichtete hauswirtschaftliche Gegenstände. Beide erhielten im Schulhaus ihre erste Unterkunft.

So großzügig Magistrat und Gemeindebevollmächtigte geplant hatten, die allgemeine Entwicklung konnten die beiden Gremien nicht vorhersehen. So verdreifache sich die Bevölkerung in Deutschland zwischen 1800 und 1950, die Industrialisierung brachte immer höhere Anforderungen an die Bildung und damit auch eine verlängerte Schulpflicht mit sich. Während der Bevölkerungsüberschuss aus den kleineren Gemeinden abwanderte – in Großstädte und industriell entwickelte Gebiete – stieg die Bevölkerung der Stadt Schrobenhausen prozentual etwa im selben Maße wie im Reichsdurchschnitt, ein Zeichen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Stadt.

Durch die Zunahme der Schüler und Klassen wurde zuerst die Industrieschule ausquartiert, sie bezog einen Raum im Rathaus. In den vierziger Jahren „entstand in Schrobenhausen das Bedürfnis“, wie es in einer Festschrift heißt, „Knaben und Mädchen zu trennen und die Erziehung der Mädchen Schulschwestern anzuvertrauen“. Nach anfänglich vergeblichen Anwerbeversuchen konnten Schwestern vom Englischen Institut aus Augsburg gewonnen werden. Im Jahr 1856 wurde also der Unterricht für Knaben und Mädchen getrennt, eine Trennung, die über ein Jahrhundert dauern sollte. So zog in unser Schulhaus an der Poststraße die Mädchenschule ein, die Schulschwestern erhielten darin Wohnräume. Die Knabenschule wurde einstweilen im Rathaus untergebracht.

Die Ordensschwestern konnten jedoch schon bald das Rentamtsgebäude – das ehemalige Spital – erwerben und gründeten dort eine eigene Niederlassung ihres Ordens. Es folgte der Ausbau der Gebäude, so dass die Mädchenschule nun in den Bereich der heutigen Mädchenrealschule verlegt werden konnte, die Knabenschule kehrte im Jahr 1865 in das Schulhaus an der Poststraße zurück und blieb dort viele Jahrzehnte.

Schrobenhausen altes Schulhaus

Diese historische Postkarte, die vermutlich nicht allzu lange nach 1900 entstand, zeigt das aufgestockte Schulhaus (Sammlung: Benno Bickel)

Mit der Zunahme der Schüler und Klassen wurde das ursprünglich so geräumige Schulhaus bald wieder zu eng. So ging man 1889 daran, das Gebäude um ein Stockwerk zu erhöhen: Es erhielt die heutige äußere Form. Die Baumaßnahmen wurden 1890 abgeschlossen, man konnte durch den Umbau drei zusätzliche Unterrichtsräume gewinnen. Doch auch diese Erweiterung reichte nicht lange aus: So wurden bereits im Jahr 1906 Unterrichtsräume in das Armenhaus (das heutige Verwaltungsgebäude Regensburger Str. 5) ausgelagert. Immer mehr Unterrichtsräume entstanden nun hier, so dass nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die Knabenschule ganz ins Armenhaus verlegt wurde und 1921 die neu gegründete Landwirtschaftsschule ins ehemalige Knabenschulhaus einzog. Einzelne Räume wurden aber – bei Bedarf – immer wieder anderen Schrobenhausener Schulen überlassen, so der Knabenschule, der Berufsschule, später auch der 1938 gegründete Oberschule, das spätere Gymnasium. Unmittelbar nach Kriegsende waren amerikanische Soldaten im Schulgebäude einquartiert.

Schrobenhausen Armenhaus Knabenschule

Das städtische Armenhaus, später Knabenschule, heute Verwaltungsgebäude Regensburger Str. 5, in einer historischen Aufnahme (Sammlung Peter Pfitzner)

Mit der Gründung der Landwirtschaftsamts nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Neubau für ein eigenes Amtsgebäude ins Auge gefasst, der auch die Landwirtschaftsschule aufnehmen sollte. Mit der Einweihung des Neubaus an der Ringstraße im Jahr 1951 erhielt die Landwirtschaftsschule eine neue Heimat, nun zog die Städtische Oberrealschule das Schulgebäude an der Lenbachstraße ein. Auch die Straßenbezeichnung hatte sich inzwischen geändert: In der NS-Zeit war die alte Poststraße in Hindenburgstraße umbenannt worden, nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt sie die heutige Bezeichnung Lenbachstraße.

Der Zustrom zur Schrobenhausener Oberrealschule war groß, zumal viele vergleichbare Nachbarstädte erst viel später eine höhere Schule erhielten. So kamen bis zur Hälfte der Schüler aus benachbarten Landkreisen, vor allem aus dem Landkreis Aichach. All das führte bald zu sehr unbefriedigenden Schulverhältnissen: Einzelne Klassen mussten ausgelagert werden, Schichtunterricht war über viele Jahre die Regel. Erst nach der Verstaatlichung der Schule im Jahr 1960 konnte mit einem Neubau begonnen werden, im Jahr 1961 bezog die Oberrealschule diesen Neubau an der Michael-Thalhofer-Straße.

Gymnasium Schrobenhausen

Der Neubau des Gymnasiums Schrobenhausen steht wenige Jahre nach der Eröffnung 1963 noch auf der „grünen Wiese“ (Foto: Benno Bickel)

Im nahtlosen Übergang erhielt die Schrobenhausener Verbandsberufsschule das Gebäude, das für diesen Zweck jedoch auf die Dauer zu klein war. Nach der Umwandlung der Schule in eine Kreisberufsschule wurde ein Neubau im neu entstehenden “Schulviertel“ an der Georg-Leinfelder-Straße hochgezogen, der im Herbst 1964 bezogen werden konnte.

Schon Anfang der sechziger Jahre hatten die Diskussionen begonnen, was mit dem Schrobenhausener Waaghaus und dem alten Rathaus geschehen sollte, deren baulicher Zustand äußerst schlecht waren. Als das Waaghaus im Jahr 1967 abgerissen wurde, musste das Heimatmuseum neu untergebracht werden, das sich seit 1943 im Erdgeschoß des Waaghauses befunden hatte. Es erhielt nun zwei große Räume im Obergeschoß unseres Schulhauses, wurde dort jedoch erst 1974 wieder eröffnet. Ein Kuriosum nebenbei: Schon bei der Eröffnung des Heimatmuseums wurde die Meinung geäußert, dass das Landratsamt, das frühere Pflegschloss, für das Museum wohl noch besser geeignet wäre und man diesen Standort nicht aus den Augen verlieren sollte.

Mit dem Abriss des alten Rathauses im Jahr 1968 wurde auch die Stadtbücherei heimatlos: Sie war in einem Raum des Rathauses untergebracht gewesen und erhielt nun einen Raum im Erdgeschoß des jetzigen vhs-Gebäudes. Mit dem gleichen Beschluß aus dem Jahr 1968 wurde auch der Schrobenhausener Volkshochschule dort ein Raum zugewiesen. Der Umzug der Geschäftsstelle der Volkshochschule erfolgte jedoch erst zwei Jahre später. Im Jahr 1970 nämlich gab der langjährige Geschäftsführer der vhs, Stadtamtmann Otto Kunz, seine Tätigkeit ab; die Geschäftsstelle hatte sich während seiner Amtszeit im Rathaus befunden. Bereits im Jahr 1974 gründete die Stadtbücherei eine Zweigstelle in der Hauptschule, im Jahr 1988 zog sie ganz in ihre nun erweiterten Räume in der Georg-Leinfelder-Straße.

Ende der achtziger Jahre nahm das Interesse an der Erwachsenenbildung und das Kursangebot der Schrobenhausener Volkshochschule explosionsartig zu. Das führte zu großer Raumnot, die Kursräume waren auf viele Gebäude verteilt, was enormen Organisationsaufwand erforderte und immer wieder zu Reibereien führte. Andererseits verdichteten sich die Pläne, das Heimatmuseum auszulagern und schließlich im alten Pflegschloss unterzubringen. So konnte die Schrobenhausener Volkshochschule bereits im Jahr 1987 den Antrag an die Stadt Schrobenhausen stellen, „die im Zuge der Verlegung des Heimatmuseums und der Bücherei freiwerdenden Räume für die Volkshochschule vorzusehen“.

Nach mehrjähriger Diskussionen traf der Schrobenhausener Stadtrat im Jahr 1990 den Grundsatzbeschluss, das Gebäude Lenbachstraße 22 zu sanieren und der Volkshochschule zur Verfügung zu stellen. Im Jahr 1991 wurden die Bestände des Heimatmuseums ausgelagert, im Jahr 1995 bezog die Volkshochschule gemietete Räume in der Volksbank, die grundlegende Sanierung fand in den Jahren 1997 und 1998 statt.

Schrobenhausen vhs-Haus Lenbachstraße 22

Das Gebäude als vhs-Haus im Zustand des Sommers 2014 (Foto: Benno Bickel)

Genau 175 Jahre sind vergangen, dass der Umbau aus einem Wirtshaus zur damals so hochgelobten Schrobenhausener Schule fertiggestellt wurde. Seither ist das Gebäude fast ausschließlich für – ganz unterschiedliche – Bildungszwecke verwendet worden. So spiegelt das jetzige Gebäude der Volkshochschule auch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung dieser Zeit wider: Nämlich über die steigenden Bildungsanforderungen an Kinder und Jugendliche, an junge Berufstätige und schließlich heute an die Erwachsenen.


Anmerkung: Dieser Text, verfasst von Max Direktor, dem langjährigen Leiter des Stadtarchivs Schrobenhausen, war für eine Schrift zur Eröffnung des städtischen Gebäudes Lenbachstraße 22 nach erfolgter Sanierung als vhs-Haus am 13. November 1998 vorgesehen. Die Veröffentlichung fiel damals leider Sparmaßnahmen der Stadt Schrobenhausen zum Opfer. Wir geben hier den Text mit wenigen redaktionellen Anpassungen wieder.


 

 

 

 

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