150 Jahre Paartalbahn – eine sehr kurze Geschichte

Die Paartalbahn, die seit dem 15. Mai 1875 Augsburg über Friedberg, Aichach und Schrobenhausen mit Ingolstadt verbindet, ist heuer 150 Jahre alt geworden. In Dasing und Friedberg gab es Veranstaltungen und Ausstellungen, in Schrobenhausen ist dieses Jubiläum nicht gefeiert worden. Wie auch immer, ein Grund zurückzublicken – auch aus Schrobenhausener Sicht.

Erste Aktivitäten zum Bau der Strecke gingen bereits 1860 von Augsburg aus, doch es sollte zwölf Jahre dauern, bis die Mühlen der Bürokratie und vor allem der Politik den Weg für den Baubeginn im Mai 1872 freigaben. Ein Aspekt, der für den Bahnbau sprach, war die Verbindung der Landesfestung Ingolstadt mit dem Artillerie-Schießplatz  Lechfeld südlich von Augsburg. Der Schrobenhausener Stadtpfarrer und Landtagsabgeordnete Dr. Anton Schmid (1827-1881) versuchte 1863 die Kammer der Abgeordneten für eine alternative Streckenführung München – Dachau – Schrobenhausen – Ingolstadt zu gewinnen. Die Bemühungen waren vergeblich.

Der Bau der 62 km langen, eingleisigen Hauptbahn Augsburg-Hochzoll – Ingolstadt Centralbahnhof fand ohne mechanische Hilfsmittel mit Schaufel und Spitzhacke statt und dauerte dennoch vom ersten Spatenstich bis zur Eröffnung nur drei Jahre. Der Schrobenhausener Stadtmaurermeister Joseph Lenbach (1820-1887), Stiefbruder des Malers Franz von Lenbach (1836-1904), zeichnete für die Ausführung der Baulose Hörzhausen – Schrobenhausen und Schrobenhausen – Königslachen verantwortlich, übernahm sich und ging in Konkurs.

Im Eröffnungsfahrplan ab 15. Mai 1875 – der Güterverkehr hatte informell bereits am 1. Mai begonnen – umfasste das Zugangebot von Augsburg nach Ingolstadt einen beschleunigten Personenzug und drei gemischte Züge (kombinierter Personen- und Güterzug, der auf den Unterwegsbahnhöfen auch rangierte, also Güterwagen abstellte oder mitnahm). Von Ingolstadt nach Augsburg weist der Fahrplan zwei Personenzüge und zwei gemischte Züge aus. Die Fahrt im gemischten Zug von Schrobenhausen nach Ingolstadt dauerte – um ein Beispiel zu nennen – eine Stunde und 13 Minuten. Heute sind es 18 Minuten.

Fahrplan der Paartalbahn aus dem Jahr 1876, ein Jahr nach der Eröffnung. (Sammlung Benno Bickel)

Die Paartalbahn trug wesentlich zu einer etwas verspäten „Gründerzeit“ bei der Industrialisierung in Schrobenhausen und Aichach bei. Ebenso profitierte die Landwirtschaft vom schnellen und preiswerten Transport auf der Schiene. Massengüter (besonders  der Hauptenergieträger Kohle), Fertigprodukte (etwa Papier aus Schrobenhausen), Baumaterial und Agrarerzeugnisse konnten erstmals schnell und wirtschaftlich über große Entfernungen transportiert werden. Viele Menschen, für die Postkutschen, Cariolpost und Stellwagen jenseits ihrer finanziellen Möglichkeiten lagen, konnten sich erstmals ein Billet für eine Zugfahrt leisten.

Mit der rasanten technischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im letzten Viertel des 19. Jahrhundert und bis zum Ersten Weltkrieg wurden die Züge auf der Paartalbahn länger und leistungsfähiger, schneller und bequemer. Nicht umsonst wird diese Epoche auch gerne als Eisenbahn-Zeitalter bezeichnet.

1920 ging die Paartalbahn wie das gesamte Streckennetz der einstigen Königlich Bayerischen Staatsbahnen auf die Deutsche Reichsbahn über. Zwischen Inflation einerseits und dem Beginn des Zweiten Weltkrieg andererseits gab es eine Reihe von Verbesserungen im Zugangebot. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Strecke mit nur sehr geringen Schäden.

Die Deutsche Bundesbahn, gegründet 1948 und aufgelöst 1993, brachte eine ganze Reihe von Modernisierungen auf den Weg. So wurde der Einsatz von Dampflokomotiven kontinuierlich verringert und 1967 beendet. Ergänzt wurden die Dampfzüge schon ab den frühen 1950er Jahren durch Schienenbusse, ab den 1960er Jahren durch Personenzüge mit Diesellokomotiven.

Viele Jahrzehnte prägten auch auf der Paartalbahn Dampflokomotiven das Betriebsgeschehen. Lok 50 1201 im Jahre 1967 mit einem Güterzug kurz vor Schrobenhausen. (Foto: Benno Bickel)

Hinsichtlich Zugangebot – auch im Güterverkehr – und Leistungsfähigkeit erreichte die Paartalbahn zwischen 1965 und 1975 einen Höhepunkt. Dennoch war die Strecke zwischen 1976 und 1979 akut von einer Stilllegung des Reisezugverkehrs bedroht. Das Thema bildete für vier Jahre ein großes lokales und regionales Politikum. Die Einstellung konnte verhindert werden, dennoch ging es in den 1980er Jahren mit der Paartalbahn bergab. So wurden die Bahnhöfe bzw. Haltepunkte Paar, Hörzhausen, Edelshausen, Niederarnbach und Pobenhausen geschlossen und die Gleisanlagen der Bahnhöfe bis in den folgenden zwei Jahrzehnten bis zum Minimum der Betriebstauglichkeit abgebaut. Von 1985 bis 1996 verkehren auf dem Streckenabschnitt zwischen Aichach über Schrobenhausen nach Ingolstadt samstags keine Reisezüge, sonntags nur noch ein weitgehend nutzloses Alibi-Zugpaar am frühen Abend. Die als Ersatz eingesetzten Busse waren aufgrund der langen Fahrtzeiten nur wenig nachgefragt. Die Paartalbahn hatte ihren Tiefststand erreicht.

Ebenso geriet der einst bedeutsame Güterverkehr ist nach dem Willen der deutschen Verkehrspolitik zunehmend in eine Abwärtsspirale und ist seit Ende der 1990er Jahre so gut wie tot. Die Durchgangsüberzüge und die Ganzzüge aus Kesselwagen mit Produkten der Ingolstädter Raffinieren verschwanden zunehmend mit der Elektrifizierung der Donautalbahn 1980, die Nahgüterzüge des Einzelwagenverkehrs, die im Bahnhof Wagen für Industrie und andere Besteller bereitgestellt und wieder abgeholt wurden, verschwanden mit der Jahrtausendwende.

Lediglich die Pfeifer Holz GmbH in Unterbernbach und die Scherm Gruppe mit dem großen Audi-Parkplatz im Karlskroner Ortsteil Probfeld besitzen heute noch einen Gleisanschluss. In Schrobenhausen hatten früher unter anderem die Papierfabrik Leinfelder, das Sägewerk Prücklmair, die BayWa (drei verschiedene Anschlüsse), die Kartoffelflocken- und Stärkefabrik (Südstärke), die Hanfröste und Ytong einen Gleisanschluss.

Ökoligisch sinnvoll, aber verkehrspolitisch nicht gewollt: Der Güterverkehr auf der Paartalbahn gehört fast völlig der Vergangenheit an. Unser Bild aus den frühen 1980er Jahren zeigt einen Durchgangsgüterzug nach Augsburg, der gerade den Schrobenhausener Bahnhof mit seinen damals noch umfangreichen Gleisanlagen passiert. (Foto: Benno Bickel)

Mit der formalen Privatisierung der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn (neue Bundesländer) zum 1. Januar 1994 und Gründung der privatwirtschaftlich geführten, wiewohl zu 100 Prozent in Staatsbesitz befindlichen  Deutschen Bahn AG wurde die Infrastruktur – also die Gleisanlagen etc. – vom Zugbetrieb getrennt. Seit 13. Dezember 2009 fährt auf der Paartalbahn im Auftrag der „Bayerischen Eisenbahngesellschaft“ (BEG), die den Regionalverkehr in Bayern organisiert,  die „Bayerische Regiobahn“. So heimatverbunden der Name auch klingt, verbirgt sich dahinter der französische Konzern „transdev“. Zum Einsatz kommen moderne Dieseltriebzüge des Typs LINT 41/H mit einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h.

So ist heute im 150. Jubiläumsjahr ist das Angebot auf der Paartalbahn besser denn je. Vom frühen morgen bis Mitternacht verkehren die Züge zwischen Augsburg und Ingolstadt im Stundentakt (Augsburg Hbf– Aichach im 30-Minuten-Takt; Augsburg Hbf – Friedberg im 15-Minuten-Takt. Die Zahl der Reisenden auf der Paartalbahn ist seit Einführung und schrittweiser Ausdehnung des Stundentakts in den Nachtstunden gewaltig gestiegen, allein zwischen 2008 und 2012 um 72 Prozent. Aktuellere Zahlen werden als „Geschäftsgeheimnis“ nicht kommuniziert.

Und die Zukunft? Es gibt vage Pläne für eine Teilelektrifizierung der Paartalbahn und den Einsatz umweltfreundlicher Batterie-Triebwagen, die unter Fahrdraht aufgeladen werden. Die gegenwärtigen Tendenzen der Verkehrs- und Umweltpolitik sprechen jedoch eher gegen das Vorhaben.

Die Paartalbahn heute: Dieseltriebzüge der „Bayerischen Regiobahn“ im  Taktverkehr. Die Aufnahme vom 11. Dezember 2024 zeigt VT 320 bei der Feldwegbrücke nahe des Königslachener Weges in Schrobenhausen  als Regionalbahn von Ingolstadt nach Augsburg Hbf. (Foto: Benno Bickel)




150 Jahre Paartalbahn-Geschichte(n)

Vom Landrat und der „dummen Bundesbahn“: Vor fast 50 Jahren sollte die Paartalbahn stillgelegt werden

Stundentakt Augsburg – Schrobenhausen – Ingolstadt, 30-Minuten-Takt Augsburg – Aichach, 15-Minuten-Takt Augsburg – Friedberg. Noch nie gab es auf der Paartalbahn so viele Züge wie im 150. Jubiläumsjahr. Noch nie fuhren so viele Reisende wie heute.

Das sah schon einmal ganz anders aus. Nur noch ältere Schrobenhausener erinnern sich daran, dass die einstige Deutsche Bundesbahn die Paartalbahn schon einmal stilllegen wollte. Fast 50 Jahre ist es her, dass sich dunkle Wolken über der Strecke zusammenballten. Bundesbahn-Vorstand und Verkehrspolitik hatten 1976 das Konzept eines „betriebswirtschaftlich optimalen Netzes“ ausgeheckt, und diesem sollten auch die Personenzüge auf der Paartalbahn zum Opfer fallen.

In Schrobenhausen brach ein Sturm der Empörung los: Kommunale Gremien, politische Parteien, Vertreter von Industrie und Handel, Gewerkschaften und viele Bürger, die ihren Namen auf Unterschriftslisten zum Erhalt der Bahn setzten, meldeten massiven Protest an. Ganz besonders deutlich wurde Landrat Dr. Walter Asam (1926-2002): „Der Bundesbahn fällt jeden Tag eine andere Dummheit ein!“ echauffierte sich der langjährige Landkreis-Chef im Januar 1979 in öffentlicher Sitzung. Dr. Alfons Thoma (1917-2011), Präsident der Bundesbahndirektion München, war sehr beleidigt. Worauf denn diese „dem Unternehmen Bundesbahn abträgliche Äußerung“ zurückzuführen sei, wollte der oberste bayerische Eisenbahner wissen. Landrat Asam dachte nicht daran einzuknicken. „Leider muß ich im Hinblick auf meine Enttäuschung über die Pläne der Deutschen Bundesbahn (Streckenstillegung) auch heute noch zu der von mir geäußerten Bemerkung stehen“, schrieb der Landrat zurück nach München.

Blättert man heute in alten Ausgaben der Schrobenhausener Zeitung, so erzählen allein schon die Titel der mehr als 60 Berichte und Kommentare, die zwischen 1976 und 1979 zum Thema Paartalbahn erschienen, eine beredte Geschichte zwischen Hoffen und Bangen, Protest und Resignation. Eine kleine Auswahl: „Über 1000 Pendler melden Protest an“ – „Wir fahren mit der Bahn und wollen mit der Bahn fahren“ – „Pläne der Bundesbahn gefährden die Entwicklung Schrobenhausens“ – „Gegen die Pläne der Bundesbahn wurde viel Dampf abgelassen“ – „JU und Landjugend wenden sich gegen die Reisezugverlagerung“ – „Busse können den Bahnverkehr niemals ersetzen“ – „Industrie und Handelskammer für den Personenzugverkehr“.

Nach drei Jahren, im Herbst 1979, war die Schlacht gewonnen. Eine ganze Reihe von Bahnstrecken in Bayern erwischte es. Die Personenzüge auf der Paartalbahn blieben erhalten. Doch der Hader mit der Bahn begann bald aufs Neue: Immer mehr Stationen wurden geschlossen, so etwa Hörzhausen, Edelshausen und Niederarnbach. Diese „Salami-Taktik“ fand am 2. Juni 1985 ihren Höhepunkt mit der völligen Einstellung des Zugverkehrs am Samstag und der Reduzierung auf zwei Abendzüge an Sonn- und Feiertagen zwischen Aichach und Ingolstadt. Ersatzbusse waren mangels Nachfrage rasch wieder verschwunden. Die große Wende kam dann genau nach elf Jahren am 2. Juni 1996. Im neu geschaffenen Bayern-Takt fuhren die Züge nun werktags erstmals im Stunden- und am Wochenende im Zweistunden-Takt. Von da an ging’s bergauf mit der Paartalbahn.

 

Als Güter noch mit der Bahn kamen: Schrobenhausen hatte früher einen „richtigen Bahnhof“

Das Schrobenhausener Bahnhofgebäude hat sich trotz einiger Um- und Anbauten seit der Eröffnung der Paartalbahn vor 150 Jahren äußerlich in seiner Grundform erhalten. In dem heute wie viele andere in Privatbesitz befindlichen Bahnhof ist die derzeit zuständige „DB InfraGO“ nur noch Mieter und schert sich wenig um ein freundliches Ambiente. Der Eingangsraum mit dem geschlossenen Schalter heißt in all seiner Trostlosigkeit den Reisenden nicht gerade willkommen. Allein die drei Fenster der Schrobenhausener Glaskünstlerin Brigitte Schuster aus dem Jahr 2010 setzen einen gewissen Akzent.

Früher ging es im Bahnhof belebter zu: Fahrkarten-Schalter, Schalter für Gepäck und Expressgut sorgten für Publikumsverkehr. Stichwort Expressgut – schnelle Beförderung in regulären Zügen: Auch die Druckvorlagen der Schrobenhausener Zeitung, damals „Matern“ genannt, wurden viele Jahre Tag für Tag per Bahn nach Ingolstadt zum Donaukurier geschickt – das klappte zuverlässig. Neben dem Bahnhof befand sich die Güterhalle für das Stückgut, bis zuletzt mit der Aufschrift „Kgl. Güterexpedition“ (heute stehen dort Fahrräder). Für Viehtransporte gab es eine eigene Rampe.

Das einst zahlreiche Personal ist bis auf den Fahrdienstleiter, der im kleinen Stellwerksvorbau seine Arbeit verrichtet, verschwunden. Ebenso verschwunden sind die umfangreichen Gleisanlagen, die in zwei „Rückbauaktionen“ von fünf bis auf das für Zugkreuzungen erforderliche Minimum von zwei Gleisen reduziert wurden.

Ein typischer Nahverkehrszug der Paartalbahn in den 1980er Jahren: Diesellokomotive der Baureihe 211 mit vier "Silberlingen", so genannt nach ihrer Farbe.

Arg geschrumpft sind sie, die Anlagen des Schrobenhausener Bahnhofs. Dieser „klassische Personenzug“ nach Ingolstadt mit Diesellokomotive der Baureihe 211  und vier Wagen, steht 1981 auf dem dritten von insgesamt fünf Gleisen. Heute sind es noch zwei Gleise, auf denen sich jede Stunde die Triebzüge der Bayerischen Regiobahn begegnen. (Foto: Benno Bickel)

Die Gütergleise, auf denen fleißig rangiert wurde, sind heute überbaut oder der natürlichen Vegetation überlassen. Die zwei Ladestraßen, an denen von Güterwagen in Straßenfahrzeuge ein- oder ausgeladen wurde – oft lanwirtschaftliche Produkte – gehören ebenso der Vergangenheit an. Nicht besser erging es den Anschlußgleisen Schrobenhausener Industriebetriebe: Leinfelder, Ytong, Baywa, Sägewerk Prücklmair, „Kartoffelflocken“ – alle brauchten mal die Bahn.  Für den Rangierbetrieb besaß der Schrobenhausener Bahnhof eine eigene kleine Diesellok, eine sogenannte Kleinlok. 1988 wurde sie abgezogen.

Eine Kleinlok (Köf) sorgte lange Jahre für den Rangierverkehr im Bahnhof Schrobenhausen. Auf dem Anschlussgleis parallel zum Königslacher Weg bringt die Köf 332 258 zwei Kalkwagen zum Ytong-Werk.

Als Güter noch mit der Bahn nach Schrobenhausen kamen: Die „bahnhofseigene“ Kleinlok bringt auf dem längst verschwundenen Anschlußgleis entlang der Königslachener Straße zwei Güterwagen mit Kalk zur Firma Ytong. (Foto: Benno Bickel)

Einen „richtiger Bahnhof“ wie aus dem Bilderbuch gibt es heute in Schrobenhausen nicht mehr, nachdem sich ab den 1980er Jahren mindestens zweieinhalb Jahrzehnte lang der von der großen Verkehrspolitik gewollte Rückzug der Eisenbahn vollzog. Das mag so manchen Nostalgiker schmerzen, doch das Angebot im Reisezugverkehr ist im Jubiläumsjahr besser, schneller und komfortabler denn je. Der Güterverkehr aber ist seit Anfang der Jahrtausendwende tot. Alles läuft in Schrobenhausen über die Straße.

 

Eine „alte Innovation“ kehrt zurück

Die Zukunft der Paartalbahn soll jüngsten Verlautbarungen gemäß im 150. Jahr ihres Bestehens in einer Teilelektrifizierung und dem Einsatz batterie-elektrischer Triebzüge liegen. Kurios: Das gab es bereits einmal, und das zu Zeiten, als das Modewort „innovativ“ noch friedlich im Fremdwörter-Duden schlummerte und nur selten in Aktion treten musste. Von den frühen 1960er Jahren bis 1985 fuhren auf der Paartalbahn häufig sogenannte Akkumulator-Triebwagen, die leise summend im Schrobenhausener Bahnhof hielten, um sich dann – mit etwas behäbiger Beschleunigung – wieder auf den Weg zu machen. Ihre Energie bezogen sie aus schweren Varta-Batterien; Ladestationen gab es in Augsburg und Ingolstadt. Ob ihres leisen Fahrgeräusches und der großen Laufruhe waren die Fahrzeuge beim Reisepublikum beliebt. Ökologische Überlegungen spielten bei diesen „frühen Umweltschützern auf Schienen“ noch keine Rolle. Vielmehr ging des darum, die Vorteile des elektrischen Betriebs ohne die hohen Kosten einer Elektrifizierung auch auf weniger befahrenen Strecken zu nutzen. Auch wenn sich die Batterie-Technik seither stürmisch weiter entwickelt hat und damals von einer Aufladung via elektrischer Oberleitung noch nicht die Rede war, so ganz neu ist diese ’Innovation nicht.

Paartalbahn: Akku-Triebwagen 515 007 kurz vor Schrobenhausen als Nahverkehrszug nach Augsburg Hbf. Foto aus den frühen 1890er Jahren.Leise surrend und emissionslos hat der Akku-Triebwagen 515 007 auf seinem Weg nach Schrobenhausen gerade die Feldwegbrücke unweit der Königslachener Straße passiert. Das Bild dieser „vergessenen Innovation“ entstand um 1980. (Foto: Benno Bickel)

 




Vor 50 Jahren drohte der Paartalbahn die Stilllegung

Am 15. Mai 2025 jährte sich die Eröffnung der Paartalbahn zum 150. Mal. Die Strecke präsentiert sich als leistungsfähige Regionalbahn: Stundentakt Augsburg – Schrobenhausen – Ingolstadt, 30-Minuten-Takt Augsburg – Aichach, 15-Minuten-Takt Augsburg – Friedberg. Noch nie gab es auf der Paartalbahn so viele Züge wie im Jubiläumsjahr. Noch nie fuhren so viele Reisende wie heute.

Zug der Paartalbahn im Bahnhof Schrobenhausen der frühen 1980er Jahre (Foto: Bickel)

Das sah schon einmal ganz anders aus. Nur noch ältere Schrobenhauener erinnern sich daran, dass die einstige Deutsche Bundesbahn die Paartalbahn schon einmal stilllegen wollte. Fast 50 Jahre ist es her, dass sich dunkle Wolken über der Strecke zusammenballten. Bundesbahn-Vorstand und Verkehrspolitik hatten 1976 das Konzept eines „betriebswirtschaftlich optimalen Netzes“ ausgeheckt, und diesem sollten auch die Personenzüge auf der Paartalbahn zum Opfer fallen. Der Güterverkehr, der damals noch als wirtschaftlich galt, sollte dagegen bleiben.

In Schrobenhausen brach ein Sturm der Empörung los: Kommunale Gremien, politische Parteien, Vertreter von Industrie und Handel, Gewerkschaften und viele Bürger, die ihren Namen auf Unterschriftslisten zum Erhalt der Bahn setzten, meldeten massiven Protest an. Ganz besonders deutlich wurde Landrat Walter Asam (1926-2002): „Der Bundesbahn fällt jeden Tag eine andere Dummheit ein!“ echauffierte sich der langjährige Landkreis-Chef im Januar 1979 in öffentlicher Sitzung. Alfons Thoma (1917-2011), Präsident der Bundesbahndirektion München, war sehr beleidigt. Worauf denn diese „dem Unternehmen Bundesbahn abträgliche Äußerung“ zurückzuführen sei, wollte der oberste bayerische Eisenbahner wissen. Landrat Asam dachte gar nicht daran einzuknicken. „Leider muß ich im Hinblick auf meine Enttäuschung über die Pläne der Deutschen Bundesbahn (Streckenstillegung) auch heute noch zu der von mir geäußerten Bemekung stehen“, schrieb der Landrat zurück nach München. Überdies werde sein Standpunkt von „allen Kommunalpolitikern“ mitgetragen.

Blättert man heute in alten Ausgaben der Schrobenhausener Zeitung, so erzählen allein schon die Titel der mehr als 60 Berichte und Kommentare, die zwischen 1976 und 1979 zum Thema Einstellung des Reisezugverkehrs auf der Paartalbahn erschienen, eine beredte Geschichte zwischen Hoffen und Bangen, Protest und Resignation. Eine kleine Auswahl:

  • „Über 1000 Pendler melden Protest an“
  • „Wir fahren mit der Bahn und wollen mit der Bahn fahren“
  • „Pläne der Bundesbahn gefährden die Entwicklung Schrobenhausens“
  • „Gegen die Pläne der Bundesbahn wurde viel Dampf abgelassen“
  • „JU und Landjugend wenden sich gegen die Reisezugerverlagerung“
  • „Busse können den Bahnverkehr niemals ersetzen“
  • „Industrie und Handelskammer für den Personenzugverkehr“.

Nach drei Jahren, im Herbst 1979 war die Schlacht gewonnen. Eine ganze Reihe anderer Bahnstrecken in Bayern verloren den Personenverkehr uns sind heute zur Gänze stillgelegt. Die Personenzüge auf der Paartabahn blieben erhalten. Doch der Hader mit der Bahn begann aber bald auf’s Neue: Immer mehr Stationen wurden geschlossen, so etwa Hörzhausen, Edelshausen und Niederarnbach. Diese „Salami-Taktik“ fand am 2. Juni 1985 ihren Höhepunkt mit der völligen Einstellung des Zugverkehrs am Samstag und der Reduzierung auf zwei Abendzüge an Sonn- und Feiertagen. Ersatzbusse waren mangels Nachfrage rasch verschwunden. Die große Wende kam dann genau nach langen elf Jahren am 2. Juni 1996. Im neu geschaffenen Bayern-Takt fuhren die Züge nun werktags erstmals im Stunden- und am Wochenende im Zweistunden-Takt. Von da an ging’s bergauf mit der Paartalbahn.




Dr. Schmid: Rede zur Paartalbahn 1863


Ergänzend zum Beitrag „Stadtpfarrer Dr. Anton Schmid und die Paartalbahn“ finden Sie hier ein Transkript der vollständigen Rede, die der Schrobenhausener Geistliche und Landtagsabgeordnete am 21. September 1863 vor der Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landtags gehalten hat. Zu einem, weil die Frakturschrift, in welcher der Stenographische Bericht über die Sitzung gedruckt wurde, manchem heutigen Leser Mühe bereitet. Zum anderen, weil es sich hier um eine der ganz wenigen Reden handelt, die jemals im Bayerischen Landtag über Schrobenhausener Belange zu hören waren. (Benno Bickel)


Meine Herren! Ich habe mir die Freiheit genommen, eine Modifikation zu der Linie München – Ingolstadt diesem hohen Hause zu unterbreiten, dahin gehend, es möchte diese Linie statt nach Pfaffenhofen über Schrobenhausen direkt nach Ingolstadt geführt werden. Ich weiß wohl, daß ich hierbei mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen habe, weil man annehmen könnte, als ob es sich hier nur um Lokalinteressen handle, allein ich schicke voraus, daß ich nicht aus Berücksichtigung rein lokaler, sondern allgemeiner Interessen spreche.

Aus dem Protokoll der Landtags-Sitzung vom 21. September 1863: Stadtpfarrer Dr. Anton Schmid plädiert für eine Bahnstrecke München – Schrobenhausen – Ingolstadt (Sammlung Bickel)

Erlauben Sie mir, daß ich zu dieser Modifikation ganz in Kürze die Gründe angebe. Durch diese Modifikation wird allerdings das Prinzip der direkten Linien etwas geändert, allein auch ich halte dafür, daß ein starres Festhalten an diesem Prinzip den Interessen mehrerer Provinzen unseres Vaterlandes nicht förderlich sei. Sie alle stimmen darüber ein, daß die Eisenbahnen Brod geben. Die Eisenbahnen wecken das gewerbliche und industrielle Leben. Wenn ein Gewerbetreibender an einer Eisenbahn zu wohnen das Glück hat, so kauft er leichter ein, er kauft schneller, er kauft billiger, und einer, der entfernt von der Eisenbahn wohnt, kann mit einem solchen Glücklichen in keiner Weise mehr konkurrieren; daher glaube ich, daß, nachdem die großen Städte bereits mit Eisenbahnen versehen sind, man auch auf Provinzialstädte und auf kleinere Orte, soweit dieß möglich ist, Rücksicht nehmen soll, und ich stimme dem II. Ausschusse vollkommen bei, wenn er sagt, daß in der Erweiterung unseres Eisenbahnnetzes der Segen und das Gedeihen unseres Vaterlandes liege.

Nach dieser Seite hin glaube ich also, muß es unsere Aufgabe seyn, im Interesse der Gewerbetreibenden das Eisenbahnnetz immer weiter auszudehnen.

Auf den sogenannten internationalen Verkehr lege ich, da ich kein Handelspolitiker bin, auch so lange kein besonderes Gewicht, als man mir nicht das Gegenteil beweist.

Aus den Referate des zweiten Ausschusses geht eben hervor, daß unser einheimischer Verkehr 75 Proz. beträgt, der ganze Verkehr mit dem Auslande vielleicht auf 25 Proz. sich beläuft, so wie, daß auch die Mehreinnahmen der Eisenbahnen von dem einheimischen, von dem inneren Verkehre herrühren. Das können wir alle weitläufig lesen in dem sehr schönen und ausführlichen Referat über die Einnahmen der Staatseisenbahnen des verehrten Abgeordneten Feustl. Endlich bin ich noch gegen das starre Festhalten an diesem Prinzip aus dem Grunde, weil ich glaube, daß, wenn man es z. B. bei der Donauthalbahn anwenden würde, mehrere Städte, wie z. B. Regensburg wenigstens um viele Stunden links oder wenn rechts gebaut würde, rechts liegen blieben, und jene Städte würden gewiß benachtheiligt werden, wenn sie in Folge des starren Festhaltens an diesem Prinzip von dem Eisenbahnverkehr ausgeschlossen würden.

Meine Herren, wenn Sie nun von diesem Prinzip irgendwie abweichen, so glaube ich, dürfen Sie auch auf der Route von München nach Ingolstadt abweichen in der Richtung über Schrobenhausen.

Ich habe dafür vorzüglich 2 Gründe. Ich halte es nemlich doch für notwendig, daß die Bahn von Augsburg nach Regensburg gebaut werde; wenn nun diese gebaut wird, so ist die Strecke von Schrobenhausen nach Ingolstadt, – das macht allenfalls 8 Stunden*) aus, bereits gebaut.

Dem Staate sind dadurch nach den genauesten Berechnungen 2,080,000 fl. erspart in Bezug auf das Bauen, und die Betriebskosten würden in aller Zukunft auf eine Strecke von 8 Stunden um die nämliche Strecke gemindert. Endlich würde uns diese Route noch das Donaumoos erschließen, jenes Donaumoos, für welches die Staatsregierung wenigstens in früherer Zeit so viele Millionen geopfert hat, und das auf weithin schätzbares Brennmaterial zu liefern im Stande ist. Ich will nicht davon sprechen, meine Herren, daß Schrobenhausen selbst ein sehr betriebsames, gewerbsames Städtchen ist, und daß, wenn es ganz und gar aus dem Eisenbahnverkehre ausgeschlossen wird, dasselbe ganz und gar seinem Ruine entgegengeht, denn Schrobenhausen lebt nur von Industrie, besitzt mehrere Fabriken, und hat seine Industrie, Gott sei Dank, so weit getrieben, daß man in mancher Provinzialstadt diese Höhe nicht findet.

Dieß sind einfach meine Gründe, warum ich glaube, wir sollen nach der Linie Schrobenhausen abweichen. Ich will aber dabei dem gewerbesamen Städtchen Pfaffenhofen durchaus nicht zu nahe treten, aber es steht an jener Grenze, von wo selbst wieder viele Eingaben da sind, daß auch wieder eine Eisenbahn gebaut werden soll hinüber in die gesegneten Fluren der Holledau; Pfaffenhofen wird früher oder später jedenfalls von Indersdorf oder Jetzendorf aus eine Zweigbahn erhalten hinein in die Holledau, die ihren Anschluß findet in der Linie von Ingolstadt nach Regensburg.
Ich glaube, meine Herren, daß wenn wir auf der einen Seite für den Staat einige Millionen ersparen, auf der anderen Seite einem Städtchen aufhelfen, und einem anderen nicht zu nahe treten, dieses hinreichende Gründe für uns seyn dürften, diese Abweichung der direkten Linie wenigstens in Betracht zu ziehen, und deswegen habe ich mir die Freiheit genommen, sie Ihnen zu empfehlen.

*) Gemeint ist „Stunde“ als Längenmaß. Eine bayerische Stunde beträgt 3 km 707 1/2 m.


Quelle: Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landtages im Jahre 1863. Stenographische Berichte Nr. 1-25. Von der I. Sitzung am 25. Juni 1863 bis zur XXV. Sitzung am 30. September 1863. I. Band, S. 402-403




Dr. Anton Schmid – vergessener Stadtpfarrer in Schrobenhausen

Stadtpfarrer Dr. Anton Schmid Schrobenhausen

Im Gegensatz zu Geistlichen wie Prälat Albert Alberstötter oder Benefiziat Michael Thalhofer ist Stadtpfarrer Anton Schmid im historischen Gedächtnis Schrobenhausens kaum präsent. Anton Schmid, geboren 1827 im mittelfränkischen Heideck, wuchs in den bescheidenen Verhältnissen einer Schusterfamilie auf. 1851 zum Priester geweiht, wurde der promovierte Theologe 1858 Stadtpfarrer in Schrobenhausen, ehe er 1867 Domherr in Bamberg und 1868 Professor der Dogmatik wurde. Von 1863 bis zum seinem Tod 1881 gehörte er als Mitglied des Zentrums dem Bayerischen Landtag an. Abgesehen von seinem Ausflug in den „Schrobenhausener Eisenbahnbau“ widmete er sich als Abgeordneter vor allem der Schulpolitik.

Zum Weiterlesen:

https://homepages.uni-regensburg.de/~kog02554/Lehre/Politiker/Schmid.pdf

https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Anton_Schmid

 




Stadtpfarrer Dr. Anton Schmid und die Paartalbahn

Die Paartalbahn Augsburg – Friedberg – Aichach – Schrobenhausen – Ingolstadt ist 150 Jahre alt geworden. Doch bevor am 15. Mai 1875 der erste Zug fuhr, musste die Strecke gebaut werden. Das dauerte von 1872 bis 1875. Bevor die Strecke gebaut werden konnte, brauchte es Planung – technisch, wirtschaftlich, organisatorisch und zunächst vor allem politisch. Der politische Prozess dauerte von 1860 bis 1871 und somit dreimal länger als die Bauzeit. Der Schrobenhausener Stadtpfarrer und Landtagsabgeordnete Dr. Anton Schmid spielte dabei in einer bemerkenswerten Episode die Hauptrolle: Er plädierte in der Kammer der Abgeordneten nicht nur für eine Paartalbahn, sondern für die Streckenführung der Bahnverbindung München – Ingolstadt über Schrobenhausen statt über Pfaffenhofen. Die Münchner Strecke über Dachau, Indersdorf und Jetzendorf und die von Augsburg kommende Strecke sollten sich in Schrobenhausen vereinigen und weiter nach Ingolstadt und schließlich Regensburg führen.

Wir schreiben das Jahr 1863. In Nordamerika tobt der Sezessionskrieg, ein patriotischer Aufstand in Polen wird von Russland und Preußen mit aller Macht unterdrückt. In Bayern herrscht gottlob Frieden. Das kleine Landstädtchen Schrobenhausen zählt gut 2100 Einwohner. Einige von ihnen treibt etwas um, das man heute als “Innovation” bezeichnen würde: Ein Anschluss an das im Entstehen begriffene Eisenbahnnetz.

Schrobenhausen und die „Eisenbahnwüste“ in der Mitte Bayerns. Ausschnitt aus: „Neueste Eisenbahn-Reisekarte durch das Königreich Bayern“, Augsburg ca. 1863. (Bayerische Staatsbibliothek, Mapp. XI,86)

Mag es auch schon frühere Überlegungen gegeben haben, seriös nachweisen lassen sich Bestrebungen zum Bau einer Paartalbahn erst im Jahr 1860. Die Initiative dazu geht von der Stadt Augsburg aus. Dort treffen sich am 28. August im kleinen Rathausaal Vertreter der Städte Friedberg, Aichach, Schrobenhausen und der Gemeinde Reichertshofen und kommen überein, sich gemeinsam für den Bahnbau zu engagieren.

Im Jahr darauf wird eine Denkschrift an König Maximilian II (reg. 1848 bis 1864) auf den Weg gebracht, die vom Februar 1861 datiert:

Paatalbahn Denkschrift 1861
Paatalbahn Denkschrift 1861

Die Bemühungen zeitigen bald Früchte. Im Mai 1861 legt der Königliche Betriebsingenieur Alois von Röckl (1822-1885) einen ersten Entwurf für eine Strecke vor, die vom Gut Stierhof bei Augsburg über Friedberg, Aichach, Schrobenhausen, Hohenwart, Freinhausen und Reichertshofen nach Ingolstadt führen soll. Im April 1863 legt Röckl einen Plan mit deutlich geänderter Linienführung vor: Nun nicht mehr über Hohenwart, sondern über Arnbach (dem heutigen Niederarnbach) nach Ingolstadt, also so, wie schließlich auch gebaut wurde. Es folgen weitere Denk- und Bittschriften der interessierten Städte und Gemeinden, die sich an den Landtag, an Ministerien und die Kgl. Regierung von Oberbayern wenden. Auch der Magistrat der Stadt Schrobenhausen wird am 27. August 1863 nochmals vorstellig.

Im Herbst des gleichen Jahres befasst sich die Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landestages mit einem Gesetzentwurf der Königlichen Regierung, die Vervollständigung und weitere Ausdehnung der bayerischen Eisenbahnen betreffend – wie es in schönstem Amtsdeutsch heißt. Eine Bahnstrecke Augsburg – Schrobenhausen – Ingolstadt beinhaltet diese Vorlage noch nicht. Im Mittelpunkt der Beratungen steht der Bau der Bahnstrecke München – Ingolstadt und ihre Weiterführung nach Nürnberg.

Nach dem Antrag von Pfarrer Dr. Anton Schmid sollte die Strecke München – Ingolstadt nicht über Pfaffenhofen führen, sondern von Dachau nach Schrobenhausen und weiter nach Ingolstadt.

Trotzdem sollte in der Sitzung, die am 21. September 1863 ab 16 Uhr im Landtagsgebäude in der Münchner Prannenstraße 20 stattfindet – das Maximilianeum gab es noch nicht, – das Projekt Paartalbahn eine Rolle spielen. Denn an der Zusammenkunft nimmt auch der Schrobenhausener Stadtpfarrer Anton Schmid teil, der als frisch gewählter Landtagsabgeordneter den Wahlbezirk Schrobenhausen vertritt. Im Mittelpunkt der teils hitzigen Debatten steht der Bau der Bahnstrecke München – Ingolstadt und vor allem die Frage, wie diese über die Fränkische Alb nach Nürnberg weiterzuführen sei. Ob nun über Eichstätt, wie damals beschlossen, oder auf direkten Weg, wie die heutige Hochgeschwindigkeitsstrecke Ingolstadt – Nürnberg, deren Trassenführung eine ganze Reihe von Abgeordneten schon damals bevorzugt hätte, ist nicht Gegenstand von Schmids Überlegungen. Vielmehr geht es ihm in seinem Modifikationsantrag” um etwas ganz anderes. Doch lassen wir ihn selbst sprechen. Laut dem stenographischen Landtagsprotokoll eröffnet Stadtpfarrer Schmid seine Rede:

Die folgende Argumentation ist nicht völlig ohne Widerspruch. Eingangs betont Stadtpfarrer Schmid, es gehe ihm keineswegs um rein lokale Interessen, denn durch eine gemeinsame Führung der Strecken von München und Augsburg ab Schrobenhausen bis Ingolstadt ließen sich über zwei Millionen Gulden sparen. Doch wenige Sätze legt er sich so richtig ins Zeug für Schrobenhausen:

 Und ein weiteres Argument bringt der Redner vor:

Dem gleichfalls „gewerbesamen Städtchen Pfaffenhofen“ wollte der Geistliche „durchaus nicht zu nahe treten“ und stellte „ihm früher oder später jedenfalls von Indersdorf oder Jetzendorf aus eine Zweigbahn“ in Aussicht.

War Schmids Vorschlag nun ein kurioser Einfall aus der Provinz, über den die Mitglieder des Hohen Hauses spöttisch lächelnd hinwegsahen? Keineswegs, denn als Joseph Pözl (1814-1881), der zweite Präsident der Kammer, die Frage stellt, ob der Antrag aus Schrobenhausen unterstützt werden solle, erhebt sich eine genügende Anzahl von Abgeordneten zustimmend von ihren Plätzen. Womit Schmids „Modifikation“ zwar nicht angenommen ist, aber es darf darüber diskutiert werden. Diese Diskussion leuchtet in der viele Stunden langen Debatte, die sich bis zum 24. September hinzieht immer wieder mal auf, ohne für den Gesamtverlauf besonders bedeutungsvoll zu sein. So kann etwa der Augsburger Abgeordnete Dr. Marquard Barth (1809-1885) der Idee von Pfarrer Schmid durchaus etwas abgewinnen.

Schließlich kommt es zur Abstimmung über verschiedene Varianten, aus der die direkte Linienführung München – Pfaffenhofen – Ingolstadt als Sieger hervorgeht. Anton Schmids Vorstoß hat sich erledigt.

Ob es dem Stadtpfarrer ein “Herzensanliegen“ war, ob er sich als örtlicher Landtagsabgeordneter dazu verpflichtet fühlte, ob er von Schrobenhausener Honoratioren dazu gedrängt wurde, diese Frage ruht im Dunkel der Vergangenheit. Sein Engagement war jedenfalls nicht ungewöhnlich: Geistliche, die sich für den Bahnbau einsetzen, dem örtlichen Eisenbahn-Committe” angehörten oder ihm vorstanden, finden sich in der Eisenbahngeschichte Bayerns im 19. Jahrhundert häufig. Sie zählten zur lokalen Elite.


Quellen und Literatur:

  • Löwenstein, Theodor: Die bayerische Eisenbahnbaupolitik bis zum Eintritt Deutschlands in die Weltwirtschaft. 1825 bis 1890. In: Archiv für Eisenbahnwesen 1927, S. 881-925, 1285-1312, 1587-1639
  • Mages, Emma: Eisenbahnbau, Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft in der südlichen Oberpfalz 1850 – 1920 (Regensburger historische Forschungen; Band Bd. 10), Kallmünz/Opf: Lassleben . 1984 – XLIV, 390 S. : Ill., graph. Darst., Kt., ISBN 978-3-7847-4010-2.
  • Marggraff, Hugo: Die Kgl. Bayerischen Staatseisenbahnen in geschichtlicher und statistischer Beziehung. Gedenkschrift zum 50. Jahrestag der Inbetriebsetzung der ersten Staatsbahnstrecke Nürnberg-Bamberg am 1. Oktober 1844 (Kohlhammer Edition Eisenbahn), Stuttgart: Kohlhammer 1982 – 286 Seiten : Illustrationen, Karten , ISBN 978-3-17-007685-3 – Erw. Nachdr. d. Ausg. München 1894.
  • Pittius, Hans-Joachim / Schuster, Anton: Die Paartalbahn. Seit 1875 mit dem Zug von Augsburg nach Ingolstadt, Schrobenhausen: Verlag Benedikt Bickel 2000 – 156 Seiten, 220 Abbildungen, ISBN 978-3-922803-52-2 .
  • Sauer, Andreas: „… daß bei Erbauung einer Eisenbahn die Stadt Pfaffenhofen in das Eisenbahnnetz aufzunehmen sei“. Der Eisenbahnbau und seine Auswirkungen auf die Stadtentwicklung (Pfaffenhofener Stadtgeschichte(n); Band 19), Pfaffenhofen a.d. Ilm: Stadt Pfaffenhofen a.d. Ilm . 2017 : 93 S.-zahlr. Ill. u. Kart. .
  • Stark, Hans: Die 100jährige Geschichte der unteren Donautalbahn. Dampf, Öl, ein Schienenstrang, Abensberg: [Selbstverl. ?] . 1974 – 58 S. m. Abb. u. Taf.
  • Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landtages im Jahre 1863. Stenographische Berichte Nr. 1-25. Von der I. Sitzung am 25. Juni 1863 bis zur XXV. Sitzung am 30. September 1863. I. Band, S. 402-403