Ortschaftenverzeichnisse als hervorragende lokalgeschichtliche Quelle
Ortschaftenverzeichnisse gehören zu den bedeutendsten orts- und sozialgeschichtlichen Quellen. Sie wurden von 1877 bis 1991 zunächst vom Königlich Bayerischen Statistischen Bureau, ab 1920 vom Bayerischen Statistischen Landesamt herausgegeben. Sie enthalten nicht nur Daten zu den einzelnen Gemeinden, sondern auch zu deren Ortsteilen, also den einzelnen Dörfern, Weilern und Einöden. Alle diese Ortschaftenverzeichnisse sind inzwischen online nutzbar.
Beispiel
Volkszählung 1900 (Ortschaftenverzeichnis 1904)
Abkürzungen
Gem. = Gemeinde, Ldg. = Landgemeinde, Pfd. = Pfarrdorf, D. = Dorf, E. = Einöde, W. = Weiler
Einw. = Einwohner, Wgb. = Wohngebäude, ha = Hektar
Pf. = Pfarrei, K. = Katholiken, k. = katholisch, Pr. = Protestanten, pr. = protestantisch, Dek. = Dekanat
P. = Pferde, Rv. = Rindvieh, Schw. = Schweine, Sch. = Schafe, Z = Ziegen
Ausführliche Abkürzungsverzeichnisse befinden sich am Anfang des jeweiligen Bandes.
Bezeichnungen
Die Benutzung wird vereinfacht, wenn man sich mit folgenden Informationen vertraut macht.
Bezirksämter (seit 1862) waren die unteren staatlichen Verwaltungseinheiten, sie wurden 1939 in „Landkreise“ umbenannt.
Kreise (seit 1808) waren die regionalen Verwaltungseinheiten, sie wurden 1939 in Regierungsbezirke umbenannt.
Kreisunmittelbare (auch unmittelbare) Städte waren größere oder bedeutendere Städte, die direkt dem „Kreis“ unterstanden und nicht einem Bezirksamt (für unseren Landkreis nur die Stadt Neuburg).
Kreisfreie Städte: Nach der Umbenennung der Bezirksämter in Landkreise Städte, die nicht direkt dem Landkreis untergeordnet („kreisfrei“) waren, sondern dem Regierungsbezirk. Für unseren Landkreis nur die Stadt Neuburg, die von 1940 bis 1948 nicht kreisfrei war und seit 1972 nicht mehr ist.
Kreisunmittelbare bzw. kreisfreie Städte werden in den Bänden unter eigenem Gliederungspunkt aufgeführt.
Zugehörigkeit zu Regierungsbezirken
Das Bezirksamt bzw. der Landkreis Neuburg gehörte bis 1972 zum Kreis bzw. Regierungsbezirk Schwaben. Das Bezirksamt bzw. der Landkreis Schrobenhausen gehörte durchgehend zu Oberbayern. Seit 1972 gehört der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zu Oberbayern.
Bayernweite Daten
Im ersten Teil finden wir jeweils bayernweite statistische Überblicke, eine Übersicht der Hof- und Staatsverwaltung und der Ministerien, dabei auch eine Übersicht über die Distriktsgemeinden, die Organisation des Schulwesens, über die staatlichen Behörden wie Amtsgerichte, Rent- bzw. Finanzämter, Vermessungsämter, die Gliederung der Bayerischen Armee (vor 1918) – und für die Recherche wichtig: auch die territorialen Änderungen der einzelnen Bezirksämter bzw. Landkreise. Außerdem finden sich in den Ortsverzeichnissen ab 1928 Karten zur Verwaltungsgliederung Bayerns.
Lokale Informationen
Das findet man zum Beispiel in den Ortschaftenverzeichnissen (nicht alle genannten Daten wurden durchgehend erhoben):
- Gemeinde mit allen Ortsteilen (Dörfer, Weiler, Einöden)
- Gebietsgröße
- Einwohnerzahlen (auch Konfessionen)
- Zahl der Gebäude
- Viehstand: Pferde, Kühe, Schweine, Schafe, Ziegen
- Zugehörigkeit zu Pfarreien und Schulen
- Bahnstationen und Postagenturen
Ortsregister
Das ausführliche Ortsregister listet alle Orte Bayerns auf und ermöglicht das Auffinden im jeweiligen Band. Es erleichtert auch das Auffinden von unbekannten Orten bzw. Orten ähnlicher oder gleicher Schreibweise.
Bände
Die einzelnen Bände der Ortschaften- bzw. Ortsverzeichnisse werden über die Bayerische Landesbibliothek Online zur Verfügung gestellt …. hier
Dort findet sich auch eine ausführliche Darstellung der statistischen Erhebungen und ihrer wissenschaftlichen Bedeutung.
Folgende Bände sind erschienen (Datenerhebung, in Klammer Erscheinungsjahr):
1875 (1877), 1883/85 (1888), 1900 (1904), 1925/28 (1928), 1959/52 (1952), 1961(64 (1964), 1970/73 (1973), 1970/78 (1978), 1987/90 (1991).
Bedeutung
Die Landesbibliothek Online schreibt über die wissenschaftliche Bedeutung der Ortsverzeichnisse:
„Die amtlichen Ortsverzeichnisse stellen mit ihren umfassenden statistischen Daten eine umfangreiche und zugleich äußerst verlässliche Quelle zur Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung der jüngeren bayerischen Landesgeschichte und der Zeitgeschichte dar.
Darüber hinaus sind die früheren Ortsverzeichnisse bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wegen ihrer detaillierteren und teils umfangreichen Statistiken eine wichtige Quelle für die bayerische Wirtschafts-, Sozial- und Religionsgeschichte.
Schließlich leisten die amtlichen Ortsverzeichnisse als Nachschlagewerke nicht nur für Ortsnamenforscher, sondern auch für jeden an der jüngeren bayerischen Verwaltungs- und Ortsgeschichte Interessierten unverzichtbare Dienste.“