150 Jahre Paartalbahn – eine sehr kurze Geschichte

Die Paartalbahn, die seit dem 15. Mai 1875 Augsburg über Friedberg, Aichach und Schrobenhausen mit Ingolstadt verbindet, ist heuer 150 Jahre alt geworden. In Dasing und Friedberg gab es Veranstaltungen und Ausstellungen, in Schrobenhausen ist dieses Jubiläum nicht gefeiert worden. Wie auch immer, ein Grund zurückzublicken – auch aus Schrobenhausener Sicht.

Erste Aktivitäten zum Bau der Strecke gingen bereits 1860 von Augsburg aus, doch es sollte elf Jahre dauern, bis die Mühlen der Bürokratie und vor allem der Politik den Weg für den Baubeginn im Mai 1872 freigaben. Ein Aspekt, der für den Bahnbau sprach, war die Verbindung der Landesfestung Ingolstadt mit dem Artillerie-Schießplatz  Lechfeld südlich von Augsburg. Der Schrobenhausener Stadtpfarrer und Landtagsabgeordnete Dr. Anton Schmid (1827-1881) versuchte 1863 die Kammer der Abgeordneten für eine alternative Streckenführung München – Dachau – Schrobenhausen – Ingolstadt zu gewinnen. Die Bemühungen waren vergeblich.

Der Bau der 62 km langen, eingleisigen Hauptbahn Augsburg-Hochzoll – Ingolstadt Centralbahnhof fand ohne mechanische Hilfsmittel mit Schaufel und Spitzhacke statt und dauerte dennoch vom ersten Spatenstich bis zur Eröffnung nur drei Jahre. Der Schrobenhausener Stadtmaurermeister Joseph Lenbach (1820-1887), Stiefbruder des Malers Franz von Lenbach (1836-1904), zeichnete für die Ausführung der Baulose Hörzhausen – Schrobenhausen und Schrobenhausen – Königslachen verantwortlich, übernahm sich und ging in Konkurs.

Im Eröffnungsfahrplan ab 15. Mai 1875 – der Güterverkehr hatte informell bereits am 1. Mai begonnen – umfasste das Zugangebot von Augsburg nach Ingolstadt einen beschleunigten Personenzug und drei gemischte Züge (kombinierter Personen- und Güterzug, der auf den Unterwegsbahnhöfen auch rangierte, also Güterwagen abstellte oder mitnahm). Von Ingolstadt nach Augsburg weist der Fahrplan zwei Personenzüge und zwei gemischte Züge aus. Die Fahrt im gemischten Zug von Schrobenhausen nach Ingolstadt dauerte – um ein Beispiel zu nennen – eine Stunde und 13 Minuten. Heute sind es 18 Minuten.

Fahrplan der Paartalbahn aus dem Jahr 1876, ein Jahr nach der Eröffnung. (Sammlung Benno Bickel)

Die Paartalbahn trug wesentlich zu einer etwas verspäten „Gründerzeit“ bei der Industrialisierung in Schrobenhausen und Aichach bei. Ebenso profitierte die Landwirtschaft vom schnellen und preiswerten Transport auf der Schiene. Massengüter (besonders  der Hauptenergieträger Kohle), Fertigprodukte (etwa Papier aus Schrobenhausen), Baumaterial und Agrarerzeugnisse konnten erstmals schnell und wirtschaftlich über große Entfernungen transportiert werden. Viele Menschen, für die Postkutschen, Cariolpost und Stellwagen jenseits ihrer finanziellen Möglichkeiten lagen, konnten sich erstmals ein Billet für eine Zugfahrt leisten.

Mit der rasanten technischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im letzten Viertel des 19. Jahrhundert und bis zum Ersten Weltkrieg wurden die Züge auf der Paartalbahn länger und leistungsfähiger, schneller und bequemer. Nicht umsonst wird diese Epoche auch gerne als Eisenbahn-Zeitalter bezeichnet.

1920 ging die Paartalbahn wie das gesamte Streckennetz der einstigen Königlich Bayerischen Staatsbahnen auf die Deutsche Reichsbahn über. Zwischen Inflation einerseits und dem Beginn des Zweiten Weltkrieg andererseits gab es eine Reihe von Verbesserungen im Zugangebot. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Strecke mit nur sehr geringen Schäden.

Die Deutsche Bundesbahn, gegründet 1948 und aufgelöst 1993, brachte eine ganze Reihe von Modernisierungen auf den Weg. So wurde der Einsatz von Dampflokomotiven kontinuierlich verringert und 1967 beendet. Ergänzt wurden die Dampfzüge schon ab den frühen 1950er Jahren durch Schienenbusse, ab den 1960er Jahren durch Personenzüge mit Diesellokomotiven.

Viele Jahrzehnte prägten auch auf der Paartalbahn Dampflokomotiven das Betriebsgeschehen. Lok 50 1201 im Jahre 1967 mit einem Güterzug kurz vor Schrobenhausen. (Foto: Benno Bickel)

Hinsichtlich Zugangebot – auch im Güterverkehr – und Leistungsfähigkeit erreichte die Paartalbahn zwischen 1965 und 1975 einen Höhepunkt. Dennoch war die Strecke zwischen 1976 und 1979 akut von einer Stilllegung des Reisezugverkehrs bedroht. Das Thema bildete für vier Jahre ein großes lokales und regionales Politikum. Die Einstellung konnte verhindert werden, dennoch ging es in den 1980er Jahren mit der Paartalbahn bergab. So wurden die Bahnhöfe bzw. Haltepunkte Paar, Hörzhausen, Edelshausen, Niederarnbach und Pobenhausen geschlossen und die Gleisanlagen der Bahnhöfe bis in den folgenden zwei Jahrzehnten bis zum Minimum der Betriebstauglichkeit abgebaut. Von 1985 bis 1996 verkehren auf dem Streckenabschnitt zwischen Aichach über Schrobenhausen nach Ingolstadt samstags keine Reisezüge, sonntags nur noch ein weitgehend nutzloses Alibi-Zugpaar am frühen Abend. Die als Ersatz eingesetzten Busse waren aufgrund der langen Fahrtzeiten nur wenig nachgefragt. Die Paartalbahn hatte ihren Tiefststand erreicht.

Ebenso geriet der einst bedeutsame Güterverkehr ist nach dem Willen der deutschen Verkehrspolitik zunehmend in eine Abwärtsspirale und ist seit Ende der 1990er Jahre so gut wie tot. Die Durchgangsüberzüge und die Ganzzüge aus Kesselwagen mit Produkten der Ingolstädter Raffinieren verschwanden zunehmend mit der Elektrifizierung der Donautalbahn 1980, die Nahgüterzüge des Einzelwagenverkehrs, die im Bahnhof Wagen für Industrie und andere Besteller bereitgestellt und wieder abgeholt wurden, verschwanden mit der Jahrtausendwende.

Lediglich die Pfeifer Holz GmbH in Unterbernbach und die Scherm Gruppe mit dem großen Audi-Parkplatz im Karlskroner Ortsteil Probfeld besitzen heute noch einen Gleisanschluss. In Schrobenhausen hatten früher unter anderem die Papierfabrik Leinfelder, das Sägewerk Prücklmair, die BayWa (drei verschiedene Anschlüsse), die Kartoffelflocken- und Stärkefabrik (Südstärke), die Hanfröste und Ytong einen Gleisanschluss.

Ökoligisch sinnvoll, aber verkehrspolitisch nicht gewollt: Der Güterverkehr auf der Paartalbahn gehört fast völlig der Vergangenheit an. Unser Bild aus den frühen 1980er Jahren zeigt einen Durchgangsgüterzug nach Augsburg, der gerade den Schrobenhausener Bahnhof mit seinen damals noch umfangreichen Gleisanlagen passiert. (Foto: Benno Bickel)

Mit der formalen Privatisierung der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn (neue Bundesländer) zum 1. Januar 1994 und Gründung der privatwirtschaftlich geführten, wiewohl zu 100 Prozent in Staatsbesitz befindlichen  Deutschen Bahn AG wurde die Infrastruktur – also die Gleisanlagen etc. – vom Zugbetrieb getrennt. Seit 13. Dezember 2009 fährt auf der Paartalbahn im Auftrag der „Bayerischen Eisenbahngesellschaft“ (BEG), die den Regionalverkehr in Bayern organisiert,  die „Bayerische Regiobahn“. So heimatverbunden der Name auch klingt, verbirgt sich dahinter der französische Konzern „transdev“. Zum Einsatz kommen moderne Dieseltriebzüge des Typs LINT 41/H mit einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h.

So ist heute im 150. Jubiläumsjahr ist das Angebot auf der Paartalbahn besser denn je. Vom frühen morgen bis Mitternacht verkehren die Züge zwischen Augsburg und Ingolstadt im Stundentakt (Augsburg Hbf– Aichach im 30-Minuten-Takt; Augsburg Hbf – Friedberg im 15-Minuten-Takt. Die Zahl der Reisenden auf der Paartalbahn ist seit Einführung und schrittweiser Ausdehnung des Stundentakts in den Nachtstunden gewaltig gestiegen, allein zwischen 2008 und 2012 um 72 Prozent. Aktuellere Zahlen werden als „Geschäftsgeheimnis“ nicht kommuniziert.

Und die Zukunft? Es gibt vage Pläne für eine Teilelektrifizierung der Paartalbahn und den Einsatz umweltfreundlicher Batterie-Triebwagen, die unter Fahrdraht aufgeladen werden. Die gegenwärtigen Tendenzen der Verkehrs- und Umweltpolitik sprechen jedoch eher gegen das Vorhaben.

Die Paartalbahn heute: Dieseltriebzüge der „Bayerischen Regiobahn“ im  Taktverkehr. Die Aufnahme vom 11. Dezember 2024 zeigt VT 320 bei der Feldwegbrücke nahe des Königslachener Weges als Regionalbahn von Ingolstadt nach Augsburg Hbf. (Foto: Benno Bickel)




150 Jahre Paartalbahn-Geschichte(n)

Vom Landrat und der „dummen Bundesbahn“: Vor fast 50 Jahren sollte die Paartalbahn stillgelegt werden

Stundentakt Augsburg – Schrobenhausen – Ingolstadt, 30-Minuten-Takt Augsburg – Aichach, 15-Minuten-Takt Augsburg – Friedberg. Noch nie gab es auf der Paartalbahn so viele Züge wie im 150. Jubiläumsjahr. Noch nie fuhren so viele Reisende wie heute.

Das sah schon einmal ganz anders aus. Nur noch ältere Schrobenhausener erinnern sich daran, dass die einstige Deutsche Bundesbahn die Paartalbahn schon einmal stilllegen wollte. Fast 50 Jahre ist es her, dass sich dunkle Wolken über der Strecke zusammenballten. Bundesbahn-Vorstand und Verkehrspolitik hatten 1976 das Konzept eines „betriebswirtschaftlich optimalen Netzes“ ausgeheckt, und diesem sollten auch die Personenzüge auf der Paartalbahn zum Opfer fallen.

In Schrobenhausen brach ein Sturm der Empörung los: Kommunale Gremien, politische Parteien, Vertreter von Industrie und Handel, Gewerkschaften und viele Bürger, die ihren Namen auf Unterschriftslisten zum Erhalt der Bahn setzten, meldeten massiven Protest an. Ganz besonders deutlich wurde Landrat Dr. Walter Asam (1926-2002): „Der Bundesbahn fällt jeden Tag eine andere Dummheit ein!“ echauffierte sich der langjährige Landkreis-Chef im Januar 1979 in öffentlicher Sitzung. Dr. Alfons Thoma (1917-2011), Präsident der Bundesbahndirektion München, war sehr beleidigt. Worauf denn diese „dem Unternehmen Bundesbahn abträgliche Äußerung“ zurückzuführen sei, wollte der oberste bayerische Eisenbahner wissen. Landrat Asam dachte nicht daran einzuknicken. „Leider muß ich im Hinblick auf meine Enttäuschung über die Pläne der Deutschen Bundesbahn (Streckenstillegung) auch heute noch zu der von mir geäußerten Bemerkung stehen“, schrieb der Landrat zurück nach München.

Blättert man heute in alten Ausgaben der Schrobenhausener Zeitung, so erzählen allein schon die Titel der mehr als 60 Berichte und Kommentare, die zwischen 1976 und 1979 zum Thema Paartalbahn erschienen, eine beredte Geschichte zwischen Hoffen und Bangen, Protest und Resignation. Eine kleine Auswahl: „Über 1000 Pendler melden Protest an“ – „Wir fahren mit der Bahn und wollen mit der Bahn fahren“ – „Pläne der Bundesbahn gefährden die Entwicklung Schrobenhausens“ – „Gegen die Pläne der Bundesbahn wurde viel Dampf abgelassen“ – „JU und Landjugend wenden sich gegen die Reisezugverlagerung“ – „Busse können den Bahnverkehr niemals ersetzen“ – „Industrie und Handelskammer für den Personenzugverkehr“.

Nach drei Jahren, im Herbst 1979, war die Schlacht gewonnen. Eine ganze Reihe von Bahnstrecken in Bayern erwischte es. Die Personenzüge auf der Paartalbahn blieben erhalten. Doch der Hader mit der Bahn begann bald aufs Neue: Immer mehr Stationen wurden geschlossen, so etwa Hörzhausen, Edelshausen und Niederarnbach. Diese „Salami-Taktik“ fand am 2. Juni 1985 ihren Höhepunkt mit der völligen Einstellung des Zugverkehrs am Samstag und der Reduzierung auf zwei Abendzüge an Sonn- und Feiertagen zwischen Aichach und Ingolstadt. Ersatzbusse waren mangels Nachfrage rasch wieder verschwunden. Die große Wende kam dann genau nach elf Jahren am 2. Juni 1996. Im neu geschaffenen Bayern-Takt fuhren die Züge nun werktags erstmals im Stunden- und am Wochenende im Zweistunden-Takt. Von da an ging’s bergauf mit der Paartalbahn.

 

Als Güter noch mit der Bahn kamen: Schrobenhausen hatte früher einen „richtigen Bahnhof“

Das Schrobenhausener Bahnhofgebäude hat sich trotz einiger Um- und Anbauten seit der Eröffnung der Paartalbahn vor 150 Jahren äußerlich in seiner Grundform erhalten. In dem heute wie viele andere in Privatbesitz befindlichen Bahnhof ist die derzeit zuständige „DB InfraGO“ nur noch Mieter und schert sich wenig um ein freundliches Ambiente. Der Eingangsraum mit dem geschlossenen Schalter heißt in all seiner Trostlosigkeit den Reisenden nicht gerade willkommen. Allein die drei Fenster der Schrobenhausener Glaskünstlerin Brigitte Schuster aus dem Jahr 2010 setzen einen gewissen Akzent.

Früher ging es im Bahnhof belebter zu: Fahrkarten-Schalter, Schalter für Gepäck und Expressgut sorgten für Publikumsverkehr. Stichwort Expressgut – schnelle Beförderung in regulären Zügen: Auch die Druckvorlagen der Schrobenhausener Zeitung, damals „Matern“ genannt, wurden viele Jahre Tag für Tag per Bahn nach Ingolstadt zum Donaukurier geschickt – das klappte zuverlässig. Neben dem Bahnhof befand sich die Güterhalle für das Stückgut, bis zuletzt mit der Aufschrift „Kgl. Güterexpedition“ (heute stehen dort Fahrräder). Für Viehtransporte gab es eine eigene Rampe.

Das einst zahlreiche Personal ist bis auf den Fahrdienstleiter, der im kleinen Stellwerksvorbau seine Arbeit verrichtet, verschwunden. Ebenso verschwunden sind die umfangreichen Gleisanlagen, die in zwei „Rückbauaktionen“ von fünf bis auf das für Zugkreuzungen erforderliche Minimum von zwei Gleisen reduziert wurden.

Ein typischer Nahverkehrszug der Paartalbahn in den 1980er Jahren: Diesellokomotive der Baureihe 211 mit vier "Silberlingen", so genannt nach ihrer Farbe.

Arg geschrumpft sind sie, die Anlagen des Schrobenhausener Bahnhofs. Dieser „klassische Personenzug“ nach Ingolstadt mit Diesellokomotive der Baureihe 211  und vier Wagen, steht 1981 auf dem dritten von insgesamt fünf Gleisen. Heute sind es noch zwei Gleise, auf denen sich jede Stunde die Triebzüge der Bayerischen Regiobahn begegnen. (Foto: Benno Bickel)

Die Gütergleise, auf denen fleißig rangiert wurde, sind heute überbaut oder der natürlichen Vegetation überlassen. Die zwei Ladestraßen, an denen von Güterwagen in Straßenfahrzeuge ein- oder ausgeladen wurde – oft lanwirtschaftliche Produkte – gehören ebenso der Vergangenheit an. Nicht besser erging es den Anschlußgleisen Schrobenhausener Industriebetriebe: Leinfelder, Ytong, Baywa, Sägewerk Prücklmair, „Kartoffelflocken“ – alle brauchten mal die Bahn.  Für den Rangierbetrieb besaß der Schrobenhausener Bahnhof eine eigene kleine Diesellok, eine sogenannte Kleinlok. 1988 wurde sie abgezogen.

Eine Kleinlok (Köf) sorgte lange Jahre für den Rangierverkehr im Bahnhof Schrobenhausen. Auf dem Anschlussgleis parallel zum Königslacher Weg bringt die Köf 332 258 zwei Kalkwagen zum Ytong-Werk.

Als Güter noch mit der Bahn nach Schrobenhausen kamen: Die „bahnhofseigene“ Kleinlok bringt auf dem längst verschwundenen Anschlußgleis entlang der Königslachener Straße zwei Güterwagen mit Kalk zur Firma Ytong. (Foto: Benno Bickel)

Einen „richtiger Bahnhof“ wie aus dem Bilderbuch gibt es heute in Schrobenhausen nicht mehr, nachdem sich ab den 1980er Jahren mindestens zweieinhalb Jahrzehnte lang der von der großen Verkehrspolitik gewollte Rückzug der Eisenbahn vollzog. Das mag so manchen Nostalgiker schmerzen, doch das Angebot im Reisezugverkehr ist im Jubiläumsjahr besser, schneller und komfortabler denn je. Der Güterverkehr aber ist seit Anfang der Jahrtausendwende tot. Alles läuft in Schrobenhausen über die Straße.

 

Eine „alte Innovation“ kehrt zurück

Die Zukunft der Paartalbahn soll jüngsten Verlautbarungen gemäß im 150. Jahr ihres Bestehens in einer Teilelektrifizierung und dem Einsatz batterie-elektrischer Triebzüge liegen. Kurios: Das gab es bereits einmal, und das zu Zeiten, als das Modewort „innovativ“ noch friedlich im Fremdwörter-Duden schlummerte und nur selten in Aktion treten musste. Von den frühen 1960er Jahren bis 1985 fuhren auf der Paartalbahn häufig sogenannte Akkumulator-Triebwagen, die leise summend im Schrobenhausener Bahnhof hielten, um sich dann – mit etwas behäbiger Beschleunigung – wieder auf den Weg zu machen. Ihre Energie bezogen sie aus schweren Varta-Batterien; Ladestationen gab es in Augsburg und Ingolstadt. Ob ihres leisen Fahrgeräusches und der großen Laufruhe waren die Fahrzeuge beim Reisepublikum beliebt. Ökologische Überlegungen spielten bei diesen „frühen Umweltschützern auf Schienen“ noch keine Rolle. Vielmehr ging des darum, die Vorteile des elektrischen Betriebs ohne die hohen Kosten einer Elektrifizierung auch auf weniger befahrenen Strecken zu nutzen. Auch wenn sich die Batterie-Technik seither stürmisch weiter entwickelt hat und damals von einer Aufladung via elektrischer Oberleitung noch nicht die Rede war, so ganz neu ist diese ’Innovation nicht.

Paartalbahn: Akku-Triebwagen 515 007 kurz vor Schrobenhausen als Nahverkehrszug nach Augsburg Hbf. Foto aus den frühen 1890er Jahren.Leise surrend und emissionslos hat der Akku-Triebwagen 515 007 auf seinem Weg nach Schrobenhausen gerade die Feldwegbrücke unweit der Königslachener Straße passiert. Das Bild dieser „vergessenen Innovation“ entstand um 1980. (Foto: Benno Bickel)

 




Besuch in Schrobenhausen 1816 – ein sehr seltener Reisebericht

Drehen wir die Uhr um 210 Jahre zurück. Die Zeiten sind bewegt. Am 18. Juni 1815 endet die Napoleonische Ära auf dem Schlachtfeld im belgischen Waterloo. Die restaurative Neuordnung Europas nimmt auf dem Wiener Kongress Gestalt an. Am 8. Juni 1815 wird der Deutsche Bund geschaffen, dem fortan auch Bayern angehört. In Verhandlungen und Verträgen arrondiert das junge, erst seit 1806 bestehende Königreich sein Staatsgebiet, verliert, gewinnt hinzu und erhält am 1. Mai 1816 schließlich die linksrheinische Pfalz.

Wir aber begleiten – abseits der großen Welt – Joseph von Obernberg auf seiner Fahrt durch den Landgerichts-Bezirk Schrobenhausen im Mai 1816, worüber er wenige Wochen später im zweiten Heft des dritten Bandes seines insgesamt fünfbändigen Werkes „Reisen durch das Königreich Baiern“ berichtet, seine Eindrücke mit wohlgesetzt-blumiger Sprache schildert und sich dabei gerne in historischen Exkursen ergeht.

Historische Reiseberichte, in denen Schrobenhausen in mehr als einem Nebensatz erwähnt wird, sind eine ausgesprochene Rarität. Auch Obernberg befasst sich viel lieber mit Pfaffenhofen oder Aichach, widmet sich aber immerhin den Orten des Umlands etwas ausführlicher. Jenseits aller „Nestbeschmutzung“ könnte man daher zu dem Urteil gelangen, dass Schrobenhausen für den Reisenden des 19. Jahrhunderts wenig attraktiv war.

Joseph von Obernberg, auch Ignatz Joseph von Obernberg, wurde am 21. November 1761 als Sohn eines Regierungsadvokaten in Ansbach geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Ingolstadt bekleidete er – auf der Karriereleiter nach oben steigend – zahlreiche öffentliche Ämter vom Vogteirichter in Miesbach (1785) bis zum Vorstand der Spezial-Staatsschulden-Tilgungskommisssion (1811). Kurfürst Carl Theodor erhob ihn 1793 in den Adelsstand. Seit 1803 ordentliches Miglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, profilierte er sich mit zahlreichen Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte. Joseph von Obernberg starb am 23. März 1845 in München.

(Biographische Angaben nach: Anton von Delling: Biographie des Ignatz Joseph Edlen von Obernberg. Nebst Verzeichnis der vom königl. Kreisdirektor Ignaz Joseph von Obernberg verfassten Schriften und Aufsätze. Manuskript 1845)

Joseph von Obernbergs bei weitem umfangreichstes Werk sind seine „Reisen durch das Königreich Baiern“, die zwischen 1815 und 1820 in insgesamt fünf Bänden im Verlag von Ignatz Joseph Lentner in München erschienen. All diese Fahrten unternahm er im Isarkreis, dem 1808 bis 1837 als Verwaltungseinheit bestehenden Vorgänger des heutigen Regierungsbezirks Oberbayern. Der Titel „Reisen durch das Königreich Baiern“ ist inhaltlich also etwas zu hoch gegriffen.

Nachdem er sich in den Landgerichten Landshut und Pfaffenhofen umgesehen und mit lobenden Worten über Land und Leute nicht gespart hat, macht sich Obernberg nach einer Übernachtung in Geisenfeld an einem blühenden Frühlingstag im Mai 1816 auf den Weg nach Schrobenhausen:

Nun gilt Obernbergs Aufmerksamkeit dem Paartal, über das er schwärmerisch urteilt:

Das 72. Kapitel des Reisebuches, das sich nun dem Landgericht Schrobenhausen widmet, präsentieren wir in zwei Spalten, links das Original in Fraktur, rechts ein „Transkript“ in heutiger Druckschrift, dem sich jüngere Leser sicher gerne zuwenden werden:

Obernberg Reisen in Bayern Schrobenhausen

Zwey und siebenzigster Brief.


Hohenwart. Stadt Schrobenhausen. Lage, Gestalt, Ursprung und Schicksale. Vorläufiger Ueberblick des Landgerichts. Schlösser: Singenbach, Steingriff, Edelshausen, Niederärnbach.


Schon im vorigen Briefe habe ich von Hohenwart gesprochen, doch nur in Hinsicht auf seine mahlerische Lage. Nun, beym Eintritte in’s Landgericht Schrobenhausen, dessen
erste Ortschaft es in dieser Gegend ist, theile ich Ihnen hierüber weitere Notizen mit. –
Hohenwart (Hohe Warte, alta specula) bestehet aus dem bekannten vormahligen Nonnenkloster, und einem Marktflecken, der an seinem
Fuße

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Fuße sich ausbreitet. Eine uralte Burg stand hier, und ward nach dem Geiste der Zeiten um das Jahr 1074 von Rapotho Grafen von Tauern in ein Kloster umgewandelt.

Sie erinnern sich, mein Freund! dieses Geschlechtes aus meinem dritten Briefe über die erste Reise (Heft I. S. 45). Dasselbe war zwischen Hall und Innsbruck von Alters her
reich begütert, und in vorzüglichem Ansehen. Rapotho vergab sein Eigenthum an der Paar an Benediktiner=Nonnen, und Ortolph sein Sohn, vorzüglich aber seine Schwester Willitrud vermehrten die Stiftung, und dotirten reichlicher das neue Kloster.

Rapotho, ihr Bruder, hatte auf dem Rückwege von einem Kreuzzuge seinen Tod gefunden. Der Leichnam ward nach Hohenwart gebracht und in der Kirche begraben. Die gebeugte Schwester gab nun ihre ganze Habe dem Kloster hin, nahm selbst den Schleyer an, und starb als die erste Aebtissinn im Jahre 1081 *)
Wie=

*) Monum. boic. Vol. XVII. pag. 97.

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Wiederholte Feuersbrünste haben in der Zeitfolge das Kloster in Asche gelegt, und diese und kriegerische Ueberfälle die ältern Urkunden zum unersetzbaren Schaden der Geschichte vernichtet. Doch ward dasselbe im J. 1572 durch Unterstützung Herzogs Albert V. des Großmüthigen von der Aebtissinn Barbara neu aufgeführt.

Nicht unwahrscheinlich ist die Meinung derjenigen, welche das Summontorium der Römer, das in Antonins Reisekarte vorkommt, an Hohenwart erkennnen wollen. Die hohe Lage
an einem Flusse nicht sehr fern vom Hauptstrome der Donau, – und der Umstand, daß die Römer stets hohe Plätze in ihren Kriegen mit den Germanen für ihre Kastelle wählten, stimmen ganz hiemit überein.

Eben so ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Burg Hohenwart bey den Einfällen der Ungarn, besonders im J. 955 von selben zerstört, nachhin aber, da sie auf dem Lechfelde
im genannten Jahre die verdienten Schläge bekamen, und ihren Untergang gefunden haben, wieder aufgebaut worden; wo dann die zerstreuten Einwohner sich wieder gesammelt, und den

Obernb. Reisen, III, B. 2. H

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Markt Hohenwart am Fuße der Burg angelegt haben. Er zählet jetzt ungefähr 890 Seelen.

Uebrigens darf sich Hohenwart der Ehre rühmen, durch einen Sprößling aus seiner Mitte die große Erfindung der Deutschen, die Buchdruckerkunst, in Rom eingeführt zu haben. Ein Geistlicher, von Hohenwart gebürtig, war es, der mit dem Priester Georg Sachsel von Reichenhall im Jahre 1478 dieses Verdienst sich erwarb. Mit Vergnügen theile ich Ihnen diese interessante, und den Baiern Ehre bringende, Notiz mit, wie ich sie von meinem literarischen Freunde Dionys Reithofer empfangen habe *).

Je mehr wir uns der Stadt Schrobenhausen näherten, begegneten uns mehrere Menschen, welche vom dortigen Jahr=Markte zurückkehrten; denn auf den gestrigen Tag fiel das Himmelfahrtsfest, mit welchem jener Markt
ver=

*) Aemil. Reif. origg, typograph. zu genanntem Jahre.

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verbunden ist. Wir konnten also die Gestalten und die Kleidertracht wahrnehmen, die wir beyde kaum etwas verschieden von jenen um Geisenfeld fanden, wo sie gegen die obern Reviere um Pfaffenhofen etwas, aber mehr noch gegen jene um Hohenkammer, Unterbruck und Munchen verbessert erscheinen. Aber in keiner Hinsicht mögen sie jenen gleich kommen, welche ich Ihnen aus dem Isarthale unter Landshut bey Altheim, Essenbach u. s. w. beschrieben habe. An Geschmack stehet die hiesige Tracht jenem edleren Kostüm bey weitem nach.

Nur 2 Stunden=Säulen hatten wir von Hohenwart und Schenkenau nach Schrobenhausen zurückzulegen in schöner Ebene, die sich immer und immer erweitert, wie man sich dem Städtchen nähert, indem die beyderseitigen Hügel allmählig zurücktreten, und in Form eines Kranzes die Fluren der Stadt umgeben, gleichwohl aber im Süden einem schönen Ausblicke in die Ferne freyen Spielraum gewähren.
Der niedersteigenden Sonne milde Strahlen verschönerten die Gegend, und vergnügt in diesem Genusse einer freundlichen Natur fuhren wir dahin. Schon glaubten wir am Thore zu seyn,
als

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als die Straße plötzlich zur Rechten ablenkte, und in einem weiten Bogen nach einer andern Seite der Stadt führte.

Bey unserm Eintritte fanden wir wohl das Leben, das ein Jahrmarkt hervorbringt: aber wenig Angenehmes an der Gestalt des Innern von Schrobenhausen. Durchgehends hat es ein sehr alterndes Ansehen, ohne irgend einer vorzüglichen Auszeichnung. Auch dieser Ort und die Gegend soll in der Vorzeit die Grafen von Thauern zu Gebiethern gehabt haben; welches nicht unwahrscheinlich ist, da sie in der Nähe zu Hohenwart, wie dessen Stiftung beweiset, sehr begütert waren. Im eilften Jahr hundert bestand er nur aus 2 Höfen, die Schroben-Höfe genannt, die nach und nach, als sich mehrere Ansiedlungen ergaben, zu einem Markte anwuchsen. Diese neuen Einwohner leisteten in den Fehden gegen die Reichsstädte gute Dienste; daher ihnen auch Herzog Stephan II. von Baiern=Ingolstadt 1393 mehrere Freyheiten ertheilte. Sein Sohn, Ludwig der Gebartete erhob den Markt zu einer Stadt, ließ die Mauern aufführen, die Wälle aufwerfen, und sie mit Gräben umgeben. Zur Beförderung des
Han=

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Handels verlieh er seiner neuen Stadt noch mehrere ansehnliche Freyheiten, die sich aber in der Zeitfolge wieder verloren haben.

Im dreyßigjährigen Kriege ward die Stadt von den Schweden hart bedrängt, indem sie die ganze Zeit hindurch den ersten Anfällen der Feinde, wie die Stadt Aichach ausgesetzt war. Im
Jahre 1704 ward Schrobenhausen von den Engländern und Oestreichern besetzt, zu unserer Zeit aber im J. 1796 von den Franzosen genommen. Im J. 1799 zog zweymal das Heer der Russen durch, und 1800 ward die Stadt wieder von den Franzosen besetzt, und erst nach dem Frieden im folgenden Jahre geräumt.

Schrobenhausen hat an der Straße nach Aichach eine ganz artig gelegene Vorstadt, mit deren Einschluß 1480 Einwohner gezählt werden. Die Stadt hält drey Jahrmärkte, in der Fastenzeit wochentlich einen Hauptviehmarkt, und an jedem Donnerstage eine, zwar nicht bedeutende, Getreidschranne nebst Wochenmarkt. Nur die Poststraße von Augsburg nach Regensburg führet hindurch. Uebrigens ist sie der Sitz des königl. Landgerichts und Rentamtes.
Gleich=

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Gleichwohl fließen die Erwerbs=Quellen nicht reichlich.

Die Wiesen, welche die Stadt umgeben, und von der Paar durchschnitten werden, haben einigen Zusammenhang mit dem bekannt großen Donaumoose, dessen hier angränzender Theil das Schrobenhauser=Moos genannt wird. Wie weit die Kultur des erstern gediehen ist, werden wir
auf einer andern Reise durch das Landgericht Neuburg sehen. Gegenwärtig kann ich nur die wichtigern Ortschaften des Landgerichts Schrobenhausen in’s Auge fassen, und dann dessen Bezirk im Ganzen überschauen, um die wesentlichsten Resultate aus diesem Ueberblicke abziehen zu können.

Dieses Landgericht, welches ganz seine alte politische Formation behalten hat, begreift, nach neuesten genauen Vermessungen, nur 5 8/10 Quadratmeilen in sich, und zählet 9177 Seelen, wovon also nur 1582 auf einer derselben leben.
Sie sehen also klar, welchen Einfluß jene Moosstrecken auf die Bevölkerung dieser Gegenden behauptet haben. Nun werden sie zwar zu den bestehenden Gütern benutzt, allein diese sind da=
durch

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durch nur vergrößert, und, besonders für die Viehzucht erleichtert, aber darum nicht merklich Ihre Menschenzahl vermehrt; denn sie ertragen nicht so viel, daß neue Ansiedlungen auf nachhaltige Dauer bestehen könnten; und Kolonieen muß man nicht anlegen vor der Zeit, wenigstens
nicht ohne hinlänglichem Spielraum zum Anbau. Doch hievon ein Andersmal!

In den Umgebungen von Schrobenhausen wollen wir uns umsehen. Sie theilen sich in die westnordlichen und südöstlichen; indem die Paar, und die Straße das Landgericht nach seiner Breite durchschneiden, und dieses von Südost nach Nordost seine Länge erstrecket. In das Hauptthal der
Paar mündet sich ein Seitenthälchen herab, von dem Flüßchen Weilach belebt, das aus dem Süden kommt, dem Orte Weilach den Nahmen giebt, und bey Schrobenhausen an ihre größere Schwester die Paar sich ergiebt. In
diesem südöstlichen Theile befindet sich das Edelgut Singenbach, eine vormalige Hofmark, deren frühere Inhaber die Lösch und Seebeck waren. Wie die Inschrift eiues Grabsteins dieser letzteren Familie bezeuget, hieß der Ort vormals Minenbach. An ihn stoßt der sogenannte
Thurn=

Thurnberg, worauf vor Zeiten ein Thurm soll gestanden haben. Nach dem Abgange der Raindorfer gelangte Johann Nidermair, churbaierischer Hofkammer=Direktor, durch Kauf zum Besitze, dessen Nachkommen, die Freyherren von Niedermair noch gegenwärtig Eigenthumer des Gutes sind.

Mehrere Ortschaften von Bedeutung lagern sich im nordwestlichen Theile des Landgerichts.In der Nähe von Schrobenhausen, nur eine halbe Stunde entfernt, vor dem Forste Hagenau, liegt Steingriff, ein, dem Freyherrn Augustin von Guggomos (nebst dem Edelsitze Wöhr) gehöriges Edelgut. Vor mehr als dreyhundert Jahren hatten es die Pichler im Besize. Johann Leonhard Pichlers Witwe Agnes, geborne von Seckendorf setzte 1493 ihre Vettern, Wolfgang, Christoph und Andreas die Weichser zu Erben ein, und lange hin bis auf unsere Zeit blieben ihre Nachkommen, die
Freyherren von Weichs Inhaber dieser ehemaligen Hofmark. Einige derselben ruhen in der Kapelle auf dem nahen Dürrenberge, welche im J. 1566 Jacobe von Weichs gestiftet hat.
Nörd=

Nördlich von Steingriff besitzet der Herr Graf Kajetan von Sandizell das Schloß und Pfarrdorf Edelshausen. Der Ort war ursprünglich eine Einöde oder Einzelhof, von Ulrich Edelshauser bewohnt. Die Pfarrkirche erhob sich aus einer Kapelle, welcher derselbe seinen Hof als Dotation überlassen hat. Nach einer Steinschrift am Thore des Schlosses hat
Ortolph von Sandizell 1556 den Bau desselben angefangen und 1562 vollendet. Das J. 1632 war dem Schlosse und auch zum Theil dem Dorfe verderblich; die Schweden legten selbes und auch einige Häuser in Asche; nur erst nach dreyßig Jahren ward es mit großen Kosten wieder hergestellt. In der Pfarrkirche wurden folgende Sandizeller begraben: im Jahre 1444 Ortolph; – 1486 Sigmund; 1517 Moritz; – 1541 Hochprand; – 1567 Mauritius, Bischof zu Freising; – 1574 Ortolph, und 1575 dessen Gemahlinn Martha, geborne Kärgl; – 1604 Georg; – 1607 Moritz; 1615 Johann; – 1671 Ortolph Freyherr von Sandizell. – Von jenem Hochprand von Sandizell erzählet die lateinische Steinschrift, daß er dem zweyten
Zuge Kaiser Karls V. nach Afrika gefolget
sey,

sey, und dort jenseits des Meeres vor dem belagerten Algier, mit Waffenruhm bedeckt, seinen Tod gefunden habe, als ein blühender Jüngling von 21 Jahren.

An der nördlichen Gränze des Landgerichts, zwey Stunden von der Stadt Schrobenhausen am Donaumoose, erscheint Ihnen Nieder=Aernbach, ein, dem Freyherrn von Pfetten gehöriges Edelgut. Das prächtige Schloß, im J. 1598 von den Vöhlin von Frickenhausen mit einem Aufwande von 60,000 Gulden erbaut, steht auf einem munteren Hügel, eine weite Aussicht über das Moos an die Donau nach Ingolstadt und Neuburg beherrschend.

Im J. 1455 besaßen diese vormalige Hofmark die Herren von Kammer; 1551 Anton Fraunberger, von dem es durch Heirath 1571 an Daniel Messenbeck zu Schwendt, nach dessen Tode aber 1586 an Johann Ludwig von Gumpenberg durch Kauf, und 1594 an den schon genannten Ferdinand Vöhlin von
Frickenhausen und Illerhausen auf gleiche Art übergieng. Eben so erhielten es 1629 die Herren von Seiboltsdorf; aber nach dem
Tode

Tode Victor Adams von Seibeltsdorf, Vicedoms zu Burghausen gelangte 1663 der geheime Rath und Hofkammer=Präsident, Marquard Freyherr von Pfetten zum Besitze, der es an seinen Stammen vererbte. Wir nehmen
jetzt unsere Richtungen nach der westlichen Gränze des Landgerichts. Daher schließe ich für heute, und theile Ihnen morgen das Weitere mit.
Drey

Drey und siebenzigster Brief.


Oberärnbach. Berg im Gau. Langenmoosen. Altes Dorfgericht daselbst. Schloß Sandizell. Erinnerung an das Landleben des Adels in der Vorzeit. Allgemeine Bemerkungen.


Im Westen von Niederärnbach, nördlich von Schrobenhausen, erschienen uns die Dörfer Oberärnbach und Berg im Gau, in der fruchtbarsten Gegend des Landgerichts gelagert. Das Schloß Oberärnbach steht an einem Bache, welcher in den Hauptkanal fällt, und endlich mit der Ach in der Paar sich verliert. Diese vormalige Hofmark besassen die Judmann, Preysing, Neudeck, Schaden, Altersheimer, und
nach=

nachhin die Freyherren von Metternich als baierisches Ritterlehen, bis sie endlich gleichfalls die Freyherren von Pfetten erhielten. – Berg im Gau, ein Pfarrdorf, zählet 21 Häuser, unter welchen ein Schul= und Gasthaus sich befindet. Hier, wie auch um Oberärnbach, begünstiget die bessere Scholle den Bau des Weizens in nicht geringem Maße, vorzüglich in den Fluren von Berg.

Unfern im Südwesten von Berg im Gau breitet sich das Pfarrdorf Langenmoosen aus, indem es 115 Häuser mit Einschluß eines Schul= und Gasthauses zählt. Merkwürdig ist für die Geschichte der Vor- und Mittelzeit in Baiern das alte Dorfgericht, und die sogenannte Ehehaft dieses Dorfes, noch vom Herzoge Georg dem Reichen zu Landshut im J. 1481 bestätiget, und unter dem Nahmen Herbstrecht zu Langenmoosen noch in der Tiefe des vorigen Jahrhunderts unter dem Vorsitze des Pflegers von Schrobenhausen ausgeübt. Mit Interesse werden Sie die Ordnung, wie dieses Herbst=Recht gehalten worden, in der Beylage lesen, und hierin die altväterlichen Formen eines Theiles der altbaierischen Gerichts= und Polizeyverwaltung kennen lernen.
Wei=

Weiter südlich steht das ansehnliche Stammschloß der Herren Grafen von Sandizell mit einem Brauhause und bedeutender Oekonomie, in dem zugehörigen Pfarrdorfe von 59 Behausungen. Wiguleus Hund versichert *), in alten Briefen den ursprünglichen Nahmen Sandigenzell gefunden zu haben: eine sprechende Bezeichnung der Beschaffenheit des Bodens. Das alte edle, in baierischen und andern Kriegsdiensten rühmlich ausgezeichnete, Geschlecht der Sandizeller hatte früher sein Begräbniß zu Scheiern, welches Kloster sie mit verschiedenen Stiftungen bereicherten, in einer besondern Kapelle. Sie theilten sich in mehrere Linien, unter eigenen Beynahmen: als die von Lintach (einem alten,
auch nach Scheiern gegebenen Burgstall und Weiler nahe bey Edelshausen), von Satlberg, Großhausen, Niederwittelsbach, Edelshausen, dann, wie der gerühmte Wiguleus Hund vermuthet, auch von Steingriff, und
Schrobenhausen.

In der Richtung nach Süden gelangen Sie durch das große Kirchdorf Herzhausen an die
Paar,

*) Im Stammbuche II. Th. S. 274.

Paar, und über diese an die Straße zurück,welche sich von Schrobenhausen herauf bereits der südwestlichen Gränze des Landgerichts nähert, nachdem sie ober dieser Stadt nur zwey Stunden=Säulen passiret hat.

Auch in diesem, nun durchwanderten, Bezirke nannte ich Ihnen nur jene Edelgüter, auf welchen sich noch ihre Schlösser erhalten haben; die übrigen 11 alten Hofmarken, und nachmaligen, nun auch aufgelöseten, Patrimonialgerichte umging ich. Die herrschaftlichen Sitze derselben sind früher oder später durch Kriege verwüstet, oder sonst verlassen, und niedergelegt worden. Die zugehörigen Dörfer haben also weder Auszeichnung, noch jenes Leben mehr, das ihnen die vormalige Gegenwart des Landadels gegeben hatte. Daß in der Mittelzeit der Bestand so vieler bewohnter Burgen, und kleinerer Sitze des niedern Adels, oder der freyen Eigenthumer, zur Bevölkerung und Kultur des Landes sehr
vieles beygetragen habe, können Sie sich, mein Werther! leicht vorstellen; wie es denn auch bekannt ist, daß Baiern vor dem dreyßigjährigen Kriege ungleich mehr bevölkert war, als gegenwärtig. Es beweisen ferner die Rudera vieler
ver=

verfallener Burgställe, daß in früherer Zeit nebenbey noch mehrere Edelsitze bestanden haben, und bewohnet worden, wovon nur mehr leise Sagen sprechen. So trägt im Landgerichte Schrobenhausen ein, dem Dorfe, und Edelsitze Wörth nahe gelegener Hügel deutliche Spuren eines hier gestandenen Thurmes oder Schlößchens in den wahrgenommenen Gräben und vorgefundenen Ziegel=Trümmern.

Zwar ist nicht zu widersprechen, daß manche dieser älteren Burgen und Sitze freyer Eigenthümer durch die an neue Plätze versetzten Schlosser ersetzt, oder wenigstens ihr Hofbau an die Grundholden übergegangen, und öfter auch unter zwey Bauern=Familien vertheilt worden, so daß Bevölkerung und Kultur durch jene Verödung weniger zu leiden hatten. Allein im Ganzen erhielten doch die Lebhaftigkeit und die Gewerbe der Ortschaften, durch Versiegung der Nahrungs=Quellen für Dorfhandwerker, einen empfindlichen Stoß, und auch so mancher Platz, vormals in Kultur gesetzt, trat hierauf in den Zustand ursprünglicher Verwilderung zurück, und ward Heide, Wald, oder gar Sumpf: wie man
be=

besonders im Gebirge an vielen Stellen wahrnehmen kann.

Uebrigens fanden wir allenthalben nur sehr mittelmäßige Fruchtbarkeit auf den Hügeln, deren Grundlage rother und weisser Sand bildet. Nur Berg im Gau, und Oberarnbach erfreuet sich, wie schon gesagt worden, eines guten Weizenbodens; die Flur von Niederarnbach begünstiget den Kornbau mehr, als andere Reviere. Ueberhaupt giebt der Sandboden den Samen nur 4-5, in etwas nassen Jahren 5-6mal zurück. Den höchsten Ertrag gewähren die westnördlich und westlichen Steuerdistrikte Berg im Gau, Langenmosen, Grimolzhausen, Hörzhausen, und Gerolsbach im Südosten. Mittelmäßig fällt er aus in den Distrikten Hohenwart, Schrobenhausen, Edelshausen, Diepoldshofen, Sandizell, Beutenhausen, Weilach, Klenau, Steingriff, Rettenbach und Gachenbach. – Der geringste Ertrag findet sich in den Distrikten: Mühlried, Brunen, Lauterbach, Strobenried, Singenbach, Alberzell, Hirschenhau=
sen, Arresing, Weilenbach und Wan=

Obernb. Reisen, III. B. 2. H.

gen. Doch wird in einigen derselben auch Breun gebaut.

Die Kultur schreitet voran. Sämmtliche Gemeinde-Gründe sind vertheilt; auch wird vielfältig das Brachfeld benützt, und der Klee= und Hopfenbau thätig betrieben. Die Bräuhaus=
Inhaber zu Sandizell und Niederärnbach ließen ihr Winter- und Sommerbier nur allein mit inländischem Gewächse einsieden, welches sie theils aus ihren beträchtlichen Hopfen=Anlagen, theils durch Beykauf erhielten. Die Bierbräuer zu Schrobenhausen und Hohenwart erhandelten nur wenige Zentner, die meisten aber gar keinen ausländischen Hopfen.

Wie diese Wahrnehmung uns erfreulich war, mit eben so vielem Vergnügen erhielten wir Kunde über die Männer, welche an der Spitze thätiger und verständiger Oekonomen stehen. Man nannte mir den Freyherrn von Pfetten zu Aernbach, den Rentenverwalter zu Sandizell Thomas Stubenböck, Stadtpfarrer Gebendorfer zu Schrobenhausen, Johann Schredinger, Michael Schirmböck, Johann Sedlmajr,
wel=

welche sich durch Arrondirungen ihrer Grundstücke, und andere erfolgreiche Unternehmungen auszeichnen, so wie der Bräuer Georg Stelzer in Hohenwart, welcher vom landwirthschaftlichen Vereine wegen neuen Hopfen=Anlagen mit einer Denkmünze belohnt ward.

Auch die Obstbaumzucht rücket immer mehr vor. Der genannte Verein beurkundete dieses, indem er dem Hrn. Pfarrer, und Schul=Distrikts=Inspektor von Schmid, dem Schullehrer Metzenauer zu Weillach und Maximilian Groß zu Sattelberg die Ehren=Medaille zuerkannte. Auch der Schullehrer Sebastian Rothenkolber zu Schrobenhausen zeichnet sich für diesen Zweig der Landwirthschaft durch ganz besondere Thätigkeit aus.

Mehrere Kolonieen wurden auf den Gründen erkaufter Staatswaldungen angelegt: allein sie sind wegen ihrem beschränkten Raume sehr unbedeutend. Wichtigen Erfolg aber verspricht für die Zukunft die Kolonie zu Pappenbergsweil, welche der k. Hr. Rentbeamte Pappenberger angelegt hat. –
Es

Es kommt hier, wie allenthalben, darauf an, ob und wie die Güter=Arrondirungen erzielt werden. Auf der ganzen Reise, und schon auf den vorigen ward mir von den bewährtesten Oekonomen die einstimmige Bemerkung mitgetheilt, daß die bisherigen Gemeinheits=Vertheilungen die Hornvieh= oder Pferdezucht, oft auch beyde zugleich sehr zurückgesetzt haben. Die Kleinbegüterten und Leerhaus=Besitzer erhielten als Gemeindeglieder gleiche Antheile. Letztere vorzüglich ergreifen die neuen Grundstücke, und schaffen sie zu Ackerland um. Die andern können die vorige Anzahl Viehes auf den kleinen, ihnen zugemessenen Weide=Theilen nicht mehr unterhalten, und die verminderte Zahl auf selben hüten zu lassen sind sie durch die Kosten der Hut gehindert. – Soll also die Abtheilung den beabsichteten Zweck, freyen Gesnuß des Eigenthums, erreichen: so müssen die Gründe zusammengelegt werden. Nur dann ist jeder im Stande, sein Besitzthum so frey und gut zu benützen, wie es sein eigenes Wirthschafts=System erfodert, folglich nach Umständen mehr die Viehzucht oder den Fruchtbau zu befördern, auf jeden Fall aber jene so weit zu betreiben, als es selbst der Ackerbau der Dün=
gung

gung wegen erfodert. Aber diese Arrondirung war bisher noch selten zu erzielen, so nothwendig sie auch geworden ist.

Im Gebiethe der Industrie erscheinet auf dem Lande die Garnspinnerey als ein Nebengegenstand der Betriebsamkeit; hiezu wird allenthalben die Zeit der Winter=Abende angewendet. Durch Kunstfleiß zeichnet sich der Uhrmacher Georg Mayr aus, so wie überhaupt die Tischler zu Schrobenhausen und Hohenwart. Joseph Brugger hat nicht nur allein mehrere Modelle für Säe= und Gesottschneidmaschinen, sondern auch mit gutem Erfolge schon mehrere Säekarren verfertigt.

An der Spitze der öffentlichen Anstalten stehen die Schulen, indem wackere Männer hiebey das k. Landgericht mit aller Kraft unterstützen. So hat der k. Distrikts=Schulen=Inspektor Kajetan von Schmid mehrmahls das öffentliche Lob der Regierung erworben. Auch der Stadtpfarrer Gebendorfer, Benefiziat Anton Ertlmayr, Kaplan Biberdaller daselbst, die Pfarrer Hörmann zu Aresing, Auerbach zu Gerolsbach und Pletz zu Klenau
zeich=

zeichnen sich durch Thätigkeit und warme Theilnahme vorzuglich aus.

Bey diesen Wahrnehmungen lebt die Hoffnung auf, die Bildung des Volkes bald in höherem Anfschwunge zu erblicken, überall Kultur
und Industrie in kräftiger Wirkung, und durch sie Glück und Wohlstand verbreitet zu sehen.

Quellennachweis: Die gemeinfreien Digitalisate stammen aus dem MDZ – Münchener DigitalisierungsZentrum.




Sandizell – eine kleine Ortsgeschichte

 

 

Sandizell – eine kleine Ortsgeschichte

Sandizell – wegen des Schlosses und vieler Events weit und breit bekannt – kann auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken.

Unsere Homepage hat Beiträge zu Mühlried und Hörzhausen veröffentlicht, die auf außerordentlich großes Interesse gestoßen sind.

Deswegen haben wir uns entschlossen, auch die Sandizeller Geschichte hier zu präsentieren. In der Vorplanung der 125-Jahr-Feier der Freiwilligen Feuerwehr hatte ich zugesagt, ausführliche Artikel zur Ortsgeschichte und zur Feuerwehrgeschichte für die Festschrift beizutragen – ehrenamtlich, ohne Honorar, einfach weil mich Ortsgeschichte in unserem Landkreis interessiert.

Herausgekommen sind zwei größere Beiträge, einer zur Ortsgeschichte von Sandizell, einer zur Feuerwehrgeschichte.

Der Beitrag zur Ortsgeschichte „Sandizell im Wandel der Zeit“ geht weit über den Umfang herkömmlicher Ortschroniken in Vereinsfestschriften hinaus, es wurden seinerzeit umfangreiche Recherchen angestellt, er ist – von einigen kleinen möglichen Nachträgen abgesehen – auch heute noch aktuell.

Ich besitze das Urheberrecht für diesen Beitrag und gebe ihn zur Nutzung frei, in der gleichen Weise, wie wir andere Texte freigeben, also zur privaten, nicht zur kommerziellen Nutzung.

Der Beitrag zur Feuerwehrgeschichte wird folgen.

Wir bringen den Text als PDF hier.

 

Der Download über PC oder Tablet bringt manchmal Fehlermeldung, wir versuchen die Ursache zu finden. Download per Smartphone offensichtlich kein Problem. 

 

Vorträge bei den Heimatforschern im Herbst

Wilhelm Liebhart und Andreas Nerlich werden ihre Forschungsergebnisse zur Geschichte des Hauses Sandizell  im Rahmen des Stammtisches der Heimatforscher Schrobenhausener Land in Lampertshofen präsentieren:

  • Wilhelm Liebhart: Die Geschichte von Sandizell, Teil I (17. Okt. 2025)
  • Andreas Nerlich: Die Geschichte von Sandizell, Teil II (7. Nov. 2025)

Nähere Informationen über diese Vorträge unter

Familien- und Heimatforscher – offener Stammtisch für alle – Paardon: Geschichte und Kultur zwischen Paar und Donau

 

Alte Publikationen zur Sandizeller Geschichte

Es gibt eine Reihe von Publikationem, die inzwischen digital recherchiert werden können. Für unsere Region interessant die Streitsache zwischen den Freiherrn von Sandizell und den Jesuiten in Neuburg wegen der Zehenten in Langenmosen. Eine kurze Übersicht finden Sie auf unserer Homepage, nämlich hier.

 

Lateinische Publikation in der Streitsache zwischen den Freiherrn von Sandizell und den Jesuiten in Neuburg wegen der Zehenten in Langenmosen, 1725

 

 




Vor 50 Jahren drohte der Paartalbahn die Stilllegung

Am 15. Mai 2025 jährte sich die Eröffnung der Paartalbahn zum 150. Mal. Die Strecke präsentiert sich als leistungsfähige Regionalbahn: Stundentakt Augsburg – Schrobenhausen – Ingolstadt, 30-Minuten-Takt Augsburg – Aichach, 15-Minuten-Takt Augsburg – Friedberg. Noch nie gab es auf der Paartalbahn so viele Züge wie im Jubiläumsjahr. Noch nie fuhren so viele Reisende wie heute.

Zug der Paartalbahn im Bahnhof Schrobenhausen der frühen 1980er Jahre (Foto: Bickel)

Das sah schon einmal ganz anders aus. Nur noch ältere Schrobenhauener erinnern sich daran, dass die einstige Deutsche Bundesbahn die Paartalbahn schon einmal stilllegen wollte. Fast 50 Jahre ist es her, dass sich dunkle Wolken über der Strecke zusammenballten. Bundesbahn-Vorstand und Verkehrspolitik hatten 1976 das Konzept eines „betriebswirtschaftlich optimalen Netzes“ ausgeheckt, und diesem sollten auch die Personenzüge auf der Paartalbahn zum Opfer fallen. Der Güterverkehr, der damals noch als wirtschaftlich galt, sollte dagegen bleiben.

In Schrobenhausen brach ein Sturm der Empörung los: Kommunale Gremien, politische Parteien, Vertreter von Industrie und Handel, Gewerkschaften und viele Bürger, die ihren Namen auf Unterschriftslisten zum Erhalt der Bahn setzten, meldeten massiven Protest an. Ganz besonders deutlich wurde Landrat Walter Asam (1926-2002): „Der Bundesbahn fällt jeden Tag eine andere Dummheit ein!“ echauffierte sich der langjährige Landkreis-Chef im Januar 1979 in öffentlicher Sitzung. Alfons Thoma (1917-2011), Präsident der Bundesbahndirektion München, war sehr beleidigt. Worauf denn diese „dem Unternehmen Bundesbahn abträgliche Äußerung“ zurückzuführen sei, wollte der oberste bayerische Eisenbahner wissen. Landrat Asam dachte gar nicht daran einzuknicken. „Leider muß ich im Hinblick auf meine Enttäuschung über die Pläne der Deutschen Bundesbahn (Streckenstillegung) auch heute noch zu der von mir geäußerten Bemekung stehen“, schrieb der Landrat zurück nach München. Überdies werde sein Standpunkt von „allen Kommunalpolitikern“ mitgetragen.

Blättert man heute in alten Ausgaben der Schrobenhausener Zeitung, so erzählen allein schon die Titel der mehr als 60 Berichte und Kommentare, die zwischen 1976 und 1979 zum Thema Einstellung des Reisezugverkehrs auf der Paartalbahn erschienen, eine beredte Geschichte zwischen Hoffen und Bangen, Protest und Resignation. Eine kleine Auswahl:

  • „Über 1000 Pendler melden Protest an“
  • „Wir fahren mit der Bahn und wollen mit der Bahn fahren“
  • „Pläne der Bundesbahn gefährden die Entwicklung Schrobenhausens“
  • „Gegen die Pläne der Bundesbahn wurde viel Dampf abgelassen“
  • „JU und Landjugend wenden sich gegen die Reisezugerverlagerung“
  • „Busse können den Bahnverkehr niemals ersetzen“
  • „Industrie und Handelskammer für den Personenzugverkehr“.

Nach drei Jahren, im Herbst 1979 war die Schlacht gewonnen. Eine ganze Reihe anderer Bahnstrecken in Bayern verloren den Personenverkehr uns sind heute zur Gänze stillgelegt. Die Personenzüge auf der Paartabahn blieben erhalten. Doch der Hader mit der Bahn begann aber bald auf’s Neue: Immer mehr Stationen wurden geschlossen, so etwa Hörzhausen, Edelshausen und Niederarnbach. Diese „Salami-Taktik“ fand am 2. Juni 1985 ihren Höhepunkt mit der völligen Einstellung des Zugverkehrs am Samstag und der Reduzierung auf zwei Abendzüge an Sonn- und Feiertagen. Ersatzbusse waren mangels Nachfrage rasch verschwunden. Die große Wende kam dann genau nach langen elf Jahren am 2. Juni 1996. Im neu geschaffenen Bayern-Takt fuhren die Züge nun werktags erstmals im Stunden- und am Wochenende im Zweistunden-Takt. Von da an ging’s bergauf mit der Paartalbahn.




Dr. Schmid: Rede zur Paartalbahn 1863


Ergänzend zum Beitrag „Stadtpfarrer Dr. Anton Schmid und die Paartalbahn“ finden Sie hier ein Transkript der vollständigen Rede, die der Schrobenhausener Geistliche und Landtagsabgeordnete am 21. September 1863 vor der Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landtags gehalten hat. Zu einem, weil die Frakturschrift, in welcher der Stenographische Bericht über die Sitzung gedruckt wurde, manchem heutigen Leser Mühe bereitet. Zum anderen, weil es sich hier um eine der ganz wenigen Reden handelt, die jemals im Bayerischen Landtag über Schrobenhausener Belange zu hören waren. (Benno Bickel)


Meine Herren! Ich habe mir die Freiheit genommen, eine Modifikation zu der Linie München – Ingolstadt diesem hohen Hause zu unterbreiten, dahin gehend, es möchte diese Linie statt nach Pfaffenhofen über Schrobenhausen direkt nach Ingolstadt geführt werden. Ich weiß wohl, daß ich hierbei mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen habe, weil man annehmen könnte, als ob es sich hier nur um Lokalinteressen handle, allein ich schicke voraus, daß ich nicht aus Berücksichtigung rein lokaler, sondern allgemeiner Interessen spreche.

Aus dem Protokoll der Landtags-Sitzung vom 21. September 1863: Stadtpfarrer Dr. Anton Schmid plädiert für eine Bahnstrecke München – Schrobenhausen – Ingolstadt (Sammlung Bickel)

Erlauben Sie mir, daß ich zu dieser Modifikation ganz in Kürze die Gründe angebe. Durch diese Modifikation wird allerdings das Prinzip der direkten Linien etwas geändert, allein auch ich halte dafür, daß ein starres Festhalten an diesem Prinzip den Interessen mehrerer Provinzen unseres Vaterlandes nicht förderlich sei. Sie alle stimmen darüber ein, daß die Eisenbahnen Brod geben. Die Eisenbahnen wecken das gewerbliche und industrielle Leben. Wenn ein Gewerbetreibender an einer Eisenbahn zu wohnen das Glück hat, so kauft er leichter ein, er kauft schneller, er kauft billiger, und einer, der entfernt von der Eisenbahn wohnt, kann mit einem solchen Glücklichen in keiner Weise mehr konkurrieren; daher glaube ich, daß, nachdem die großen Städte bereits mit Eisenbahnen versehen sind, man auch auf Provinzialstädte und auf kleinere Orte, soweit dieß möglich ist, Rücksicht nehmen soll, und ich stimme dem II. Ausschusse vollkommen bei, wenn er sagt, daß in der Erweiterung unseres Eisenbahnnetzes der Segen und das Gedeihen unseres Vaterlandes liege.

Nach dieser Seite hin glaube ich also, muß es unsere Aufgabe seyn, im Interesse der Gewerbetreibenden das Eisenbahnnetz immer weiter auszudehnen.

Auf den sogenannten internationalen Verkehr lege ich, da ich kein Handelspolitiker bin, auch so lange kein besonderes Gewicht, als man mir nicht das Gegenteil beweist.

Aus den Referate des zweiten Ausschusses geht eben hervor, daß unser einheimischer Verkehr 75 Proz. beträgt, der ganze Verkehr mit dem Auslande vielleicht auf 25 Proz. sich beläuft, so wie, daß auch die Mehreinnahmen der Eisenbahnen von dem einheimischen, von dem inneren Verkehre herrühren. Das können wir alle weitläufig lesen in dem sehr schönen und ausführlichen Referat über die Einnahmen der Staatseisenbahnen des verehrten Abgeordneten Feustl. Endlich bin ich noch gegen das starre Festhalten an diesem Prinzip aus dem Grunde, weil ich glaube, daß, wenn man es z. B. bei der Donauthalbahn anwenden würde, mehrere Städte, wie z. B. Regensburg wenigstens um viele Stunden links oder wenn rechts gebaut würde, rechts liegen blieben, und jene Städte würden gewiß benachtheiligt werden, wenn sie in Folge des starren Festhaltens an diesem Prinzip von dem Eisenbahnverkehr ausgeschlossen würden.

Meine Herren, wenn Sie nun von diesem Prinzip irgendwie abweichen, so glaube ich, dürfen Sie auch auf der Route von München nach Ingolstadt abweichen in der Richtung über Schrobenhausen.

Ich habe dafür vorzüglich 2 Gründe. Ich halte es nemlich doch für notwendig, daß die Bahn von Augsburg nach Regensburg gebaut werde; wenn nun diese gebaut wird, so ist die Strecke von Schrobenhausen nach Ingolstadt, – das macht allenfalls 8 Stunden*) aus, bereits gebaut.

Dem Staate sind dadurch nach den genauesten Berechnungen 2,080,000 fl. erspart in Bezug auf das Bauen, und die Betriebskosten würden in aller Zukunft auf eine Strecke von 8 Stunden um die nämliche Strecke gemindert. Endlich würde uns diese Route noch das Donaumoos erschließen, jenes Donaumoos, für welches die Staatsregierung wenigstens in früherer Zeit so viele Millionen geopfert hat, und das auf weithin schätzbares Brennmaterial zu liefern im Stande ist. Ich will nicht davon sprechen, meine Herren, daß Schrobenhausen selbst ein sehr betriebsames, gewerbsames Städtchen ist, und daß, wenn es ganz und gar aus dem Eisenbahnverkehre ausgeschlossen wird, dasselbe ganz und gar seinem Ruine entgegengeht, denn Schrobenhausen lebt nur von Industrie, besitzt mehrere Fabriken, und hat seine Industrie, Gott sei Dank, so weit getrieben, daß man in mancher Provinzialstadt diese Höhe nicht findet.

Dieß sind einfach meine Gründe, warum ich glaube, wir sollen nach der Linie Schrobenhausen abweichen. Ich will aber dabei dem gewerbesamen Städtchen Pfaffenhofen durchaus nicht zu nahe treten, aber es steht an jener Grenze, von wo selbst wieder viele Eingaben da sind, daß auch wieder eine Eisenbahn gebaut werden soll hinüber in die gesegneten Fluren der Holledau; Pfaffenhofen wird früher oder später jedenfalls von Indersdorf oder Jetzendorf aus eine Zweigbahn erhalten hinein in die Holledau, die ihren Anschluß findet in der Linie von Ingolstadt nach Regensburg.
Ich glaube, meine Herren, daß wenn wir auf der einen Seite für den Staat einige Millionen ersparen, auf der anderen Seite einem Städtchen aufhelfen, und einem anderen nicht zu nahe treten, dieses hinreichende Gründe für uns seyn dürften, diese Abweichung der direkten Linie wenigstens in Betracht zu ziehen, und deswegen habe ich mir die Freiheit genommen, sie Ihnen zu empfehlen.

*) Gemeint ist „Stunde“ als Längenmaß. Eine bayerische Stunde beträgt 3 km 707 1/2 m.


Quelle: Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landtages im Jahre 1863. Stenographische Berichte Nr. 1-25. Von der I. Sitzung am 25. Juni 1863 bis zur XXV. Sitzung am 30. September 1863. I. Band, S. 402-403




Dr. Anton Schmid – vergessener Stadtpfarrer in Schrobenhausen

Stadtpfarrer Dr. Anton Schmid Schrobenhausen

Im Gegensatz zu Geistlichen wie Prälat Albert Alberstötter oder Benefiziat Michael Thalhofer ist Stadtpfarrer Anton Schmid im historischen Gedächtnis Schrobenhausens kaum präsent. Anton Schmid, geboren 1827 im mittelfränkischen Heideck, wuchs in den bescheidenen Verhältnissen einer Schusterfamilie auf. 1851 zum Priester geweiht, wurde der promovierte Theologe 1858 Stadtpfarrer in Schrobenhausen, ehe er 1867 Domherr in Bamberg und 1868 Professor der Dogmatik wurde. Von 1863 bis zum seinem Tod 1881 gehörte er als Mitglied des Zentrums dem Bayerischen Landtag an. Abgesehen von seinem Ausflug in den „Schrobenhausener Eisenbahnbau“ widmete er sich als Abgeordneter vor allem der Schulpolitik.

Zum Weiterlesen:

https://homepages.uni-regensburg.de/~kog02554/Lehre/Politiker/Schmid.pdf

https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Anton_Schmid

 




Stadtpfarrer Dr. Anton Schmid und die Paartalbahn

Die Paartalbahn Augsburg – Friedberg – Aichach – Schrobenhausen – Ingolstadt ist 150 Jahre alt geworden. Doch bevor am 15. Mai 1875 der erste Zug fuhr, musste die Strecke gebaut werden. Das dauerte von 1872 bis 1875. Bevor die Strecke gebaut werden konnte, brauchte es Planung – technisch, wirtschaftlich, organisatorisch und zunächst vor allem politisch. Der politische Prozess dauerte von 1860 bis 1871 und somit dreimal länger als die Bauzeit. Der Schrobenhausener Stadtpfarrer und Landtagsabgeordnete Dr. Anton Schmid spielte dabei in einer bemerkenswerten Episode die Hauptrolle: Er plädierte in der Kammer der Abgeordneten nicht nur für eine Paartalbahn, sondern für die Streckenführung der Bahnverbindung München – Ingolstadt über Schrobenhausen statt über Pfaffenhofen. Die Münchner Strecke über Dachau, Indersdorf und Jetzendorf und die von Augsburg kommende Strecke sollten sich in Schrobenhausen vereinigen und weiter nach Ingolstadt und schließlich Regensburg führen.

Wir schreiben das Jahr 1863. In Nordamerika tobt der Sezessionskrieg, ein patriotischer Aufstand in Polen wird von Russland und Preußen mit aller Macht unterdrückt. In Bayern herrscht gottlob Frieden. Das kleine Landstädtchen Schrobenhausen zählt gut 2100 Einwohner. Einige von ihnen treibt etwas um, das man heute als “Innovation” bezeichnen würde: Ein Anschluss an das im Entstehen begriffene Eisenbahnnetz.

Schrobenhausen und die „Eisenbahnwüste“ in der Mitte Bayerns. Ausschnitt aus: „Neueste Eisenbahn-Reisekarte durch das Königreich Bayern“, Augsburg ca. 1863. (Bayerische Staatsbibliothek, Mapp. XI,86)

Mag es auch schon frühere Überlegungen gegeben haben, seriös nachweisen lassen sich Bestrebungen zum Bau einer Paartalbahn erst im Jahr 1860. Die Initiative dazu geht von der Stadt Augsburg aus. Dort treffen sich am 28. August im kleinen Rathausaal Vertreter der Städte Friedberg, Aichach, Schrobenhausen und der Gemeinde Reichertshofen und kommen überein, sich gemeinsam für den Bahnbau zu engagieren.

Im Jahr darauf wird eine Denkschrift an König Maximilian II (reg. 1848 bis 1864) auf den Weg gebracht, die vom Februar 1861 datiert:

Paatalbahn Denkschrift 1861
Paatalbahn Denkschrift 1861

Die Bemühungen zeitigen bald Früchte. Im Mai 1861 legt der Königliche Betriebsingenieur Alois von Röckl (1822-1885) einen ersten Entwurf für eine Strecke vor, die vom Gut Stierhof bei Augsburg über Friedberg, Aichach, Schrobenhausen, Hohenwart, Freinhausen und Reichertshofen nach Ingolstadt führen soll. Im April 1863 legt Röckl einen Plan mit deutlich geänderter Linienführung vor: Nun nicht mehr über Hohenwart, sondern über Arnbach (dem heutigen Niederarnbach) nach Ingolstadt, also so, wie schließlich auch gebaut wurde. Es folgen weitere Denk- und Bittschriften der interessierten Städte und Gemeinden, die sich an den Landtag, an Ministerien und die Kgl. Regierung von Oberbayern wenden. Auch der Magistrat der Stadt Schrobenhausen wird am 27. August 1863 nochmals vorstellig.

Im Herbst des gleichen Jahres befasst sich die Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landestages mit einem Gesetzentwurf der Königlichen Regierung, die Vervollständigung und weitere Ausdehnung der bayerischen Eisenbahnen betreffend – wie es in schönstem Amtsdeutsch heißt. Eine Bahnstrecke Augsburg – Schrobenhausen – Ingolstadt beinhaltet diese Vorlage noch nicht. Im Mittelpunkt der Beratungen steht der Bau der Bahnstrecke München – Ingolstadt und ihre Weiterführung nach Nürnberg.

Nach dem Antrag von Pfarrer Dr. Anton Schmid sollte die Strecke München – Ingolstadt nicht über Pfaffenhofen führen, sondern von Dachau nach Schrobenhausen und weiter nach Ingolstadt.

Trotzdem sollte in der Sitzung, die am 21. September 1863 ab 16 Uhr im Landtagsgebäude in der Münchner Prannenstraße 20 stattfindet – das Maximilianeum gab es noch nicht, – das Projekt Paartalbahn eine Rolle spielen. Denn an der Zusammenkunft nimmt auch der Schrobenhausener Stadtpfarrer Anton Schmid teil, der als frisch gewählter Landtagsabgeordneter den Wahlbezirk Schrobenhausen vertritt. Im Mittelpunkt der teils hitzigen Debatten steht der Bau der Bahnstrecke München – Ingolstadt und vor allem die Frage, wie diese über die Fränkische Alb nach Nürnberg weiterzuführen sei. Ob nun über Eichstätt, wie damals beschlossen, oder auf direkten Weg, wie die heutige Hochgeschwindigkeitsstrecke Ingolstadt – Nürnberg, deren Trassenführung eine ganze Reihe von Abgeordneten schon damals bevorzugt hätte, ist nicht Gegenstand von Schmids Überlegungen. Vielmehr geht es ihm in seinem Modifikationsantrag” um etwas ganz anderes. Doch lassen wir ihn selbst sprechen. Laut dem stenographischen Landtagsprotokoll eröffnet Stadtpfarrer Schmid seine Rede:

Die folgende Argumentation ist nicht völlig ohne Widerspruch. Eingangs betont Stadtpfarrer Schmid, es gehe ihm keineswegs um rein lokale Interessen, denn durch eine gemeinsame Führung der Strecken von München und Augsburg ab Schrobenhausen bis Ingolstadt ließen sich über zwei Millionen Gulden sparen. Doch wenige Sätze legt er sich so richtig ins Zeug für Schrobenhausen:

 Und ein weiteres Argument bringt der Redner vor:

Dem gleichfalls „gewerbesamen Städtchen Pfaffenhofen“ wollte der Geistliche „durchaus nicht zu nahe treten“ und stellte „ihm früher oder später jedenfalls von Indersdorf oder Jetzendorf aus eine Zweigbahn“ in Aussicht.

War Schmids Vorschlag nun ein kurioser Einfall aus der Provinz, über den die Mitglieder des Hohen Hauses spöttisch lächelnd hinwegsahen? Keineswegs, denn als Joseph Pözl (1814-1881), der zweite Präsident der Kammer, die Frage stellt, ob der Antrag aus Schrobenhausen unterstützt werden solle, erhebt sich eine genügende Anzahl von Abgeordneten zustimmend von ihren Plätzen. Womit Schmids „Modifikation“ zwar nicht angenommen ist, aber es darf darüber diskutiert werden. Diese Diskussion leuchtet in der viele Stunden langen Debatte, die sich bis zum 24. September hinzieht immer wieder mal auf, ohne für den Gesamtverlauf besonders bedeutungsvoll zu sein. So kann etwa der Augsburger Abgeordnete Dr. Marquard Barth (1809-1885) der Idee von Pfarrer Schmid durchaus etwas abgewinnen.

Schließlich kommt es zur Abstimmung über verschiedene Varianten, aus der die direkte Linienführung München – Pfaffenhofen – Ingolstadt als Sieger hervorgeht. Anton Schmids Vorstoß hat sich erledigt.

Ob es dem Stadtpfarrer ein “Herzensanliegen“ war, ob er sich als örtlicher Landtagsabgeordneter dazu verpflichtet fühlte, ob er von Schrobenhausener Honoratioren dazu gedrängt wurde, diese Frage ruht im Dunkel der Vergangenheit. Sein Engagement war jedenfalls nicht ungewöhnlich: Geistliche, die sich für den Bahnbau einsetzen, dem örtlichen Eisenbahn-Committe” angehörten oder ihm vorstanden, finden sich in der Eisenbahngeschichte Bayerns im 19. Jahrhundert häufig. Sie zählten zur lokalen Elite.


Quellen und Literatur:

  • Löwenstein, Theodor: Die bayerische Eisenbahnbaupolitik bis zum Eintritt Deutschlands in die Weltwirtschaft. 1825 bis 1890. In: Archiv für Eisenbahnwesen 1927, S. 881-925, 1285-1312, 1587-1639
  • Mages, Emma: Eisenbahnbau, Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft in der südlichen Oberpfalz 1850 – 1920 (Regensburger historische Forschungen; Band Bd. 10), Kallmünz/Opf: Lassleben . 1984 – XLIV, 390 S. : Ill., graph. Darst., Kt., ISBN 978-3-7847-4010-2.
  • Marggraff, Hugo: Die Kgl. Bayerischen Staatseisenbahnen in geschichtlicher und statistischer Beziehung. Gedenkschrift zum 50. Jahrestag der Inbetriebsetzung der ersten Staatsbahnstrecke Nürnberg-Bamberg am 1. Oktober 1844 (Kohlhammer Edition Eisenbahn), Stuttgart: Kohlhammer 1982 – 286 Seiten : Illustrationen, Karten , ISBN 978-3-17-007685-3 – Erw. Nachdr. d. Ausg. München 1894.
  • Pittius, Hans-Joachim / Schuster, Anton: Die Paartalbahn. Seit 1875 mit dem Zug von Augsburg nach Ingolstadt, Schrobenhausen: Verlag Benedikt Bickel 2000 – 156 Seiten, 220 Abbildungen, ISBN 978-3-922803-52-2 .
  • Sauer, Andreas: „… daß bei Erbauung einer Eisenbahn die Stadt Pfaffenhofen in das Eisenbahnnetz aufzunehmen sei“. Der Eisenbahnbau und seine Auswirkungen auf die Stadtentwicklung (Pfaffenhofener Stadtgeschichte(n); Band 19), Pfaffenhofen a.d. Ilm: Stadt Pfaffenhofen a.d. Ilm . 2017 : 93 S.-zahlr. Ill. u. Kart. .
  • Stark, Hans: Die 100jährige Geschichte der unteren Donautalbahn. Dampf, Öl, ein Schienenstrang, Abensberg: [Selbstverl. ?] . 1974 – 58 S. m. Abb. u. Taf.
  • Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landtages im Jahre 1863. Stenographische Berichte Nr. 1-25. Von der I. Sitzung am 25. Juni 1863 bis zur XXV. Sitzung am 30. September 1863. I. Band, S. 402-403



Von der Kupferschmiede zur Weltfirma – die Geschichte der Firma BAUER in Schrobenhausen

Werkstatt von Kupferschmied Bauer um 1930

Industriegeschichte fristet oft ein Schattendasein in der regionalen Geschichtsschreibung – völlig zu unrecht. Denn erst die Industrialisierung ermöglichte unseren heutigen Lebensstandard. Und die Industrialisierung fand nicht nur in großen Zentren statt. Beispielhaft ist die Geschichte der Firma BAUER, die sich in mehr als 200 Jahren von einer kleinen Schrobenhausener Kupferschmiede  zu einer Weltfirma entwickelte.

Wir präsentieren – in Zusammenarbeit mit der BAUER AG – im Folgenden die Firmengeschichte BAUER – Geschichte und Geschichten aus dem Jahr 2018 (Link siehe unten).

Einige Meilensteine der Firmengeschichte, die neugierig machen sollen:

  • 1790 Der Kupferschmied Sebastian Bauer aus Deggendorf erwirbt eine Kupferschmiede in Schrobenhausen und legt damit den Grundstein für das Unternehmen. Kupferschmiede stellen zu dieser Zeit zum Beispiel her: Gebrauchsgegenstände für den täglichen Bedarf, Pfannen, Töpfe, Kannen, Leuchter, Zubehör für Bierbrauer, Färber und Seifensieder; sie sind aber auch im Bereich hochwertiger Dachdeckungen tätig.
  • 1902  Andreas Bauer bohrt einen artesischen Brunnen: das ist ein Brunnen, aus dem Wasser nach dem Anbohren von selbst austritt. Weitere artesische Brunnen folgen.
  • 1928  Das bisher größte Projekt der Firma: der Bau der Schrobenhausener Hochdruckwasserleitung.
  • 1952  Dipl.Ing. Karlheinz Bauer übernimmt die Firma, die Ära des Spezialtiefbaus beginnt – und damit ein steiler Aufstieg des Unternehmens.
  • 1958  Erfindung des Injektionszugankers, ein wichtiger technologischer Durchbruch, der patentiert wurde.
  • 1969  Beginn des Maschinenbaus mit dem ersten Ankerbohrgerät.
  • 1976  Herstellung des ersten Drehbohrgeräts BG 7.
  • 1986  Übernahme der Geschäftsführung durch Thomas Bauer und Ausbau der Internationalisierung.
  • 1994  Gründung der BAUER Aktiengesellschaft als Holding.
  • 2006  Börsengang der BAUER AG.

Heute sieht sich die Firma BAUER in Verbindung mit den schwierigsten und größten Gründungsaufgaben der Welt, auch in der Umwelttechnik hat sich BAUER einen Namen gemacht. Die BAUER-Gruppe verzeichnete mit all ihren weltweiten Tochterfirmen im Jahr 2023 mit etwa 12.000 Mitarbeitern einen Gesamtumsatz von 1,8 Milliarden Euro.

Die von Franz Josef Mayer verfasste Firmengeschichte „BAUER – Geschichte und Geschichten“ (292 Seiten, Großformat, 38 MB) finden Sie hier

Eine Kurzfassung der Firmengeschichte finden Sie hier

Die „Urverträge“ der Kupferschmiede befinden sich übrigens im Sammlungsbestand des Schrobenhausener Stadtarchivs (siehe auch Abb. auf Seite 22 des Buches).

 

Bauer - Geschichte und Geschichten

Bauer – Geschichte und Geschichten

 

Die beliebte und informative Firmenzeitschrift BOHRPUNKT gibt es auch digital. Sie spiegelt die Firmengeschichte anhand von zahllosen Beispielen. Die digitalen Ausgaben ab 2018 finden Sie auf der Homepage der BAUER AG, nämlich hier  

 




Die Gemeinden des Altlandkreises Schrobenhausen im Spiegel der Fotografie um 1930

Im Folgenden eine Verlinkung auf ein Digitalisat, präsentiert vom

 

Vorderer Buchdeckel des Fotobandes mit eingearbeiteter Lenbach-Medaille

 

Die Gemeinden des Altlandkreises Schrobenhausen im Spiegel der Fotografie um 1930

Das Münchener Digitalisierungszentrum präsentiert einen phänomenalen Fotoband über den Altlandkreis Schrobenhausen als Digitalisat. Anlass zur Erstellung des Bandes war wohl eine Verabschiedung, wie die Widmung vermuten lässt: „Die Kreislandwirtschaftsschule [Schrobenhausen] in Dankbarkeit ihrem sehr geschätzten Herrn Oberveterinärrat.“ Der Name wird dabei leider nicht genannt. Der Band wird auf die Zeit zwischen 1920 und 1950 datiert. Gefertigt wurde er von der Schrobenhausener Buchbinderei August Weber. Da der Begriff „Bezirksamt“ vorkommt (ab 1939 wurde es in Landratsamt umbenannt), sollte der Band vor 1939 entstanden sein. Der Band enthält 140 eingeklebte Fotos von allen Gemeinden des Altlandkreises Schrobenhausen – als fotografische Dokumentation eines gesamten Landkreises eine Rarität.

 

Seite aus dem Band mit der Ansicht des Bezirksamts (ab 1939 Landratsamt genannt)

 

Die Gemeinden des Altlandkreises

Fotos aus der Stadt Schrobenhausen sowie den Gemeinden Adelshausen / Alberzell / Aresing / Berg im Gau / Brunnen / Deimhausen / Diepoldshofen / Edelshausen / Freinhausen / Gachenbach / Gerolsbach / Grimolzhausen / Hirschenhausen  / Hörzhausen / Hohenried / Hohenwart / Klenau/ Klosterberg / Koppenbach / Langenmosen / Lauterbach / Malzhausen / Mühlried / Peutenhausen / Pobenhausen / Rettenbach / Sandizell / Sattelberg / Seibersdorf / Singenbach / Steingriff / Strobenried / Waidhofen / Wangen / Weichenried / Weilach / Weilenbach.

 

Der Band befindet sich im Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek.

 

Auf der Downloadseite gibt es Informationen zu den Nutzungsbedingungen.

 

Wir werden versuchen, die Entstehung des Bandes noch genauer zu datieren.

 

Zum genannten Band geht es hier

 

Auf der linken Seite findet sich die Inhaltsangabe, über die man direkt zu den gewünschten Seiten kommt.