Der Altlandkreis Schrobenhausen im Spiegel der Fotografie um 1930

Im Folgenden eine Verlinkung auf ein Digitalisat, präsentiert vom

 

Vorderer Buchdeckel des Fotobandes mit eingearbeiteter Lenbach-Medaille

 

Der Altlandkreis Schrobenhausen im Spiegel der Fotografie um 1930

Das Münchener Digitalisierungszentrum präsentiert einen phänomenalen Fotoband über den Altlandkreis Schrobenhausen als Digitalisat. Anlass zur Erstellung des Bandes war wohl eine Verabschiedung, wie die Widmung vermuten lässt: „Die Kreislandwirtschaftsschule [Schrobenhausen] in Dankbarkeit ihrem sehr geschätzten Herrn Oberveterinärrat.“ Der Name wird dabei leider nicht genannt. Der Band wird auf die Zeit zwischen 1920 und 1950 datiert. Gefertigt wurde er von der Schrobenhausener Buchbinderei August Weber. Da der Begriff „Bezirksamt“ vorkommt (ab 1939 wurde es in Landratsamt umbenannt), sollte der Band vor 1939 entstanden sein. Der Band enthält 140 eingeklebte Fotos von allen Gemeinden des Altlandkreises Schrobenhausen – als fotografische Dokumentation eines gesamten Landkreises eine Rarität.

 

Seite aus dem Band mit der Ansicht des Bezirksamts (ab 1939 Landratsamt genannt)

 

Die Gemeinden des Altlandkreises

Fotos aus der Stadt Schrobenhausen sowie den Gemeinden Adelshausen / Alberzell / Aresing / Berg im Gau / Brunnen / Deimhausen / Diepoldshofen / Edelshausen / Freinhausen / Gachenbach / Gerolsbach / Grimolzhausen / Hirschenhausen  / Hörzhausen / Hohenried / Hohenwart / Klenau/ Klosterberg / Koppenbach / Langenmosen / Lauterbach / Malzhausen / Mühlried / Peutenhausen / Pobenhausen / Rettenbach / Sandizell / Sattelberg / Seibersdorf / Singenbach / Steingriff / Strobenried / Waidhofen / Wangen / Weichenried / Weilach / Weilenbach.

 

Der Band befindet sich im Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek.

 

Auf der Downloadseite gibt es Informationen zu den Nutzungsbedingungen.

 

Wir werden versuchen, die Entstehung des Bandes noch genauer zu datieren.

 

Zum genannten Band geht es hier

 

Auf der linken Seite findet sich die Inhaltsangabe, über die man direkt zu den gewünschten Seiten kommt.

 




Hörzhausen (III): Geschichte der Feuerwehr 1873-1900

Feuerwehren gehörten schon immer zu den wichtigsten Einrichtungen einer Gemeinde. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten sich in den meisten Städten und Gemeinden so genannte „Freiwillige Feuerwehren“, die sich im Gegensatz zu „Pflichtfeuerwehren“ weitaus besser in der Brandbekämpfung bewährten.

Die älteste Freiwillige Feuerwehr in Bayern wurde im Jahr 1849 in Augsburg gegründet.

Für das Gebiet des Bezirksamts Schrobenhausen war Hörzhausen ganz vorne mit dabei. Ein Verzeichnis der Freiwilligen Feuerwehren des Bayerischen Landes-Feuerwehr-Verbandes von 1890 nennt nur drei frühere Gründungen: Schrobenhausen (1865), Langenmosen (1872) und Hohenwart (1873, nur wenige Monate vor der Hörzhausener Gründung).

Über die Gründung der Hörzhausener Feuerwehr 1873 war bisher außer dem Gründungsjahr wenig bekannt. Im Rahmen der Recherchen für eine Ortschronik wurden jedoch sehr interessante Unterlagen und Berichte gefunden, von denen wir einige präsentieren wollen. Alle Berichte stammen aus digitalisierten Zeitungen und Zeitschriften, die sich im Rahmen einer Volltextsuche von zu Hause aus mehr oder weniger bequem durchsuchen lassen. Verwendet wurden insbesondere

• Google Books: Erweiterte Buchsuche (google.de)

• Bavarikon: Kultur und Wissensschätze Bayerns | bavarikon

• Münchner Digitalisierungszentrum: Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ) – Startseite (digitale-sammlungen.de)

Wir werden diese Daten zu gegebener Zeit mit Informationen aus Archiven ergänzen.

 

Die Zitate erfolgen in Originalschreibweise, Abkürzungen wurden stillschweigend aufgelöst, die Zeichensetzung wurde modernisiert.

Zum besseren Verständnis: Bezirksamt war eine Verwaltungsbehörde, gleichzeitig ein Verwaltungsgebiet, im Jahr 1939 wurde die Verwaltungsbehörde in Landratsamt, das Verwaltungsgebiet in Landkreis umbenannt. Der Bezirksamtmann war der Vorstand des Bezirksamts, ab 1939 wurde dafür der Begriff Landrat eingeführt.

 

Gründung der Feuerwehr 1873

Die „Zeitung für Feuerlöschwesen“ berichet am 15. Oktober 1873 ausführllich über die Gründung der Hörzhausener Feuerwehr.

„In Hörzhausen, Bezirks Schrobenhausen, wurde eine freiwillige Dorffeuerwehr gegründet, welche aus 33 gut uniformirten, vom besten Geiste beseelten Männern bestehend, am 5. dieses Monats sich definitiv organisirte.

Auf Einladung ihres Vorstandes Bürgermeister Reiter, dessen umsichtigem Einflusse diese Feuerwehr ihre Entstehung verdankt, fanden sich bei diesem Anlasse die Feuerwehren von Schrobenhausen, Langenmosen, Weilach–Sattlberg, letztere erst jüngst im ernsten Kampfe erprobt und bewährt, zahlreich vertreten mit ihren Vorständen und Commandanten, Herrn Buchhändler Hueber von Schrobenhausen, dem unermüdlichen Förderer des Feuerwehrwesens, Bürgermeister Stemmer von Langenmosen, Wagnermeister Strobl von Weilach und einigen Männern von Gachenbach, worunter Bürgermeister Meßner, welch letztere nur der Vollendung der schon bestellten größeren Spritze entgegensehen, um den Nachbardörfern zu folgen, in Hörzhausen ein. Nachdem die junge Feuerwehr ihre beiden Spritzen vorgeführt und erprobt, und unter gegebener Anleitung eine Uebung mit der Leiter versucht hatte, wurde die stattliche Schaar von dem gleichfalls eingeladenen königlichen Bezirksamtmann freundlichst begrüßt, aufgemuntert, durch fleissige Uebung und ehrenhafte Haltung sich ebenbürtig den tüchtigsten bayerischen Feuerwehren anzureihen, und darauf hingewiesen, welche tiefe innere Befriedigung das Bewußtsein angestrengter gemeinnütziger Pflichterfüllung gewähre, sofort aber auch unter dankbarer Anerkennung des thätigen Eifers des Bürgermeisters der Feuerwehr ein Beitrag von 25 fl. („Gulden“) zur Ergänzung der Ausrüstung aus der Distriktskasse behändigt.“

So oder so ähnlich könnte eine der Hörzhausener Saugspritzen ausgesehen haben. Es gab zweiräderige und vierräderige Modelle. Die Abbildung zeigt ein neueres Modell aus dem Jahr 1912 (aus dem Katalog der Bühler Feuerwehrgeräte-Fabrik München aus dem Jahr 1912). Die kleinste Ausführung musste von 6 Mann bedient werden, hatte eine maximale Wasserlieferung von 160 Litern pro Minute und eine Wurfweite von 24 Metern.

 

Brände und Brandkatastrophen

Wenig weiß man über frühe Einsätze der dörflichen Feuerwehren, sind doch Einsatzberichte vor Ort kaum vorhanden. Digitale Recherchen zum Beispiel über Google Books oder Bavarikon ermöglichen heute jedoch Funde in digitalisierten Zeitungen und Zeitschriften, die früher nicht oder nur mit enorm hohem Aufwand möglich gewesen wären. Wir bringen hier eine Auswahl von zeitgenössischen Berichten, einen auch schon vor der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr. Schon wenige Jahre nach der Gründung musste sich die Hörzhausener Feuerwehr zwei großen Brandkatastrophen stellen.

Heute ist die Feuerwehr im Alarmfall in wenigen Minuten zur Stelle. In einer Zeit ohne Auto und Telefon dauerte es unvergleichlich länger, es mussten Leute vom Feld geholt, Pferde eingespannt, gegebenenfalls benachbarte Feuerwehren durch Boten informiert werden.

Löschsituation mit Saugspritze – aus einem Werbeblatt der Löschmaschinen-Fabrik Georg Friedrich Kübel in Bayreuth 1853

 

1841 – Hörzhausener Mühle niedergebrannt

Der „Amtliche Anzeiger der königlich bayerischen Kreishauptstadt Augsburg“  meldet am 18. November 1841:

„Am 7. d. (7. dieses Monats) ist die Oel- und Sägmühle des Müllers S. Golling zu Hörzhausen, Landgerichts Schrobenhausen, niedergebrannt und dem Golling hiedurch ein Schaden von 4.000 fl. („Gulden“) verursacht worden. Das Feuer soll aus Unvorsichtigkeit in der Oelmühle entstanden seyn.“

 

1876 – Waldbrand im Hagenauer Forst

Die „Zeitung für Feuerlöschwesen“ berichtet am 15. April 1876:

„Am 28. März Mittags brach in dem kgl. Hagenauerforst nächst dem Dorf Hörzhausen ein Waldbrand aus, dessen Bewältigung der freiwilligen Feuerwehr Hörzhausen durch ihren rapiden Aufmarsch und ihren äußerst umsichtigen Angriff mit zweckmäßiger Ausrüstung rasch gelang. Der kgl. Oberförster zollte der braven Feuerwehr und ihrem energischen Vorstand, Bürgermeister Reiter, für diesen so wichtigen Erfolg den tiefgefühltesten Dank.“

 

1884 – Brandkatastrophe in Hörzhausen

Die „Zeitung für Feuerlöschwesen“ berichtet am 15. Sept. 1884:

„Hörzhausen (Oberbayern). Am 24. August entstand in dem Stadel zum ‚Krammer‘ Feuer, das, genährt durch die aufgehäuften Futter- und Getreidevorräthe, mit rasender Schnelligkeit um sich griff, so daß in kurzer Zeit das Wohnhaus mit Stall und Stadel des Gütlers ‚Hosch‘, das Wohnhaus mit Stall und Stadel des Gütlers zum ‚Bergschuster‘, das Wohnhaus sammt Stall und Stadel des Gütlers ‚Bergmaier‘ und das Wohnhaus des Gütlers zum ‚Streler‘ in Flammen standen, welche Gebäude vollständig in Asche gelegt wurden. – Zur Brandstätte waren geeilt die Feuerwehren von Unterbernbach, Schrobenhausen, Gachenbach, Peutenhausen, Rettenbach, Stockensau und Haslangkreut. Am Rettungswerke waren sonach mit der Ortsfeuerwehr Hörzhausen acht Feuerwehren betheiligt, die durch die angestrengtesten Bemühungen, durch rasches und energisches Eingreifen endlich Herr des Feuers wurden und die nah angrenzenden, in großer Gefahr gestandenen sehr feuergefährlichen Gebäude vor dem Untergange retteten. – Das Vieh nebst einigen Hauseinrichtungsgegenständen konnte den Flammen entrissen werden, während jedoch alle Futter- und Getreidevorräthe vom Feuer verzehrt wurden. – Ein vom Unglücke betroffener Gütler hatte kurz vor dem Brande sich mit großer Eile bemüht, das letzte Fuder Hafer in die Scheune zu bringen, als auch sein Wohnhaus von dem wüthenden Elemente erfaßt wurde und außer dem Vieh alle Habe, wie auch das soeben eingebrachte Fuder Hafer vernichtete. – Das Feuer konnte erst gegen Mitternacht gedämpft werden. Auf welche Weise der Brand entstanden ist, das ist noch nicht sicher festgestellt. Es geht das Gerücht, daß spielende Kinder die Ursache zum Brande gegeben haben.“

 

1885 – Brandkatastrophe in Unterbernbach

Noch kein Jahr war vergangen, da musste die Hörzhausener Feuerwehr, die in der Brandkatastrophe im Jahr 1884 auch von der Feuerwehr Unterbernbach unterstützt worden war, zur Gegenleistung antreten. Die „Zeitung für Feuerlöschwesen“ berichtet am 15. Mai 1885:

Unterbernbach (Aichach). Am 19. April war der Ort Unterbernbach der Schauplatz eines größeren Brandes. Um 5 Uhr Nachmittags, da alles noch auf dem Felde beschäftigt war, brach im Gasthause des Georg Mayr Feuer aus, das bei heftigem Ostwinde so rasch um sich griff, daß im Verlaufe einer halben Stunde acht Gebäude in hellen Flammen standen, die auch total in Asche gelegt wurden. Mit der Ortsfeuerwehr vereinigten sich so rasch wie möglich die Feuerwehren von Haslangkreut, Hörzhausen, Aichach, Kühbach, Schrobenhausen, Inchenhofen, Oberbernbach, Stockensau, Schnellmannskreuth, Sainbach und Walchshofen zu ernster und schleunigster Rettung. Mit aller Anstrengung wurden die Pfarrgebäulichkeiten und die angrenzenden stark bedroht gewesenen Häuser noch gerettet. Mit Mühe konnte das Vieh und die wichtigsten Mobilien den Flammen entrissen werden, während die Futter- und Getreidevorräthe, die Ackergeräthe und noch viele Hauseinrichtungsgegenstände ein Raub der Flammen wurden. Herr Bezirksamtmann Mulzer und Herr Distriktstechniker und Feuerwehrkommandant Kober aus Aichach leiteten mit großer Umsicht und Rührigkeit bis Mitternacht die Lösch- und Rettungsarbeiten. Beschädigt wurde außer dem Feuerwehrmann Festl von hier, der vom Dache fiel, jedoch eine nicht bedeutende Verletzung erlitt, Niemand.“

 

1895 – Großbrand in Aresing – Hofnerhaus beinahe eingeäschert

Die Augsburger Postzeitung berichtet unterm 27. November 1895 von einem Großbrand in Aresing. Da sich benachbarte Feuerwehren unterstützten, können wir annehmen, dass auch die Hörzhausener Feuerwehr im Einsatz war.

„Schrobenhausen, 25. Nov. Gestern Abend brach um 6 1/2 Uhr in dem 1 Stunde von hier entfernten Pfarrdorfe Aresing in einem mit Heu und Stroh angefüllten Stadel Feuer aus, welches sich bei dem heftigen Winde so schnell verbreitete, daß in kurzer Zeit 7 Firste abbrannten. Das Pfarrhaus sowie das Anwesen des Kunstmalers Hofner standen lange Zeit in großer Gefahr; auf letzterem brannte schon das Dach leicht. Der furchtbare Wind trieb die Feuerfunken oft 10 Minuten weit mit sich in der Luft und hob ganze Feuergarben gegen Himmel. Der Sturm erschwerte durch die Rauchwolken die Annäherung an die Brandstätte ungemein. Verbrannt sind 200 M(ark) in Gold sowie 3 Schweine. Die hiesige freiwillige Feuerwehr kam um 7 Uhr Abends an den Brandplatz und verblieb bis 10 1/2 Uhr daselbst.“

Bisher erschienen:

Hörzhausen (I): Eine Chronik entsteht

Hörzhausen (II): Geschichte auf einen Blick

Hörzhausen (III): Geschichte der Feuerwehr 1873-1900

Hörzhausen (IV): Historische Ansichtskarten

 

 




Vom Maß aller Dinge – alte Maße und Gewichte in Baiern

 

 

Hans-Georg Hofmann

Vom Maß aller Dinge – alte Maße und Gewichte in Baiern1

Mit lokalen und regionalen Beispielen und Bildern von Exponaten aus dem Schrobenhausener Stadtmuseum

 

Maß, Größe, welche zur Vergleichung mit andern gleichartigen Größen als Einheit angenommen wird“

Mit diesen nüchternen Worten beschreibt ein „Lexikon der gesamten Technik“ vom Anfang des 20. Jahrhunderts (im Literaturverzeichnis siehe Lueger) den Sinn und den Gebrauch von Maßen (und Gewichten) und den Vorgang des Messens als „Vergleichung“.

Was Menschen im Alltag am häufigsten vergleichen wollen, ist die Größe von Dingen: die Breite des Esstisches, die Höhe der Garageneinfahrt im Vergleich zur Höhe des Autos, die Rahmenhöhe des Fahrrades, der Durchmesser der Kugelschreiber-Mine. Entsprechende Messmittel wie Rollmaß, Meterstab, Schieblehre sind heute verbreitet und allgemein verfügbar. Sie basieren alle auf dem Meter, der internationalen Maßeinheit für Länge, Breite, Höhe.

 

Längenmaße

Früher wurden Längenmaße vom menschlichen Körper abgeleitet: Schuh oder Fuß, Elle – die Länge des Unterarmes, Klafter – der Abstand der Hände bei waagerecht ausgestreckten Armen. So trug jeder Mensch sein eigenes Maßsystem mit sich herum.

Das war natürlich für den Zweck des Messens nicht brauchbar. Deshalb wurden sogenannte Normale geschaffen: Für den Geltungsbereich einer Stadt oder einer Anzahl von Orten, die zu einem Kloster oder einer Hofmark gehörten, verbindlich vereinbarte Größen der gängigsten Maße. So war in einem begrenzten öffentlichen Bereich die Verbindlichkeit und Vergleichbarkeit des Messens gewährleistet. Dass aber das Messwesen in Pfaffenhofen und in Schrobenhausen übereinstimmte, davon konnte man nicht ausgehen.

Die Normale, das heißt ihre greifbaren Verkörperungen mussten den Bürgern zugänglich gemacht werden. In Regensburg befinden sich die Normale noch heute an der Außenwand des Alten Rathauses. Häufig wurden Normale an Kirchen oder anderen allgemein bekannten und gut zugänglichen Orten angebracht. In vielen Markthallen befanden sich Normale für die Getreidemaße.

 

 

Altes Rathaus in Regensburg: „der stat schuch / der stat öln / u. der stat klafter“

 

Zollstock 1801 (Schrobenhausener Stadtmuseum)
Man erkennt die Einteilung in Halb- und Viertel-Zoll

 

Der Tischler hatte einen Zollstock, bei dem der Schuh noch weiter unterteilt war in zwölf Zoll, und der auch Markierungen für Halb- und Viertel-Zoll zeigte. Damit konnte er das Material für den neuen Küchenkasten seines Nachbarn so zuschneiden, dass dieser genau in die Nische passte, die er vorher ebenfalls mit seinem Zollstock ausgemessen hatte. Und der Zimmermann konnte sicher sein, dass die Balken, die er nach Klaftern, Ellen und Zoll beim Sägewerk bestellt hatte, sich zu einem neuen Dachstuhl fügen ließen. Aber: Das war nur dann der Fall, wenn das Sägewerk die gleichen Maße benutzte, wie der Zimmermann, was durchaus nicht selbstverständlich war. Die Uneinheitlichkeit des Messwesens verursachte Ärgernisse, die sich bis in den privaten Bereich der Bürger auswirkten: Der Tischler konnte nicht sicher sein, dass der Schrobenhausener Küchenkasten auch in die Nische in Pfaffenhofen passte.

Eine weitere Längeneinheit war die Rute, die vor allem zur Messung der Länge und Breite von Grundstücken benutzt, in Baiern jedoch hauptsächlich bei der Landesvermessung verwendet wurde. Die Rute war an den Schuh angeschlossen. Sie hatte – abhängig von Ort und Zeit – 10, 12 oder 14 Schuh und zeigte also die von den anderen Längenmaßen her bekannte Vielfalt.

Der Nachteil dieser regionalen Unterschiede für das Wirtschaftsleben wurde von der Obrigkeit früh erkannt. Schmeller (2) zitiert aus dem Jahre 1616, zur Regierungszeit von Herzog Maximilian I.: „Dieweil allberait Ao 1553 die Eln auff die Landshueter Eln gericht worden, so ist unser Mainung, daß bemelte Landshueter Eln in unsern Fürstenthumb allain und kein ander gebraucht werde.“ Ob diese frühe Standardisierung allgemeine Beachtung fand, ist nicht bekannt.

Durch königliche Verordnung vom 28. Februar 1809 wurden in Bayern die Größenverhältnisse zwischen den Längenmaßen vereinheitlicht: Die Elle hatte 2 Schuh und 10 ¼ Zoll, der Klafter 6 Schuh, die Rute 10 Schuh.

Bei der Einführung des metrischen Maßsystems im Deutschen Reich 1872 wurde der (Bayerische) Zoll zu 2.432 cm, der Schuh zu 29,186 cm, die Elle zu 83,31 cm umgerechnet.

Bei den Entfernungen zwischen Ortschaften hat man es weniger genau genommen. Es genügte zu wissen, dass man von Schrobenhausen nach Aresing etwa eine Stunde fuhr und nach Aichach vier Stunden.

Die Stunde, wie heute der vierundzwanzigste Teil des Tages, wurde durch die Kirchenglocken oder, falls vorhanden, die Kirchturmuhr vorgegeben und war sicher keine genaue Zeitangabe.

Schmeller schreibt dazu: „Den Weg nach Meilen zu zählen, ist in Alt Baiern ganz unvolksmäßig. Man rechnet ihn … nach Stunden, d. h. so viel ein rüstiger Fußgänger in einer Stunde zurücklegt, was in der Regel eine halbe deutsche Meile ausmacht.“

Die deutsche Meile entsprach etwa 7500 m; außerdem kannte man die Postmeile zu 8600 m. Die bairische Meile maß etwa 7400 m.

 

Stundensäule aus München (Sandstein, um 1800) – Stadtmuseum München

Stundensäulen waren Entfernungsanzeiger für Reisende. Sie standen an den Ausfallstraßen und markierten die Einheit „Stunde“, die früher nicht nur ein Maß der Zeit, sondern auch eine Entfernungsangabe war. Eine geographische Stunde entsprach einer halben deutschen Meile oder 12.703 „baierischen Schuh“, das sind etwa 3,7 Kilometer. In diesem Verständnis bezeichnete die Säule die Strecke einer Gehstunde zur Stadtmitte. 

 

Feldmaße

Landwirtschaftliche Flächen waren nicht nur Produktionsmittel, sondern auch Handelsgüter: Sie wurden gekauft und verkauft, verpfändet, beliehen und versetzt.

In einer Urkunde vom 29. September 1491 (3), mit der ein Landwirt ein Darlehen aufnimmt und dafür jährlich den Ertrag von zwei Äckern entrichtet, heißt es: „… wir dürfen von den vorgenannten zwei Äckern nichts verbumbern, versetzen oder verkaufen.“ („Verbumbern“ bedeutet „auf Pump erwerben bzw. verkaufen“.) Er durfte also den Marktwert des als Sicherheit eingesetzten Pfandes nicht vermindern.

Wie für andere Handelsgüter war es notwendig, die Größe und damit den Wert landwirtschaftlicher Grundstücke zu ermitteln und zu vergleichen. Als Flächeneinheit für Grünland diente das Tagwerk, ursprünglich die Fläche, die an einem Tag gemäht werden kann. Nun hängt diese Fläche – unter anderem – von der Bodenbeschaffenheit und von der Witterung ab und war also nicht überall und nicht jederzeit von gleicher Größe.

Zum Zwecke der „Vergleichung“ war also eine allgemeinere Festlegung der Maßeinheit Tagwerk notwendig. Durch die königliche Verordnung von 1809 wurde auch das Feldmaß an den Schuh angeschlossen, indem ein Grundstück von 40 000 Quadratschuh Fläche als ein Tagwerk groß definiert wurde. Ein Grundstück von einem Tagwerk konnte also 200 Schuh mal

200 Schuh messen. Dieses Tagwerk variierte zwar mit dem Schuh, aber es ermöglichte die reproduzierbare Vermarkung und Vermessung von Grundstücken.

Flächeneinheit für Ackerland war der Juchert, das Feld, das man an einem Tag pflügen kann. In dem Namen Juchert steckt das lateinische Wort iugum = Joch, Paar von Zugtieren; es vermittelt das Bild des Landwirts, der mit seinen Ochsen ackert. Wie das Tagwerk wurde der Juchert 1809 ebenfalls auf eine Größe von 40 000 Quadratschuh festgelegt.

Weit verbreitet war auch das Dezimal, eine Fläche, die ein Zehntel des Tagwerks ausmachte, zum Beispiel 80 Schuh mal 50 Schuh.

Der Morgen, als Feldmaß in anderen Teilen Deutschlands verbreitet, hatte eine dem Tagwerk entsprechende Größe. Er war aber in Baiern nicht gebräuchlich.

Ein merkwürdiges Feldmaß ist der Bifang. Schmeller schreibt dazu: „Der Bifang, Plural die Bifäng, der Ackerbalken, das sind die, beim wiederholten Hin= und Herfahren mit dem Pflug … losgeschnittenen Streifen Erde, welche eine Erhabenheit zwischen zwey Vertiefungen (Furchen) bilden. … Die Bifänge im bairischen Flachland bestehen gewöhnlich aus vier solcher Erdstreifen. … So findet man in Urkunden häufig die Äcker nach der Zahl ihrer Bifänge bestimmt, deren Länge indessen äußerst verschieden sein kann. … Allein, da gewöhnlich in den Feldfluren mehrere gleichlange Äcker neben einander liegen, so kommt es bey einzelnen oft nur darauf an, ihre Breite zu kennen.“ Wieder die Urkunde vom 29. September 1491: „… meine zwei Äcker … der eine … siebenundzwanzig Pifang hat, der andere … hat neun Pifang.“

Ein Ratsprotokoll aus dem Schrobenhausener Stadtarchiv vom 22. Mai 1773 (4) befasst sich mit der Bitte des Stadtpfarrers Nikolaus Oberbauer, ihm ein Stück von einem gemeindeeigenen Grund zu verkaufen, auf dem er einen Garten anlegen will. Die Größe dieses Areals wird mit „33 geometrischen Ruten oder 2 Tagwerk“ angegeben. Die geometrische Rute ist demnach ein Feldmaß, das etwa 2400 Quadratschuh oder – wenn man die Rute, wie sie 30 Jahre später standardisiert wurde, zu 10 Schuh annimmt – 24 Quadratruten entsprach. Flächen wurden offenbar in diesem Maß selten gemessen, sonst wäre in dem Protokoll nicht die Umrechnung in Tagwerk angegeben worden.

 

Hohlmaße

Das bekannteste Hohlmaß ist die Maß-Kanne, meist einfach die Maß. Sie war das Volumen des Steinkrugs, aus dem das Bier getrunken wurde. Gebräuchlich war daneben die Halbe Maß, auch Seidel genannt und die Quart = Viertel (Maß). (Eine Redensart, die von Schmeller überliefert und ins Schriftdeutsche übersetzt wurde: „Wer seinen Durst mit Seideln labt, fang´ besser gar nicht an.“)

Die regionalen Unterschiede sind bei der Maß wohl gering gewesen. Die Töpfer in Keferloh und anderswo werden gewusst haben, wie groß der Keferloher sein muss und wo der Eichstrich anzubringen ist, damit sich kein Biertrinker in Baiern benachteiligt fühlen muss.

Die Maß wurde anlässlich der Vereinheitlichung des Messwesens im Deutschen Reich auf 1,069 Liter festgelegt.

Größere Flüssigkeitsmengen wurden mit dem Schenkeimer oder einfach Eimer gemessen. Er hielt 60 Maß. Davon unterschieden war der Visiereimer zu 64 Maß, nach dem der Inhalt von Fässern ausgemessen wurde.

Der Eimer wurde – wie auch andere alte Maße – nach der Einführung des metrischen Maßsystems weiter verwendet. So gibt Alexander Höcht am 23. Oktober 1873 für seine Brauerei die Herstellung von jährlich 1400 Eimern Bier an und für die Brennerei 25 Eimer Branntwein. Jakob Stief meldet am 19.Februar 1875 für seine Bierwirtschaft 800 Eimer Bierverbrauch. (5)

 

Die Apotheken, in denen sehr kleine Flüssigkeitsmengen genau gemessen werden mussten, benutzten – wie beim Gewicht – ein eigenes Maßsystem. Es geht aus von der Gallone mit 4546,1 Millilitern, die unterteilt ist in 160 Flüssigkeits-Unzen und diese in je acht Flüssigkeits-Drachmen.

Messgefäß mensuriert in Flüssigkeits-Unzenund -Drachmen

 

Messgefäße aus der Bachhuberschen Apotheke – metrisch mensuriert

 

Für den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und anderen Schüttgütern wie Salz oder Mehl waren eigene Hohlmaße oder Trockenmaße gebräuchlich. Hier waren die regionalen Unterschiede so beträchtlich, dass der Handel mit diesen Produkten erheblich erschwert war. Deshalb wurde bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts versucht, die sogenannten Getreidemaße zu vereinheitlichen.

Am 25. Mai 1731 erließ Kurfürst Karl Albrecht ein „Mandat … wegen der Getraidmässerey(6), in dem er schreibt, daß „Uns deß öfftern hinterbracht, und fürgestellet worden, Wür es auch von selbsten gnädigst ermessen, wie nutzlich es seye, daß die in unseren Landen sich verschaidentlich bezaigende Trayd=Mässerey in eines und zwar in das hiesige Münchner=Maß reduciert werde.“ Dazu hat er geeichte Muster-Gefäße (Normale!) von den Münchner Trockenmaßen „verfertigen und unsern Regierungen zuschicken lassen.“ Die Regierungen in den „Haubt=Stätten München, Landshuet, Straubing, Burghausen und Ingolstatt“ werden angewiesen, dafür zu sorgen, dass „alle in jedem Regiments=District entlegene Pfleg=Gerichts, Mautt= und Casten=Beambte, Clöster, Hofmarchen Stätt und Märckt“ solche Normale beschaffen und künftig anstelle der bisherigen unterschiedlichen Maße (es werden aufgezählt: „Schaaf, Mutt, Staab, Vierling, Kibl oder Säck, wie dieselbe ohne Ausnamb Nammen haben“) verwenden.

Um die Einführung des Münchner Maßes zu erleichtern, wird vorgeschrieben, dass „jene Stätt= und Märckts=Obrigkeiten, bey denen die Schrannen= Trayd= oder Wochen=Märckt gehalten werden, die baldigst an sich bringende hiesige Münchner=Mässerey in Gegenwart 4 aigens hierzue verpflichter Burgerlicher Raths=Freunde öffters auß= und abzumessen, und sohin die Vergleichung derselben, und der alten bißhero im Brauch gehabten Mässereyen deutlichen außgeschribner, an dem Rathhaus auf ainer Tafel anhangen zlassen haben.“ Schließlich wird noch eine Frist für die Umsetzung der Maßnahmen gesetzt: „So werden Wür nach Verfliessung obberührtern Terminus Michaeli weder in Kauff oder Verkauff auf öffentlichen Schrannen, Trayd=und Wochenmärckten, den Gebrauch einer anderen, als der hiesigen Mässerey, beyneben nicht gedulten.“

Eine weit- und umsichtige Anordnung! Es ist wohl nicht dazu gekommen, dass sie bis Michaeli 1731 vollständig umgesetzt wurde, aber sie war ein entscheidender Schritt zur Beendigung eines chaotischen Zustandes.

Das Schaff war als Hohlmaß die Basisgröße für das Messen von Trockenprodukten – Schmeller: „Das Schaff, Diminutiv Schäfflein, Schäffel. Gefäß von Böttcherarbeit, nach oben offen, …“. Man kann sich die Form des entsprechenden Behälters vorstellen!

Hier ist ein Wort zur Aussprache angebracht. Schmeller weist darauf hin, dass in der bairischen Mundart Diminutive wie Schäffel (= hochsprachlich Scheffel) oder Mässel nie mit Umlaut, sondern mit dem einfachen Laut ausgesprochen wurden: Schaffel, Massl.

 

 

Schaff aus dem Besitz des Melbers und Salz-Stößlers Georg Mühlbauer mit Eichmarken von 1880 bis 1901 am oberen Rand (Fotos: Rödig)

 

Das mit dem Mandat von 1731 verordnete Münchner Getreidemaß ist der Münchner Schäffel, der 6 Münchner Metzen enthält. Der Metzen hat 4 Viertel. Weitere Unterteilungen des Metzens gehen hinab bis zu 32 Dreißigern und 128 Mässeln in einem Metzen.

Regional unterschiedlich gab es vor der gesetzlichen Regelung eine Vielfalt an Unterteilungen des Schaffs oder Schäffels, die von Schmeller in seinem großen Artikel über das Schaff dargestellt werden.

Das Äquivalent des Schäffels im metrischen System findet sich in einem Zeitungs-Bericht vom 9. Januar 1847 über die Münchner Schranne. Dort heißt es „45 bayrische Schäffel = 100 Hektoliter“. Demnach hält ein Schäffel etwa 222 Liter, der Metzen etwa 37 Liter. (Die spätere offizielle Umrechnung ergab 222,36 Liter bzw. 37,06.) Seit den Napoleonischen Kriegen war das metrische Maß-System in Baiern bekannt, obwohl es nicht offiziell eingeführt war.

Die von der kurfürstlichen Regierung 1731 beklagte uneinheitliche „Getreidmässerei“ mit ihren Folgen für die Wirtschaft war auch im engeren Umkreis von Schrobenhausen erkennbar.

 

Für Schrobenhausen findet man Archivalien, in denen, ähnlich wie im kurfürstlichen Mandat verfügt, die alten und neuen Maße einander gegenübergestellt sind.

Eine Getreiderechnung von 1750 aus dem Schlossarchiv Sandizell (7) listet die Korngülten aus Edelshausen auf, die dem Grundherrn entrichtet werden müssen. Am Anfang steht eine „Resolvierung“, ein Vergleich des Schrobenhausener Kornmaßes mit dem neuen Münchener Maß. Daraus geht hervor, dass in Schrobenhausen der Schäffel wie in München in sechs Metzen, dieser in vier Viertel unterteilt waren. Die Schrobenhausener Maße waren aber um ein Achtel größer als die Münchner. Mit dem obigen Wert des Münchner Schäffels umgerechnet, hält der Schrobenhausener Schäffel 250 Liter, der Metzen also etwa 42 Liter.

Dieses Dokument enthält auch eine Umrechnung des Maßes von Rain am Lech. Dort hält der Schäffel 259 Liter. Im Unterschied zu München und Schrobenhausen ist er aber in acht Metzen zu je 32,5 Liter unterteilt.

 

 

In einem Dokument von Mühlried aus der Mitte des 17. Jahrhunderts wird der dortige Schäffel in fünf Metzen unterteilt; die Größe des Schäffels ist nicht angegeben.

In Pfaffenhofen hielt der Schäffel 239 Liter und war in vierzehn Strich zu je 17,1 Liter unterteilt.

Schrobenhausen, Rain am Lech, Mühlried, Pfaffenhofen: Vier Orte, die man als beispielhaft annehmen kann, haben vier verschiedenen Kornmaße: Man kann ermessen, wie schwerfällig das Wirtschaftsleben im Lande funktionierte. Bis zu einer wirkungsvollen Abhilfe dauerte es noch bis zur Reichsgründung.

 

Zinnmaße 1851 –Eichmarken auf dem oberen Rand (Stadtmuseum Schrobenhausen)

 

Getreidemaße nach 1872 – in Litern vermessen und geeicht (Stadtmuseum Schrobenhausen)

Weitere landwirtschaftliche Maße

Weitere, teilweise nur regional benutzte landwirtschaftliche Maße:

Das Sumber (Schmeller: Das Sumber oder Sümber, Korb, besonders ein dichter, aus Stroh geflochtener), auch Sümer oder Simri genannt, war als Getreidemaß in Franken gebräuchlich. Seine Größe variierte regional sehr stark; es konnte zwischen 80 und 600 Liter halten.

Das Mutt war ein Getreidemaß, an dem man die regionale Vielfalt der ursprünglichen Maße besonders gut erkennen kann. Nach Schmeller machte „das Mutt in Mühldorf 4 Schäffel, 4 Metzen, 3 Viertel und 2 Sechszehntel, in Wasserburg und Rosenheim 4 Schäffel, 2 Metzen, 1 Viertel Münchner Maßes, … in Traunstein 6 Münchner Schäffel. Das Eichstätter Mutt enthielt 28 Metzen.“ Weitere ähnliche Getreidemaße wurden in Franken und Schwaben gebraucht.

Ein verbreitetes Maß für Handelswaren war der Saum. Er bezeichnete ursprünglich die Last, die der Säumer auf seinem Pferd über die Alpen transportierte und entsprach ungefähr 250 Pfund. Später wurde er allgemein für große Warenmengen gebraucht und bezeichnete dann oft Großhandels-Waren im Gegensatz zu Waren im Detail-Verkauf. Deshalb wurde im Flachland der Großhändler auch als Säumer bezeichnet.

Ein spezifisches Maß war auch der Holzklafter, die Volumeneinheit für Brennholz. Ein Holzklafter maß ein Klafter Breite mal ein Klafter Höhe mal Scheitlänge, also ungefähr drei Kubikmeter.

Gewichte

Grundeinheit für die Gewichtsmessung war das Handelspfund, auch kurz als Pfund bezeichnet, das 560 Gramm entsprach. Hundert Pfund waren ein Zenten. (Bei Eiern wurde der Zenten auch als Zählmaß verwendet: Ein Zenten = 100 Stück.)

Die weitere Aufteilung:

1 Pfund = 16 Unzen = 32 Lot = 128 Quent = 512 Pfennig = 7680 Gran.

Im Alltag der Bevölkerung waren die Gewichtsmaße zum Beispiel bei der Herstellung und beim Kauf von Brot zu beachten. Brot war wie heute eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Deshalb wurde der Preis des Brotes – wie der anderer Grund-Nahrungsmittel – vom Magistrat reguliert und bei Bedarf an die Entwicklung der Getreidepreise angepasst.

Die verschiedenen Brotsorten hatten festgelegte (niedrige) Preise, die nicht beliebig unterteilt werden konnten. Die Regulierung des Brotpreises erfolgte deshalb so, dass das vorgeschriebene Gewicht der einzelnen Brotsorten nach dem Getreidepreis variiert wurde. (8)

Ein Beispiel aus dem späten 17. Jahrhundert (9):

Am 10. November 1689 kostete der Weizen 9 Gulden (je Schäffel). Für die Semmel zu einem Pfennig war ein Gewicht von 2 Lot 2 Quent 2 Pfennig, also etwa 46 Gramm, vorgeschrieben. Das Ein-Kreuzer-Röggl musste 14 Lot 2 Quent, etwa 250 Gramm, wiegen.

Am 20. Oktober 1690 lag der Preis für Weizen bei 7 Gulden 2 Schilling Pfennige. Entsprechend musste das Brot schwerer sein: Die Ein-Pfennig-Semmel hatte 3 Lot 2 Pfennig, etwa 55 Gramm, und das Röggl zu einem Kreuzer 16 Lot 2 Quent, etwa 290 Gramm.

 

Der Pfennig kommt hier mit zwei unterschiedlichen Bedeutungen vor: Als Währungseinheit ist er der zweihundertvierzigste Teil des Guldens, als Gewichtseinheit der fünfhundertzwölfte Teil des Pfundes.

 

Die Einhaltung der vorgeschriebenen Gewichte der Brote wurden vom Stadtmagistrat kontrolliert. Man findet in den Ratsprotokollen immer wieder Einträge über die Bestrafung von Bäckern wegen zu niedrigen Brotgewichts. So wurde am 29. Juli 1701 bei zwei Bäckern, Josef Grabmayer und Georg Harter, zu leichtes Brot gewogen; sie wurden mit Geldstrafen belegt (10).

 

Neben dem Handelsgewicht gab es zwei weitere „branchenbezogene“ Gewichtssysteme, die früh im 19. Jahrhundert in Deutschland Länder-übergreifend normiert worden waren.

Das erste war das Münzgewicht, das auch für ungemünzte Edelmetalle verwendet wurde. Es basierte auf der Kölnischen Mark, die etwa 234 Gramm hielt und in 8 Unzen, 64 Quentchen und 256 Pfennig unterteilt war.

Betrügerische Münzverschlechterung, also die Verminderung des Feingehalts einer Münze an Gold oder Silber und Ersatz durch minderwertige Metalle, kam so häufig vor, dass vor allem Kaufleute und Händler sich dagegen schützen mussten. Dazu gab es Feinwaagen mit Gewichts-Sätzen, die mit den Gewichten der gängigen „echten“ Münzen identisch waren. Die schlechten Münzen waren leichter als die unverfälschten. Mit der Münzwaage konnten sie schnell und zuverlässig erkannt und als Zahlungsmittel zurückgewiesen werden.

Feinwaage zur Münzprüfung 1856 (Stadtmuseum Schrobenhausen)

 

Als zweites spezifisches System gab es das Apothekergewicht, dessen Anwendungsgebiet sich aus dem Namen ergibt. Das Apothekerpfund entsprach etwa 360 Gramm und war unterteilt in 12 Unzen, 96 Drachmen 288 Skrupel und 5760 Gran.

 

Das Pfund wurde vielfach auch als Zähleinheit benutzt und entsprach 240 Stück. So konnte man von einem Pfund Kälberstricke, einem Pfund Zaunlatten oder auch einem Pfund Pfennig sprechen. Eine weitere Zähleinheit war der Schilling, der 12 Stück bedeutete.

Beide Zähleinheiten haben lange überlebt in der britischen Währung: Ein Pfund Sterling =20 Shilling zu je 12 Pence = 240 Pence.

Salz

Salz wurde bis in das 20. Jahrhundert hinein nicht nur als Speisewürze, sondern auch zum Konservieren von Fleisch und Gemüse oder zur Fermentierung von Weißkohl zu Sauerkraut verwendet. Auch verschiedene Gewerbe wie Brauereien, Färber, Gerber hatten Bedarf an Salz. Die Menge, die pro Kopf der Bevölkerung verbraucht wurde, war ein Vielfaches der heutigen Menge. Salz war ein wichtiges und begehrtes Handelsgut: “Weißes Gold“.

Das Salz wurde in den Salinen nach dem Trocknen in hölzerne konische Fässer – Kufen – kräftig eingestampft, so dass eine kompakte Masse entstand. Diese Kufe bzw. ihr Inhalt, die Scheibe Salz, war die Versand-Einheit und zugleich das Handelsmaß. Eine Scheibe wog ungefähr eineinhalb Zenten oder 85 Kilogramm.

Der Ausstellungs-Katalog „Salz Macht Geschichte“ (siehe Literatur-Verzeichnis) ist eine umfassende Dokumentation über die Gewinnung, den Transport und die Handelswege des Salzes in Bayern. Er ist ein Muss für alle, die sich detaillierter über das Weiße Gold informieren wollen.

 

Hölzerne Salzschaufel des Melbers und Salzstößlers Georg Mühlbauer

Schrobenhausen bezog sein Salz von den landesherrlichen Salzämtern in München und Ingolstadt, seltener auch aus dem Fürstentum Pfalz-Neuburg. Im städtischen Salzstadel wurden die Scheiben zerstampft und an die Hockner (11) verkauft, die sie Dreißiger-weise weiterverkauften. Der Verkaufspreis war von der Stadt vorgeschrieben.

Eine Episode über die Folgen unterschiedlicher regionaler Maße: Im Januar 1765 beschwerten sich die Hockner, weil die Ingolstädter Salzscheiben kleiner als die 83 Dreißiger waren, nach denen die Stadt den Verkaufspreis kalkuliert hatte (12). Die Stadt wandte sich an den Salzbeamten in Ingolstadt mit der Bitte, der Vorschrift entsprechende Salzscheiben zu liefern. Dieser teilte mit, dass im Salzamt jede Scheibe überprüft und falls erforderlich, auf 83 bis 84 Dreißiger aufgefüllt werde. Die Stadt wählte dann aus ihrem Bestand drei Salzscheiben aus und ließ sie vom Eichmeister, von den Hocknern und vom Ratsdiener in Dreißigern ausmessen. Es stellte sich heraus, dass die Scheiben zwischen 71 und 75 Dreißiger hielten. So war also 25 Jahre nach der Anordnung des Kurfürsten der Schrobenhausener Dreißiger noch um etwa 10 Prozent größer als der Ingolstädter.

Der letzte und zu seiner Zeit einzige Salzstößler in Schrobenhausen war der Melber Georg Mühlbauer. Er hatte 1884 eine Hypothek auf sein Haus zugunsten der bayerischen Salinen-Verwaltung eintragen lassen. Dies war die Bedingung, dass er mit Salz beliefert wurde.

Von seinem Salzhandel ist eine hölzerne Schaufel erhalten geblieben.

Wasser

Bernhard Rödig (13) hat beschrieben, wie ab Mitte des 15. Jahrhunderts Wasser aus den umgebenden Moosen und Quellhorizonten in Deichel-Leitungen in die Stadt geführt wurde. So stand der Bevölkerung frisches Wasser in Röhrbrunnen zur Verfügung und man war nicht auf das Wasser aus dem Stadtbach oder den Stadtgräben angewiesen.

Viele Bürger, vor allem Gewerbetreibende wie Bräuer, Färber oder Johannes Senser für seine Tuchfabrik, waren auf fließendes reines Wasser in ihrem Betrieb angewiesen. Sie konnten auf eigene Kosten eine Leitung auf ihr Grundstück legen, deren lichter Durchmesser entsprechend ihrem Bedarf festgelegt wurde. Die Wassermenge, die sie bezogen, wurde in Steften gemessen. Ein Steften entsprach einem Fluss von zwei Maß pro Minute. Im 17. und

  1. Jahrhundert lagen die üblichen Wassermengen, die die Stadt lieferte, zwischen einem Viertel und einem Steften pro Anschluss.

Die Gebühr, die die Stadt für das gelieferte Wasser verlangte, war recht hoch: 1712 ließ sich der Färber Hans Georg Scheffler einen Viertel Steften liefern und bezahlte dafür einen Gulden jährlich (14). (Zum Vergleich: Am 16. Oktober 1711 kauft der Färber Franz Knogler das sogenannte Käsränftelsche Haus in Schrobenhausen für 400 Gulden (15).)

Ein Maß für die Ergiebigkeit von Solequellen war das Röhrl. Es entsprach in Reichenhall einem Fluss von 20 Kubikmetern in 24 Stunden.

 

Die bayerische Landesvermessung 1801

Was hat die bayerische Landesvermessung mit den bairischen Maßen und Gewichten zu tun? Zum ersten Mal wurde bei dieser Gelegenheit die künftige universelle Längeneinheit, das Meter, verwendet.

Bayern hatte im zweiten Koalitionskrieg an der Seite Österreichs gegen Frankreich gekämpft. Nach dem Sieg der Franzosen bei Hohenlinden besetzte die französische Armee ganz Süddeutschland bis sie 1802, nach dem Frieden von Lunéville, wieder abzog.

Die Franzosen installierten 1800 in Nymphenburg eine „Commission des routes“, die für die Heeresführung eine genaue Karte von Bayern herstellen sollte. Nach ihrem Abzug entstand daraus das Bayerische Topographische Büro, das von Kurfürst Maximilian IV. Joseph mit der Fortsetzung der von den Franzosen begonnenen Arbeit beauftragt wurde.

Als erster Schritt der Landesvermessung war es erforderlich, die Länge einer „Basislinie“ für die Triangulierung (16) mit äußerster Genauigkeit zu bestimmen. Die Endpunkte dieser Linie lagen in München am Föhringer Ring bei St. Emmeram und bei Aufkirchen westlich von Erding. Diese Endpunkte wurden durch Granitpyramiden gekennzeichnet und sind somit noch heute erkennbar.

Die Leitung der Vermessung dieser Linie übernahm der französische Ingenieurgeograph Charles Rigobert Bonne. Die Arbeiten begannen am 25. August 1801. Die Länge der Strecke durch das menschenleere Erdinger Moos wurde mit Holzstangen von fünf Metern Länge „abgeschritten“. Nach 42 Tagen ergab sich die Länge der Basislinie zu 21 Kilometer 653 Meter 80 Zentimeter. Messungen mit heutigen modernen Mitteln zeigten, dass Bonne sich um weniger als einen Meter „vermessen“ hatte.

Da in Bayern das Meter noch nicht eingeführt war, wurde die Basislänge in bayerische Ruten zu je 10 Schuh umgerechnet und ergab 7 419,267 Ruten.

Basispyramide Aufkirchen

 

Von den Endpunkten der Basislinie wurden dann die Winkel zu den nächsten trigonometrischen Punkten ermittelt und so schrittweise die Triangulierung des Landes durchgeführt. Damit wurden die Grundlagen für die ersten genauen Flurkarten im Maßstab 1:5000 geschaffen, die mit den im Laufe der Zeit erforderlichen Revisionen über viele Jahrzehnte der Kartographie Bayerns zugrunde lagen.

 

Vereinheitlichung der Maße und Gewichte in Bayern 1809

Ein neuer Vorstoß zu einem in ganz Bayern einheitlichen Messwesen unternahm König Maximilian I. Eine Verordnung vom 28. Februar 1809 zur „Einführung eines gleichen Maß-, Gewichts- und Münz-Fußes …“ erklärte die gesamten Münchner Maße, also nicht nur wie in dem Mandat von 1731 die Hohlmaße zur Getreidemessung, für das ganze Königreich als verbindlich und setzte damit fort, was, offenbar wenig erfolgreich, seit mindestens Anfang des 18. Jahrhunderts angestrebt worden war.

 

Das metrische Maßsystem wird eingeführt

Erst mit der Reichsgründung kam das Ende der Vielfalt des Messwesens in Deutschland. Das metrische Maßsystem wurde durch Reichsgesetz vom 16. April 1871 mit Wirkung ab 1. Januar 1872 verbindlich eingeführt.

Die amtlichen Aktivitäten wurden sofort auf das neue System umgestellt. Im Stadtarchiv ist das „Schrannen-Manual 1802 – 1892“ (17) erhalten. In diesem Archivale sind für jede Schranne (also wöchentlich) und für die vier Getreidearten Weizen, Roggen, Gerste und Hafer jeweils die Mengen an Getreide festgehalten, die zur Schranne geliefert und die verkauft wurden, sowie die Preise, die bezahlt wurden. Die Maßeinheit war zunächst der (Münchner) Schäffel. Am Anfang der Eintragungen für das Jahr 1872 findet sich die Notiz: „Vom Jahre 1872 an Maaß und Preis pro Hektoliter“.

Schwieriger und langwieriger war die Umstellung im privaten Bereich. Es gab manche Hindernisse. Die Anwendung der alten Maßeinheiten hatte eine lange Tradition; sie waren seit alters vertraut. Die neuen Einheiten mussten in Tabellen nachgeschlagen oder aus den alten umgerechnet werden. Ihre Benennungen waren ungewohnt und wirkten abstrakt gegenüber den vertrauten alten Namen.

 

Ein vielgenutztes Hilfsmittel

 

Inzwischen hat sich das metrische Maßsystem wie in Bayern nahezu weltweit durchgesetzt. In Baiern kennt man noch die Namen der alten Maßeinheiten: Zoll, Tagwerk, Unze und Schäffel. Ihre ursprüngliche Funktion ist eine geliebte Erinnerung.

 

Anmerkungen

(1)  Ich verwende die Bezeichnung Baiern wie üblich als Synonym für Altbaiern, während mit Bayern das Territorium des Königreichs gemeint ist.

(2)  Johann Andreas Schmeller: Bayerisches Wörterbuch. Dieses Werk, dessen erste Auflage 1827 – 1837 erschien, ist auch heute noch unentbehrlich für jeden, der sich für bairische Sprache, Kultur und Geschichte interessiert. Ich verwende es in der Folge häufig, ohne jedes Mal Schmellers Namen zu erwähnen.

(3)  Stadtarchiv Schrobenhausen – Darlehensvertrag zwischen Hans Will und der Dreifaltigkeitskirche Peutenhausen vom 29. September 1491

(4)  Stadtarchiv Schrobenhausen – Ratsprotokolle B 106

(5)  Stadtarchiv Schrobenhausen – Gewerbeanmeldungen Schrobenhausen A 20/8

(6)  Sammlung der neuest und merkwürdigisten Churbaierischen Generalien und Landesverordnungen, N. IX. München 1771.

(7)  Stadtarchiv Schrobenhausen – Edelshauser Getreiderechnung 1750. Bestand Schloßarchiv Sandizell, R. 31

(8)  Die Obrigkeiten waren sich des Einflusses bewusst, den der Brotpreis auf das Wohlergehen und die Stimmung in der Bevölkerung hatte.

(9)  Stadtarchiv Schrobenhausen – Ratsprotokolle B 66 und B 67

(10)  Stadtarchiv Schrobenhausen – Ratsprotokolle B 76

(11)   Hockner waren ursprünglich Händler, die ihre Ware auf der Rückentrage, der Hucke, trugen. Später wurden allgemein Kleinkrämer als Hockner bezeichnet.

(12)   Stadtarchiv Schrobenhausen – Salzakte, Akten Nr. 39, 40 und 41

(13)   Rödig, Bernhard: Wasser für die junge Stadt. In: Direktor, Max (Hrsg.): Schrobenhausen im Mittelalter. Schrobenhausen 1997

(14)   Stadtarchiv Schrobenhausen – Ratsprotokolle B 80

(15)   Stadtarchiv Schrobenhausen – Briefprotokolle 1711 – 1713

(16)   Triangulierung = Dreiecksmessung. Traditionelle Methode der Landesvermessung. Dazu wurde das Land durch ein Netz von gedachten Dreiecken überzogen, deren Eckpunkte (Trigonometrische Punkte) dauerhaft festgelegt wurden. Sie wurden so im Gelände ausgewählt, dass sie wechselseitig mit Theodoliten angepeilt werden konnten. Die Länge einer der Verbindungslinien musste mit äußerster Genauigkeit bestimmt werden. Sie war die sogenannte Basislinie des Netzes. Die Lage der weiteren Punkte konnte dann schrittweise durch (die wesentlich einfachere) Winkelmessung ermittelt werden.

(17)     Stadtarchiv Schrobenhausen – A 20/7

Literatur

  • Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik … . 2. Auflage, Stuttgart, Leipzig 1904 – 1910
  • Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Leipzig und Wien
  • 1905 ff.
  • Salz Macht Geschichte. Katalog und Aufsätze zur gleichnamigen Ausstellung. Haus der Bayerischen Geschichte. Hrsg. von Manfred Treml … – Augsburg 1995
  • Schlender, Johannes: Über das Messen von Längen vor 1872.
  • In: Restaurator im Handwerk – Die Fachzeitschrift für Restaurierungspraxis 3/2015
  • Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch. 2. Ausgabe, München 1872 –1877 (Nachdruck 1985)
  • Scholz, Günter & Klaus Vogelsang: Einheiten – Formelzeichen – Größen. Leipzig 1991
  • Stadtarchiv Schrobenhausen: Verschiedene Archivalien
  • Trapp, Wolfgang: Kleines Handbuch der Maße, Zahlen Gewichte und der Zeitrechnung. 2. Auflage, Stuttgart 1996

 

 

Fotos: Hofmann, falls nicht anders vermerkt

 




Hörzhausenen (II): Geschichte auf einen Blick

Einleitung

Hörzhausen – heute ein Ortsteil der Stadt Schrobenhausen – war von 1818 bis 1972 eine selbstständige Gemeinde mit den Ortsteilen Hörzhausen, Halsbach und Mantelberg.

Im Folgenden zunächst ein Grundgerüst der Hörzhausener Geschichte, das vor allem neugierig machen soll. Wir werden immer wieder neue – ausführlichere – Beiträge einstellen. Im Mittelpunkt steht der Ort Hörzhausen, doch wird auch die Geschichte von Halsbach und Mantelberg miteinbezogen.

Wir versuchen, die Gemeindegeschichte mit  Ereignissen der überregionalen Geschichte zu verbinden. Viele ortsbezogene Zusammenhänge sind auch für andere Gemeinden interessant.

Wir sammeln die Beiträge auf unserer Homepage unter der Kategorie „Hörzhausen“ und verlinken sie untereinander.


Vor- und Frühgeschichte

Wenn noch keine schriftlichen Quellen vorhanden sind, müssen wir unser Wissen aus Bodenfunden schöpfen. Zusammenfassende archäologische Arbeiten über Hörzhausen existieren nicht. Der Heimatforscher Georg August Reischl (1895-1972) hat sich immer wieder mit – auch Hörzhausener – archäologischen Funden beschäftigt. Viele Funde, so berichtet er, seien verschollen oder gar nicht erst als bedeutsam erkannt worden, auch aus der Zeit des Bahnbaus.

 

Steinbeil aus der Jungsteinzeit von Gut Mantelberg (aus der Chronik von Mantelberg von Georg August Reischl)

 

Dabei gäbe es sehr viel zu entdecken. Die „Liste der Bodendenkmäler“ berichtet uns über Hörzhausen von prähistorischen Siedlungen, möglicherweise bis in die Jungsteinzeit zurück, also einige hundert bis einige tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung. Auch für das Hoch- und Spätmittelalter warten weitere Fragen auf Antwort: zum Beispiel Lage und Umfang der mittelalterlichen Burg, Vorgängerkirchen zu St. Peter und St. Martin.

Zur Liste der Bodendenkmäler auf Wikipedia geht es hier. Über die Anmerkungen geht es zu den Situationsplänen.

Möglichst viele dieser Fragen zu beantworten, wäre Thema für einen Archäologen / eine Archäologin. Dazu müssten viele bereits vorhandene Informationen zusammengetragen werden, zum Beispiel aus dem Stadtarchiv. Interpretiert werden müssten die zahlreichen Funde des Forschers Bernhard Rödig, von denen sich Fotos im Stadtarchiv befinden. Das alles müsste zusammengeführt werden mit den Erkenntnissen des Landesamts für Denkmalpflege, wobei auch Luftbilder oder Reliefkarten eine Rolle spielen können. Ergebnisse wären auch von Bedeutung für den gesamten Schrobenhausener Raum – und darüber hinaus.

Vielleicht finden wir auf diesem Weg einen Autor / eine Autorin, der sich mit diesen spannenden archäologischen Fragen beschäftigen möchte.


Ortsnamen und Erstnennungen

Die  zunehmenden schriftlichen Überlieferungen bringen auch die ersten urkundlichen Nennungen unserer Orte zu Tage. Oft lassen sich frühe Nennungen nicht jahresgenau datieren. Für den früheren Landkreis Schrobenhausen gibt es ein „Historisches Ortsnamenbuch“, dem wir hier folgen. In den Jahren zwischen 887 und 895 ist ein Grundstückstausch des Edlen „Egilbert ad Heridioshusun“ nachgewiesen, der Ortsname Hörzhausen wird als Zusammensetzung des Personennamens Herideo und Haus erklärt. In den Jahren zwischen 1140 und 1150 wird Ortsadel in „Haelsbach“ erwähnt, mit einer späteren Nennung als „Haholtzpach“ kann der Ortsname als Siedlung am „Bach eines Haholt“ gedeutet werden. Und schließlich wird im Jahr 1192 „Mandelbuhele“ erwähnt, eine Siedlung an einem Hügel oder Berg mit „Manteln“, das heißt Föhren. Ob alle diese Erstnennungen und Datierungen auch neueren Forschungen standhalten, müsste geklärt werden.

Friedrich Hilble / Cornelia Baumann-Oelwein: Landkreis Schrobenhausen, München 1996 (Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Oberbayern, Band 5)


Mittelalter – Grafschaft, Klostergründer, Kirchen

Hörzhausen im Mittelalter ist nur zum Teil erforscht. Die Überlieferung an schriftlichem Material ist im Vergleich zu heute gering, umso mehr gilt es, diese wenigen Urkunden abgewogen zu interpretieren – eine Aufgabe, die noch der Bearbeitung wartet. Auch archäologische Informationen aus dieser Zeit gibt es nicht zusammenfassend. Hier einige grundlegende Informationen.

 

1011 – Grafschaft Hörzhausen

Im Jahr 1011 stellt König Heinrich II. dem Nonnenkloster Kühbach eine Urkunde aus, er verleiht darin unter anderem das Recht, Äbtissinnen und Vogt zu wählen. Das Kloster lag laut Urkunde „in comitatu Herteshusa“ – also in der Grafschaft Hörzhausen. Es gibt unterschiedliche Vermutungen, wie diese Grafschaft an der mittleren Paar ausgesehen haben könnte. Ein spannendes Thema, sich näher damit zu beschäftigen.

 

1192 Gottfried – Mitgründer des Klosters Indersdorf

Recht gut informiert sind wir aber über Gottfried von Hörzhausen, der im Jahr 1192 seinen Besitz zu Hörzhausen dem Kloster Indersdorf schenkt. Er zählt damit zu den wichtigen Gründern des Augustiner-Chorherrenstifts. Er ist in Indersdorf begraben, ein Bild im rechten Seitenschiff der Klosterkirche würdigt den Gründer durch ein Gemälde – wie ihn sich der Maler Mitte des 18. Jahrhunderts vorgestellt hat. Gottfried besaß wohl eine „Turmhügelburg“ – archäologisch wäre interessant, wo sie sich befunden und wie sie vielleicht ausgesehen hat.

Wilhelm Liebhart: Das Augustiner-Chorherrenstift Indersdorf als Grundherr im alten Landgericht Aichach, in: Altbayern in Schwaben 2013

Godefredus von Hörzhausen in der Indersdorfer Klosterkirche (rechtes Seitenschiff)

 

Kirchen

Wenig bekannt ist über die Baugeschichte der heutigen Pfarrkirche St. Martin in Hörzhausen. Netzgewölbe und Strebepfeiler im Chor deuten auf einen spätgotischen Bau des 15. Jahrhunderts. Das Kirchenschiff wurde zunächst Mitte des 18. Jahrhunderts erweitert, die heutige Form erhielt es durch eine neue Erweiterung  im Jahr 1874.

Am östlichen Ende des Dorfes stand früher das sogenannte „Peterskirchlein“, dessen Entstehung weit ins Mittelalter zurückreicht. Weil es sehr baufällig war und keine Mittel vorhanden waren, wurde es Ende des 18. Jahrhunderts abgetragen. Der weiter unten erwähnte Plan aus dem Jahr 1784 zeigt seine genaue Lage.


Dorfgmain in der Frühen Neuzeit

Vor der Gründung der modernen politischen Gemeinde gab es wenig allgemein verbindliche Regelungen in dörflichen Angelegenheiten, die Unterschiede von Dorf zu Dorf waren groß. Allgemein spricht man von der „Dorfgmain“, die bestimmte Angelegenheiten des Dorfes regeln konnte. Darunter gehören alle Wege- und Flurangelegenheiten, die Handhabung der Nutzungsrechte am Gemeindebesitz oder die Stellung der Dorfsrechnungen. Zuständig waren insbesondere die „Vierer“, in der Regel vier Dorfmitglieder. Namen kennen wir aus den Hörzhausener „Dorfsrechnungen“, die von 1653 bis 1674 überliefert sind und die sich nach langer Irrfahrt inzwischen im Schrobenhausener Stadtarchiv befinden. Für das Jahr 1660 sind für Hörzhausen folgende Vierer überliefert: Bartholomee Gebhardt, Christoph Wagner, Bartholomee Khoboldt und Hanns Gross.

 

Hörzhausener Dorfrechnung von 1660 (Stadtarchiv Schrobenhausen)

 


Hörzhausen 1700-1800

1701 – Sitz Hörzhausen

Der bayerische Kupferstecher und Topograph Michael Wening beschreibt im Jahr 1701 unter „Hertzhausen“ einen „Adeligen gefreiten Sitz“ mitten in der Ortschaft und von einem Weiher umgeben. Die Geschichte des Edelsitzes reicht bis ins Mittelalter zurück. Ein Plan von 1784 zeigt, dass er sich in unmittelbarer Nähe der Untermühle befand und der Grundbesitz nur noch gering war. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kauft der Untermüller das kleine Schlösschen und bricht es ab.

 

1706 – die ersten Hörzhausener Höfe im Bild

Vier Hörzhausener Höfe gehörten zur Hofmark Haslangkreit, darunter auch die Obermühle. Anlässlich einer Vormundschaft wird im Jahr 1706 ein „Grundt Rüs“ der Hofmark Haslangkreit erstellt, ein außergewöhnlich attraktiver Band, der sich im Stadtarchiv Schrobenhausen befindet. Neben genauen Hofbeschreibungen sind hier alle Höfe mit kleinen Zeichnungen festgehalten, auch die vier Hörzhausener Höfe, darunter die Obermühle  – die ältesten Abbildungen aus dem Dorf. Ein Vergleich zeigt, dass der Geometer hier nicht stilisiert hat, sondern sich die Skizzen wohl an der Realität orientierten.

Die Hörzhausener Obermühle im Jahr 1706 in einem Band der Hofmark Haslangkreit (Stadtarchiv Schrobenhausen)

 

1716 – Schutzengelkirche Halsbach

Im Jahr 1716 wurde in Halsbach das Schutzengelkirchlein als Stiftung des in Halsbach geborenen und in Hörzhausen tätigen Pfarrers Paul Eller (1665-1741) erbaut. Nach einem Jahrhundert war die Kirche in schlechtem Zustand, nach Diskussionen um Sanierung oder Neubau bekam der Schrobenhausener Maurermeister Joseph Lenbach, der Vater des Malerfürsten Franz von Lenbach, den Auftrag für einen Neubau. Der konnte 1826 fertiggestellt werden und war der alten Kirche weitgehend nachgebaut.

Marianne Sammer / Paul Hoser: Schutzengelverehrung im altbayerischen Halsbach. Stifter, Kirche, Bruderschaft, Benefiziaten und ihr Alltag, Hörzhausen 2005 (Pfarrei St. Martin)

 

1752 – Güterkonskription

Bis 1848 waren die meisten Bauern grundherrlich gebunden, das heißt sie waren Grunduntertanen eines Grundherrn. Bauern konnten nicht frei über ihren Hof verfügen und mussten dem Grundherrn Abgaben leisten. Die Güterkonskription von 1752 war eine flächendeckende Erfassung aller Höfe im Kurfürstentum Bayern und zeigt für Hörzhausen, wie vielfältig grundherrliche Beziehungen damals waren. Insgesamt 14 Grundherren sind nachgewiesen, viele nur mit ein oder zwei Höfen. Größter Grundherr war das Kloster Indersdorf mit insgesamt 24 Höfen (darunter auch die Untermühle und der Hof Mantelberg), dem Landesherrn gehörten 8 , der Hofmark Haslangkreit 3 Höfe. Weitere Höfe besaßen die Hofmarken Haslangkreit, Sandizell, Steingriff und die Kirche Hörzhausen. Selbsteigen waren 12 Höfe.

 

1784 – ein Plan gibt viele Geheimnisse preis

Im Jahr 1783 wurde das Chorherren-Stift Indersdorf mit päpstlicher Genehmigung durch Kurfürst Karl-Theodor aufgelöst, das Vermögen, damit auch alle grundherrlichen Rechte, an das Münchner Liebfrauenstift übertragen, das kirchlich auch für die Münchner Frauenkirche zuständig war. In diesem Zusammenhang wurden alle Besitzungen des Klosters nach Landgerichten erfasst.

Diese aufwendig und in Farbe gestalteten Bände befinden sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München. Der Band „Grundbeschreibung der zum Stifte Indersdorf gehörigen Unterthanen im Kurfürstlichen Landgericht Schrobenhausen“ gibt einen tiefen Einblick in einen Teil des Dorfes Hörzhausen, beschreibt Höfe, Felder und Wiesen, die Lage des Edelsitzes und des Peterkirchleins. Wir sehen auch die großen sozialen Unterschiede und finden bereits viele Hausnamen, die es heute noch gibt.

 

Das Hauptstaatsarchiv hat uns die Genehmigung erteilt, den Dorfplan hier zu veröffentlichen. Wir werden ihn ausführlich kommentieren. Wir wollen noch nicht zu viel verraten, man darf gespannt sein.

 


Hörzhausen 1800-1918

Die Zeit um 1800 ist für Bayern voller grundlegender Umbrüche: Im Zeitalter der Napoleonischen Kriege verbündet sich Bayern mit Napoleon. Säkularisation und Mediatisierung (1802-1806) – die Auflösung der Klöster sowie die Eingliederung der bislang direkt dem Reich unterstandenen Territorien wie der Hochstifte oder Reichsstädte – führen zu einem enormen Besitz- und Gebietszuwachs für das Kurfürstentum. Für Hörzhausen bedeutet das: Alle Untertanen des ehemaligen Klosters Indersdorf werden nun landesherrliche Untertanen. Im Jahr 1806 erlischt das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“, Bayern wird in diesem Jahr „Königreich“. Unter den zahlreichen Reformen finden wir auch die Bildung einer modernen Gemeinde.

 

1818 – Gemeindebildung

Als Geburtsstunde der modernen Gemeinde in Bayern gilt das Jahr 1818. In diesem Jahr wurde ein Gemeindeedikt erlassen, das den neu gebildeten Gemeinden genau definierte Aufgaben übertrug. Die Gemeinde Hörzhausen wurde gebildet aus den Dörfern Hörzhausen (88 Familien), Halsbach (15 Familien) und dem Hof Mantelberg (1 Familie). In dieser Form existiert die Gemeinde bis 1972. Die ländlichen Gemeinden hießen bis 1834 Ruralgemeinden, dann Landgemeinden. An der Spitze einer Landgemeinde stand der „Gemeindevorsteher“, erster Gemeindevorsteher der neu gebildeten Gemeinde ist der Gütler Thomas Rail aus Hörzhausen.

 

 

Beschlüsse werden von zwei verschiedenen Gremien gefasst: zum einen vom Gemeindeausschuss, der dem heutigen Gemeinderat ähnlich ist, zum anderen von der Gemeindeversammlung, der Versammlung der „wirklichen Mitglieder der Gemeinde“, wie die Gemeindebürger noch genannt wurden. Gemeindemitglieder in diesem Sinne waren nur – männliche – Bewohner, die zu einer Steuer veranlagt wurden, Inwohner wie Dienstboten und Arme waren von der Mitwirkung ausgeschlossen. Die Gemeindeversammlung musste zum Beispiel einberufen werden, wenn es um finanzielle Angelegenheiten der Gemeinde ging.

Wichtige Aufgaben der Gemeinden waren die Verwaltung des Gemeindevermögens, die Aufnahme von Bürgern, die Mitwirkung bei der Zulassung von Gewerben und Schulangelegenheiten, die Armenpflege sowie die Ortspolizei.

 

1821  Bau der ersten Schule

Im Jahr 1802 wird in Bayern die allgemeine Schulpflicht eingeführt. Auch vorher wurde in Hörzhausen schon Schule gehalten. Im Jahre 1821 wurde ein „Schul- und Mesnerhaus“ erbaut. Im Erdgeschoss wohnte der Lehrer, das Lehrzimmer befand sich im ersten Stock. Da der Lehrer zugleich als Mesner tätig war, übernahm die Pfarrkirchenstiftung drei Viertel der Kosten, die Gemeinde trug ein Viertel. Als ständiges Gehalt nahm der Lehrer jährlich 109 Gulden an Schulgeld ein, als Mesner verdiente er 132, als Cantor 10 und als Gemeindeschreiber 3 Gulden. Mit der „Special-Schul-Statistik“ der Landgemeinde Hörzhausen 1833 erhalten wir sehr umfangreiche Informationen über das Hörzhausener Schulwesen: über Schulhausbau, Schülerzahlen, Klassen, Unterricht, Lehrerbesoldung – wir werden noch näher darauf eingehen. Da die Schülerzahl wuchs, musste im Jahr 1880 ein neues Schulhaus gebaut werden. Der weitere Neubau aus dem Jahr 1912 beherbergt heute den Kindergarten.

 

Special-Schul-Statistik der Landgemeinde Hörzhausen 1833

 

1848 – Aufhebung der Grundherrschaft.

Jahrhundertelang waren die meisten Bauern einem Grundherrn verpflichtet, im Jahr 1848 wird diese Grundherrschaft aufgehoben. Die Bauern werden nun Alleineigentümer ihres Hofes, sie müssen dafür jedoch eine nicht unbeträchtliche Ablösesumme zahlen. Da diese Summen für viele Bauern zu hoch waren, wurden sie in Bodenzinszahlungen umgewandelt, die oft noch Jahrzehnte lang die Höfe belasteten.

 

1862 – Gericht und Verwaltung werden getrennt.

Die Aufgaben der alten Landgerichte werden aufgeteilt: Verwaltungsaufgaben übernehmen die Bezirksämter (ab 1939 Landratsämter genannt), für die Beurkundung von Verträgen werden die Notariate gegründet. Hörzhausen korrespondiert also in Verwaltungsangelegenheiten mit dem „Koeniglichen Bezirks-Amt Schrobenhausen“, für die Beurkundung von Verträgen sind Notare in Schrobenhausen zuständig. Das Landgericht Schrobenhausen (ab 1879 Amtsgericht) übt die Rechtsprechung aus.

 

 

1868 – Gewerbefreiheit

Bis zu diesem Jahr war der Zugang zu gewerblichen Tätigkeiten in Bayern stark eingeschränkt, zunächst von Zünften reguliert, später nur durch Konzession zum Beispiel des Landgerichts möglich. Ab 1868 werden Gewerbeausübungen in Bayern weitgehend freigegeben. Gemeinden führen nun Gewerbe-Anmelderegister. Für Hörzhausen sind diese Register ab dem Jahr 1887 überliefert. Die erste Anmeldung vom Februar 1887 lautet: „Zeislmaier, Nikolaus, Hörzhausen Haus Nr. 62, Kleinkrämerei, Mehl- und Brothandel, ohne Gehilfen“.

 

1869 – Neue Gemeindeordung

Diese neue Gemeindeordnung bringt viele Neuerungen. Um sich in Gemeindeangelegenheiten beteiligen zu können, benötigt man nun das „Bürgerrecht“. Das muss beantragt werden und ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Aus dem „Gemeindevorsteher“ wird nun der Bürgermeister.

 

1871 – Gründung Deutsches Reich

Am 18. Januar 1871 wurde nach dem deutsch-französischen Krieg das deutsche Kaiserreich ausgerufen, dem nun auch Bayern angehörte. Für Bayern änderte sich in vielen Bereichen nur wenig, da es sich zahlreiche Reservatrechte gesichert hatte. Am augenfälligsten für Hörzhausen: Nach dem „Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung“ von 1875 wurde die staatliche Beurkundung von Geburten, Heiraten und Sterbefällen verpflichtend. Die Gemeinde Hörzhausen erhält nun ein eigenes Standesamt.

 

1875 – Bahnanschluss

Lange geplant, im Jahr 1875 eröffnet: die Bahnstrecke Augsburg – Ingolstadt, später auch als Paartalbahn bezeichnet. Im ersten Fahrplan finden wir Hörzhausen vergeblich, denn erst im Jahr 1888 erhält Hörzhausen eine eigene Haltestelle: „Mit dem 10. Juli laufenden Jahres wird die Haltestelle Hörzhausen zwischen Schrobenhausen und Radersdorf für die Abfertigung von Personen, Reisegepäck und Hunden eröffnet“, heißt es wörtlich im „Verordnungs- und Anzeige-Blatt für die Königlich-Bayerischen Verkehrs-Anstalten“.

 

Hörzhausener Bahnhof im Jahr 1925 (aus einer Mappe im Stadtarchiv). Übertragung: „Karte vom Bahnhof. Leonhard, Maria, Joseph, Kaspar  Wintermayr, Johann Endres, Sophie Wintermayr“.

 

1882 – Leinfelderkanal

In den Jahren 1882 bis 1884 wird das größte wasserbauliche Projekt des 19. Jahrhunderts im Raum Schrobenhausen realisiert: der sogenannte Leinfelderkanal. Der Kanal beginnt in Hörzhausen und endet an der Leinfelder’schen Papierfabrik in Schrobenhausen. Er verfolgte zwei Hauptziele: Eine bessere Nutzung der Wasserkraft durch die Papierfabrik, eine bessere Entwässerung der angrenzenden Grundstücke. Leinfelder musste sich verpflichten, den Kanal zu unterhalten und den Landwirten durch Brücken den Zugang zu ihren Grundstücken zu ermöglichen.

 

1900 – Hörzhausen um 1900

Das Ortschaftenverzeichnis von 1904 gibt uns statistisch genaue Auskunft über die Gemeinde Hörzhausen. Die Gemeinde hat insgesamt 540 Einwohner, alle katholisch, 127 Wohngebäude. Der Viehbestand der Gemeinde umfasst 68 Pferde, 719 Stück Rindvieh, 144 Schafe, 402 Schweine und 9 Ziegen. Das Dorf Hörzhausen hat 473 Einwohner und 113 Wohngebäude, eine katholische Schule und eine landwirtschaftliche Fortbildungsschule, eine Bahnstation und eine Postagentur. Das Dorf Halsbach hat 56 Einwohner und 13  Wohngebäude und gehört zur Pfarrei und Schule nach Hörzhausen. Der Hof Mantelberg hat 1 Wohngebäude und 11 Einwohner, er gehört zur Pfarrei und Schule nach Schrobenhausen.

 

Postkarte von Hörzhausen um 1910 mit altem Schulhaus (aus einer Mappe im Stadtarchiv)

 


 

Hörzhausen 1919-1972 (wird bearbeitet)


Hörzhausen seit 1972 (wird bearbeitet)

 


Bisher erschienen:

Hörzhausen (I): Eine Chronik entsteht

Hörzhausen (II): Geschichte auf einen Blick

Hörzhausen (III): Geschichte der Feuerwehr 1873-1900

Hörzhausen (IV): Historische Ansichtskarten

 

 

 




Hörzhausen I: Eine Chronik entsteht

Philipp Apian 1568

 

Hörzhausen – eine Chronik entsteht

Vorbemerkung

Dieser Beitrag ist ein einleitender Artikel für die im Lauf der Zeit folgenden Bausteine zur Geschichte Hörzhausens. Er gibt einen kurzen Überblick, stellt spannende Fragen, die neugierig machen sollen. Es werden immer wieder neue Beiträge online gestellt, regelmäßige zeitliche Abstände können wir nicht einhalten. Wir bilden auf unserer Homepage eine „Kategorie: Hörzhausen“, unter der alle Artikel abgerufen werden können.

Von diesem Artikel hier verlinken wir auf alle vorhandenen und neu eingestellten Artikel. Wenn man den Link speichert, erhält man gleichzeitig eine Übersicht der vorhandenen oder neu eingestellten Artikel.

 

Die bereits eingestellten Beiträge: 

• Hörzhausen (2): Geschichte auf einen Blick (2. 4. 2024) hier

• Hörzhausen (3): Die Feuerwehr 1873 bis 1900  (7. Juli 2024) hier

• Hörzhausen (4):  Historische Ansichtskarten (10. Juli 2024) hier

 

Die nächsten geplanten Beiträge:

• Die Bildung der Gemeinde 1818

• Die Dorfbeschreibung von 1784

• Dorfleben in Erzählungen und Erinnerungen

 

Antworten auf spannende Fragen

Nur wenige Dörfer können auf eine so vielfältige und interessante Geschichte zurückblicken wie Hörzhausen. Vorchristliche Siedlung – Grafensitz – Mitgründung eines Klosters – Edelsitz sind nur einige Stichpunkt aus der älteren Zeit. Im Lauf der Jahre wurde umfangreiches Material zur Geschichte zusammengetragen, darunter außergewöhnlich interessantes Bildmaterial: zunächst von Hannes Geiger, dann über viele Erzählabende und Interviews auch von mir. Die Sammlungen zur Geschichte Hörzhausens befinden sich inzwischen alle im Schrobenhausener Stadtarchiv, das neben dem alten Hörzhausener Gemeindearchiv eine eigene stattliche Fotodokumentation zu Hörzhausen besitzt, die bis 1909 zurückreicht.

Daraus eine zusammenhängende Chronik zu erstellen, wäre wünschenswert, ist aber zeitaufwendiger, als viele denken, nicht zuletzt weil fast alle scheuen, sich die so genannte „alte deutsche Schrift“ anzueignen. Bevor das vorhandene Material nur in Schubladen liegt, wollen wir beginnen, einzelne „Bausteine“ der Gemeindechronik zu präsentieren. Zusammen mit dem außergewöhnlichen Bildmaterial ist eine reiche Bebilderung möglich.

 

Wir hoffen, zum Beispiel auf viele der folgenden spannenden Fragen eine Antwort bieten zu können:

  • Wie können wir uns die vermuteten vorgeschichtlichen Siedlungen vorstellen?
  • Gibt es dazu archäologische Befunde auf Luftbildern und Reliefkarten?
  • Gibt es neue Erkenntnisse bezüglich der Erstnennungen der Ortsnamen?
  • Wie müssen wir uns die Grafschaft Hörzhausen vorstellen?
  • Gottfried von Hörzhausen als Mitgründer des Klosters Indersdorf
  • Wo lag die vermutete Turmhügelburg?
  • Hörzhausen als Edelsitz
  • Was macht die Dorfgmain von Hörzhausen?
  • Eine Beschreibung von 1784 löst viele Rätsel
  • Säkularisation 1802 – aus Klosterbesitz wird Staatsbesitz
  • Wie ging die Gemeindegründung 1818 vor sich?
  • Wie entwickelt sich die Hörzhausener Schule?
  • Was sagt uns die „Agrikole Statistik“ von 1830?
  • Was beschäftigt den „Gemeinderat“ 1850?
  • Hörzhausen und die Gründung des Deutschen Reichs 1871
  • Welche statistische Daten gibt es im 19. Jahrhundert?
  • Wann gab es die ersten Protestanten?
  • Hörzhausener Wahlergebnisse Ende des 19. Jahrhunderts
  • Novemberrevolution 1918 – Hörzhausen wird demokratisch
  • Hörzhausen und die galoppierende Inflation 1923
  • Wie stark sind die Nationalsozialisten vor 1933?
  • Die Gemeindeordnung 1935 und die völlige Gleichschaltung
  • Hörzhausen und der Zweite Weltkrieg
  • Neubeginn und Wiederaufbau
  • Bevölkerungsexplosion durch Flüchtlinge und Vertriebene
  • Was beschäftigt den „Gemeinderat“ 1950?
  • Hörzhausen wächst
  • Arbeitsgelegenheiten: zunehmend Auspendler, wo arbeiten sie?
  • Flurbereinigung – grundlegende Änderungen der Agrarstruktur
  • 1972 – Hörzhausen wird Ortsteil von Schrobenhausen
  • Spannende Entwicklungen bis zur Gegenwart

Die Liste könnte fortgesetzt werden.

 

Dorfleben in Erinnerungen

Ergänzt werden die historischen Ausführungen durch Erinnerungen – zusammengestellt von einigen „Erzählabenden“, die anhand von mitgebrachten Fotos Erinnerungen wachriefen, und von Gesprächen mit Dorfbewohnern. Die Themen spiegeln das Alltagsleben Hörzhausens vor allem in den 1950er und 1960 Jahren, es geht um Themen wie:

Wasserversorgung –  Brunnen – Tagesablauf – Hüten – Lebensmittel – Dreschen – Milchsammelstelle – Butter – Hochwasser – Kirchenwacht – Lichtmess – Wirt – und vieles mehr.

 

 

Der Alte Wirt 1909

 

Bisher erschienen:

Hörzhausen (I): Eine Chronik entsteht

Hörzhausen (II): Geschichte auf einen Blick

Hörzhausen (III): Geschichte der Feuerwehr 1873-1900

Hörzhausen (IV): Historische Ansichtskarten




Die Schrobenhausener Papiermühle und ihre Wasserzeichen

Die Schrobenhausener Papiermühle und ihre Wasserzeichen

500 Jahre Papier aus Schrobenhausen – in wenigen Jahren wird es soweit sein. Damit gehört die heutige Papierfabrik Leinfelder, kurz LEIPA, einer der größten Papierhersteller in Deutschland, zu den wenigen Betrieben mit so langer Tradition. Gegründet wurde sie als Papiermühle im Jahr 1535. Mechtild und Hans-Georg Hofmann aus Schrobenhausen haben die ältere Geschichte der Papiermühle und ihre Wasserzeichen umfassend erforscht. Wir bringen hier erste Auszüge aus der umfangreichen Materialsammlung, die sich inzwischen im Stadtarchiv Schrobenhausen befindet.

 

Städtische Papiermühle

Die Geschichtsschreibung der Papierfabrik beruft sich zunächst auf  Michael Leinfelder, der die Papiermühle im Jahr 1847 kaufte. Dessen Sohn Georg Leinfelder baute den Betrieb zu einer Fabrik aus, die bald überregional Absatz fand und die zunehmend Papier aus Holzschliff herstellte.

Doch – und das ist wenig bekannt – war sie zuvor über 300 Jahre eine städtische Papiermühle. Die Stadt Schrobenhausen erbaute die Papiermühle im Jahr 1535, betrieb sie aber nicht selbst, sondern „verstiftete“ sie an Hanns Frieß. Das Wort „verpachtet“ würde den Kern der Sache nicht treffen. Mit dieser „Stift“ entstand ein „grundherrliches“ Verhältnis zwischen „Bürgermeister und Rat der Stadt Schrobenhausen“ und dem jeweiligen Papiermüller, der ein jährliches Stiftgeld reichen musste. Die Stadt besaß das „Obereigentum“, der Papiermüller das „Nutzeigentum“. Diese heute schwer nachvollziehbare Aufspaltung des Eigentumsbegriffs wurde in Bayern erst mit dem Gesetz über die Aufhebung der Grundlasten im Jahr 1848 aufgehoben. Gegen einen Ablösungsbetrag ging die Papiermühle dann in das freie Eigentum des Papiermüllers Michael Leinfelder über.

Bäckermess-Rechnung 1551 im Stadtdarchiv Schrobenhausen mit Schrobenhausener Wasserzeichen

 

Hadernpapier – Papier aus Lumpen

Die städtische Papiermühle stellte „Hadernpapier“ her. Ausgangsstoffe waren Textilfasern, vorwiegend Flachs- und Hanffasern. Lumpensammler zogen durchs Land auf der Suche nach abgetragenen Kleidungsstücken und Textilien und boten sie den Papiermüllern an. Der Rohstoff wurde zerkleinert, eingeweicht und dann in einem Stampfwerk zerstoßen, das durch Wasserkraft angetrieben wurde. Der verdünnte Faserbrei wurde in Bütten – Holzbottiche – gegeben, von dort wurden die Bögen mit einem Sieb „geschöpft“ und anschließend getrocknet. Das so hergestellte Papier war im Vergleich zur heutigen Zeit sehr teuer, ist aber extrem widerstandsfähig.

 

„Der Papyrer“ (Ausschnitt, aus Jost Ammans Ständebuch 1568)

 

Gezeigt wird diese historische Papierherstellung zum Beispiel im Klostermühlenmuseum Thierhaupten (www.klostermuehlenmuseum.de). Hier finden sich auch mehr Ausführungen zur Papierherstellung.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Hadernpapier von Holzschliffpapier verdrängt, das aus fein zermahlenem Holz hergestellt wurde.

 

Albrecht Dürer auf Schrobenhausener Papier

Der Absatzgebiet des Schrobenhausener Papiers erstreckte sich weit über unsere Region hinaus. Wir finden Schrobenhausener Papier natürlich bei der Stadt Schrobenhausen selbst, bei der Pfarrei und dem Landgericht, im Schlossarchiv Sandizell, dann in nahen oder  weiter entfernten Gerichten wie Aichach, Neuburg, Abensberg, Wemding, Deggendorf und Straubing, in den Städten Ingolstadt und Regensburg, in den Hochstiften Eichstätt und Freising, in den Klöstern Scheyern und Metten. Eine Liste, die sich sicher verlängern ließe.

Weitgehend unbekannt ist die Tatsache, dass es auch Drucke von Albrecht Dürer auf Schrobenhausener Papier gibt. Da Dürer 1528 in Nürnberg verstorben ist, die Schrobenhausener Papiermühle erst 1535 gegründet wurde, handelt es sich dabei um zeitgenössische Nachdrucke. Nachgewiesen hat das schon B. Hausmann in seiner Arbeit über Dürers Kupferstiche aus dem Jahr 1861. Auch bei Antiquariaten werden solche Drucke hin und wieder angeboten. Dieses Thema ist spannend, es würde sich lohnen, hier näher nachzuforschen.

B[ernhard] Hausmann: Albrecht Dürer’s Kupferstiche. Radirungen, Holzschnitte und Zeichnungen, unter besonderer Berücksichtigung der dazu verwandten Papiere und deren Wasserzeichen, Hannover 1861 (Schrobenhausen Seiten 6, 17, 25, 29, 30, 39, 72, 78. Ein Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek gibt es hier).

Schrobenhausener Stadtkammer-Rechnungen aus dem 18. Jahrhundert

 

Forschungsprojekt Mechtild und Hans-Georg Hofmann

Mechtild und Hans-Georg Hofmann haben sich intensiv mit verschiedenen Aspekten der Schrobenhausener Geschichte beschäftigt und alle Forschungsergebnisse dem Stadtarchiv überlassen, darunter fünf Leitzordner unter dem Projektnamen „Hadern“. Sie haben dazu hunderte städtischer Protokolle und Rechnungen ausgewertet, auch im Pfarrarchiv recherchiert. So konnten zahlreiche Dokumente zur Schrobenhausener Papiergeschichte zusammengetragen, transkribiert und kommentiert werden.

Das Markenzeichen der alten Papiermühlen war das Wasserzeichen, über das man die Herkunft der Papiere nachvollziehen kann. Für die Schrobenhausener Papiermühle war das Stadtwappen durch den ausgestellten Stiftbrief verbindlich festgelegt. Angetan vom Reiz dieser nur im Gegenlicht sichtbaren Zeichen haben Mechtild und Hans-Georg Hofmann in den Jahren 2016 bis 2017 rund 900 Wasserzeichen fotografisch festgehalten, darunter auch einige von auswärtigen Papiermühlen.

Max Direktor

 

Mechtild und Hans-Georg Hofmann

Die Papiermühle in Schrobenhausen und ihre Wasserzeichen

Wir präsentieren hier eine Dokumentation zur Geschichte der Papiermühle und ihren Wasserzeichen und hoffen, auch weitere interessante Informationen dazu liefern zu können, die das hier gezeigte Gerüst mit Leben erfüllen. Diese Dokumentation finden Sie als PDF hier. 

 

Frühes Schrobenhausener Wasserzeichen aus dem Jahr 1544




Familien- und Heimatforscher – offener Stammtisch für alle

Stammtisch Familien- und Heimatforscher – offen für alle

Der offizielle Name klingt inzwischen eigentlich zu bescheiden, denn die „Familien- und Heimatforscher Schrobenhausener Land“ haben Interesse weit über die Landkreisgrenzen hinaus geweckt, auch aus umliegenden Großstädten kommen Gäste und Referenten, die Lokalzeitungen berichten regelmäßig, auch TV Ingolstadt kommt gerne.

Eine wichtige Quelle für Familien- und Heimatforscher: die Briefprotokolle, die nicht nur vom Landgericht, sondern auch von Städten und Hofmarksgerichten geführt wurden. Sie dokumentieren u. a. Käufe von Häusern und Grundstücken, Hofübergaben, Eheverträge, Testamente und gelten somit als Vorläufer der Notariatsurkunden.

 

Forscher-Stammtisch – inzwischen der größte in Bayern

Als Forscherstammtisch sieht sich die Gruppe um Anna Probst, ein Verein hätte zu viel bürokratischen Aufwand erfordert. Sechs- bis achtmal pro Jahr treffen sich Interessenten in Lampertshofen zu Vorträgen, zum Erfahrungsaustausch, zur gegenseitigen Unterstützung und zu gemütlichem Zusammensein unter Gleichgesinnten. Dabei wird auch Neulingen oder weniger Erfahrenen der Einstieg in die Forschungstätigkeit erleichtert, z. B. durch Schreib- und Leseübungen. Daneben werden Exkursionen organisiert, sie führten zum Beispiel in umliegende Stadtarchive, in die Schlösser Neuburg und Sandizell und verschiedene Bibliotheken, ins Vermessungsamt Pfaffenhofen und Bistumsarchiv Augsburg.

Der Stammtisch ist inzwischen wohl der größte seiner Art in Bayern, rund 130 Adressen von Interessenten sind in der Mailingliste verzeichnet, rund 60 bis 90 Besucher kommen zu den Vortragsabenden – den Rekord hält ein Vortrag über die HIAG in Schrobenhausen mit 141 Besuchern.

Wie vielfältig die Themen und Tätigkeiten sind, lässt auch die Rubrik „Rückblick“ auf der Homepage des Stammtisches erkennen.

Das Programm ist ambitioniert und wird von vielen hochrangigen Referenten getragen, wie das hier präsentierte Jahresprogramm 2024 zeigt:

 

 

Wie alles begann

Im Herbst des Jahres 2000 traf sich auf Initiative der Familien- und Heimatforscher Anna Probst, Josef Ilg und Josef Huber eine kleine Gruppe Gleichgesinnter aus der Gegend um Schrobenhausen zu einem Gedanken- und Informationsaustausch. Dieses Treffen führte zur Gründung der Interessengemeinschaft Familien- und Heimatforscher Schrobenhausener Land. Seither ist der Interessentenkreis Jahr für Jahr gewachsen – und reicht inzwischen weit über die Landkreisgrenzen hinaus. Seit über 10 Jahren wird der Stammtisch von Anna Probst in Autenzell organisiert – unterstützt durch zahlreiche Stammtischmitglieder.

 

Kontakt und Homepage

Willkommen zu den Vortragsabenden ist jeder, der an den angebotenen Themen Gefallen findet. Die Teilnahme ist – abgesehen von 5 € jährlichem Unkostenbeitrag – kostenlos, eine Voranmeldung ist nicht erforderlich.

Homepage: Einen Überblick über die Tätigkeit und einen Rückblick auf das breite und reichhaltige Programm der letzten Jahre bietet die Homepage

http://www.ahnenforscher-schrobenhausener-land.de.

Hier finden sich auch Links zu den Berichten von TV Ingolstadt.

 

Veranstaltungsort: Gasthaus Felbermaier, Schützenstraße 4, 86562 Lampertshofen (Gemeinde Berg im Gau, Landkreis Neuburg-Schrobenhausen)

Kontaktadresse: Anna Probst

anna.probst@gmx.de
… oder einfach anrufen unter 08252 / 6043

 

Projekt Sterbebilder

Der Forscherstammtisch beteiligt sich sehr engagiert am Sterbebilderprojekt des Bayerischen Landesvereins für Familienkunde (BLF). Dort sind inzwischen rund 1,2 Millionen Sterbebilder erfasst worden, der Stammtisch hat einen hohen Anteil an diesem Erfolg. Seit 2013 hat Anna Probst (Administratorin beim Sterbebildprojekt) einen Durchzugsscanner vom BLF, daher besteht jederzeit die Möglichkeit, bei den Treffen oder auf Anfrage Sterbebilder einzuscannen.

Sterbebilder bieten nicht nur zahllose familien- und ortsgeschichtliche Informationen, sie spiegeln Erinnerungskultur und Volksfrömmigkeit, bieten aber auch zeitgeschichtliche Bezüge über die Sterbebilder der Gefallenen der Weltkriege. Familienforscher bedauern, dass in den letzten Jahren auf den Sterbebildern keine Geburts- und Sterbeorte mehr angegeben werden, was Recherchemöglichkeiten enorm erschwert.

 

Forschungsmöglichkeiten für Landkreis und Region

Für unseren Landkreis wurden bisher außergewöhnlich viele Sterbebilder eingescannt. Eine zahlenmäßige Abschätzung ist schwierig, es werden auf jeden Fall „Zehntausende“ sein. Gespeichert sind die Scans beim Landesverein für Familienkunde

Bayerisches Sterbebilderprojekt | Bayerischer Landesverein fuer Familienkunde e.V. (blf-online.de)

Die Recherche ist für jedermann und über alle gescannten Bilder möglich, die auf den Bildern befindlichen Daten werden für alle zur Verfügung gestellt. Mitglieder des Landesvereins können auch Scans der Bilder erhalten, allerdings nur von Bildern vor 1953 – wegen der Urheberrechte an der Bildgestaltung.

 

 

 

 

 

 




Ortschaftenverzeichnisse als hervorragende lokalgeschichtliche Quelle

Ortschaftenverzeichnisse gehören zu den bedeutendsten orts- und sozialgeschichtlichen Quellen. Sie wurden von 1877 bis 1991 zunächst vom Königlich Bayerischen Statistischen Bureau, ab 1920 vom Bayerischen Statistischen Landesamt herausgegeben. Sie enthalten nicht nur Daten zu den einzelnen Gemeinden, sondern auch zu deren Ortsteilen, also den einzelnen Dörfern, Weilern und Einöden. Alle diese Ortschaftenverzeichnisse sind inzwischen online nutzbar.

Beispiel 

Volkszählung 1900 (Ortschaftenverzeichnis 1904)

Abkürzungen

Gem. = Gemeinde, Ldg. = Landgemeinde, Pfd. = Pfarrdorf, D. = Dorf, E. = Einöde, W. = Weiler

Einw. = Einwohner, Wgb. = Wohngebäude, ha = Hektar

Pf. = Pfarrei, K. = Katholiken,  k. = katholisch, Pr. = Protestanten, pr. = protestantisch, Dek. = Dekanat

P. = Pferde, Rv. = Rindvieh, Schw. = Schweine, Sch. = Schafe, Z = Ziegen

Ausführliche Abkürzungsverzeichnisse befinden sich am Anfang des jeweiligen Bandes.

Bezeichnungen

Die Benutzung wird vereinfacht, wenn man sich mit folgenden Informationen vertraut macht.

Bezirksämter (seit 1862) waren die unteren staatlichen Verwaltungseinheiten, sie wurden 1939 in „Landkreise“ umbenannt.

Kreise (seit 1808) waren die regionalen Verwaltungseinheiten, sie wurden 1939 in Regierungsbezirke umbenannt.

Kreisunmittelbare (auch unmittelbare) Städte waren größere oder bedeutendere Städte, die direkt dem „Kreis“ unterstanden und nicht einem Bezirksamt (für unseren Landkreis nur die Stadt Neuburg).

Kreisfreie Städte: Nach der Umbenennung der Bezirksämter in Landkreise Städte, die nicht direkt dem Landkreis untergeordnet („kreisfrei“) waren, sondern dem Regierungsbezirk.  Für unseren Landkreis nur die Stadt Neuburg, die von 1940 bis 1948 nicht kreisfrei war und seit 1972 nicht mehr ist.

 

Kreisunmittelbare bzw. kreisfreie Städte werden in den Bänden unter eigenem Gliederungspunkt aufgeführt.

 

Zugehörigkeit zu Regierungsbezirken

Das Bezirksamt bzw. der Landkreis Neuburg gehörte bis 1972 zum Kreis bzw. Regierungsbezirk Schwaben. Das Bezirksamt bzw. der Landkreis Schrobenhausen gehörte durchgehend zu Oberbayern. Seit 1972 gehört der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zu Oberbayern.

 

Bayernweite Daten

Im ersten Teil finden wir jeweils bayernweite statistische Überblicke, eine Übersicht der Hof- und Staatsverwaltung und der Ministerien, dabei auch eine Übersicht über die Distriktsgemeinden, die Organisation des Schulwesens, über die staatlichen Behörden wie Amtsgerichte, Rent- bzw. Finanzämter, Vermessungsämter, die Gliederung der Bayerischen Armee (vor 1918) – und für die Recherche wichtig: auch die territorialen Änderungen der einzelnen Bezirksämter bzw. Landkreise. Außerdem finden sich in den Ortsverzeichnissen ab 1928 Karten zur Verwaltungsgliederung Bayerns.

 

Lokale Informationen

Das findet man zum Beispiel  in den Ortschaftenverzeichnissen (nicht alle genannten Daten wurden durchgehend erhoben):

  • Gemeinde mit allen Ortsteilen (Dörfer, Weiler, Einöden)
  • Gebietsgröße
  • Einwohnerzahlen (auch Konfessionen)
  • Zahl der Gebäude
  • Viehstand: Pferde, Kühe, Schweine, Schafe, Ziegen
  • Zugehörigkeit zu Pfarreien und Schulen
  • Bahnstationen und Postagenturen

 

Ortsregister

Das ausführliche Ortsregister listet alle Orte Bayerns auf und ermöglicht das Auffinden im jeweiligen Band. Es erleichtert auch das Auffinden von unbekannten Orten bzw. Orten ähnlicher oder gleicher Schreibweise.

 

Bände

Die einzelnen Bände der Ortschaften- bzw. Ortsverzeichnisse werden über die Bayerische Landesbibliothek Online zur Verfügung gestellt …. hier

Dort findet sich auch eine ausführliche Darstellung der statistischen Erhebungen und ihrer wissenschaftlichen Bedeutung.

 

Folgende Bände sind erschienen (Datenerhebung, in Klammer Erscheinungsjahr):

1875 (1877), 1883/85 (1888), 1900 (1904),  1925/28 (1928), 1959/52 (1952), 1961(64 (1964), 1970/73 (1973), 1970/78 (1978), 1987/90 (1991).

 

Bedeutung

Die Landesbibliothek Online schreibt über die wissenschaftliche Bedeutung der Ortsverzeichnisse:

„Die amtlichen Ortsverzeichnisse stellen mit ihren umfassenden statistischen Daten eine umfangreiche und zugleich äußerst verlässliche Quelle zur Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung der jüngeren bayerischen Landesgeschichte und der Zeitgeschichte dar.

Darüber hinaus sind die früheren Ortsverzeichnisse bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wegen ihrer detaillierteren und teils umfangreichen Statistiken eine wichtige Quelle für die bayerische Wirtschafts-, Sozial- und Religionsgeschichte.

Schließlich leisten die amtlichen Ortsverzeichnisse als Nachschlagewerke nicht nur für Ortsnamenforscher, sondern auch für jeden an der jüngeren bayerischen Verwaltungs- und Ortsgeschichte Interessierten unverzichtbare Dienste.“

 

 

 

 




Joseph Sattler – Grafiker und Illustrator

Ein Grafiker zwischen Vergessen und Wiederentdeckung?

»Ich sehe für ihn eine Karriere voraus gleich jener von Aubrey Beardsley, dem Illustrator von King Arthur, dessen Genie mit dem seinen verwandt ist. … Es ist merkwürdig festzustellen, daß zwei ähnliche Begabungen gleichzeitig sich entfalten«, schreibt 1895 Friedrich Warnecke, der Begründer des Berliner Ex-libris­Vereins.«1

»Man kann die modernen Exlibris schier in zwei Klassen ordnen: erstens Sattler, und zweitens alles Übrige«, urteilt um die Jahrhundertwende der Kunstkritiker Kühl. 2»Seine 19 Zeichnungen sind von einer unbestreitbaren Originalität geprägt«, anerkennt die gewöhnlich mit Lob nicht gerade großzügig umgehende französische Kunstzeitschrift » L‘Art« nach einer 1893 stattfindenden Ausstellung im »Salon de Paris«, der den damals gerade 26jährigen Künstler mit einer »mention honorable« auszeichnet.3

 

Josef Sattler, Monogramm, Radierung, 11,5 x 9,5 cm, ca. 1924

Josef Sattler, Monogramm, Radierung, 11,5 x 9,5 cm, ca. 1924

Den, von dem hier die Rede ist, dem eine Zukunft wie Beardsley prophezeit wurde, sucht man heute in Konversationslexika und Kunstenzyklopädien vergeblich. Joseph Kaspar Sattler (1867- 1931) ist vergessen. Zu Recht oder zu Unrecht? Hielt das zeitgenössische Urteil einer Betrachtung aus der Distanz nicht stand, oder hatte eine schnellebige Zeit einfach keinen Platz für diesen Außenseiter? War es zu umständlich, eine passende Schublade für ihn zu finden, die ihn uns im Karteitrog der Klassifizierten und Eingeordneten in die Gegenwart hinübergerettet hätte? Diese Fragen können und sollen hier nicht eindeutig beantwortet werden. Vielleicht aber findet sich zu ihrer tiefergehenden Klärung doch einmal ein Kunsthistoriker, der Sattler eine Monographie widmet, oder ein Studierender der Kunstgeschichte, der – Modetrends hinter sich lassend – ihn als Thema seiner Abschlußarbeit für würdig befindet. [Anmerkung 2023: Das ist zwischenzeitlich geschehen] Reiches Material hierzu böte die Sattler­Sammlung der Stadt Schrobenhausen, die seit 1978 im historischen Hartl-Turm an der Wehrmauer untergebracht ist.4 [Anmerkung 2023: Die Schrobenhausener Sattler-Sammlung ist seit Jahren im Depot und der Öffentlichkeit nicht zugänglich]

Wenn auch eine Würdigung des Sattlerschen Œuvres aus heutiger Sicht also noch aussteht, so kann dennoch zweifelsfrei festgestellt werden, daß sich eine Beschäftigung mit diesem »Zeichner, Graphiker, Illustrator und Schriftkünstler«, wie die Vielseitigkeit des Künstlers gerne zusammengefaßt wird, äußerst lohnt. Freilich, im ersten Augenblick scheint es schwer, Zugang zu seinem Werk zu finden. Zu fremd sind dem heutigen Betrachter die vorzugsweise im Mittelalter angesiedelten Themen. Wem schon sind die »Wiedertäufer« ein Begriff? Und eine Prachtausgabe der Nibelungensage, vordergründig auch zur Verherrlichung von Chauvinismus und Imperialismus der Wilhelminischen Ära bestimmt, widerstrebt trotz ihres künstlerischen Wertes erfreulicherweise – noch – häufig demokratischem Selbstverständnis der Gegenwart. Das Faszinierende an Sattlers Arbeiten ist jedoch die ungeheure, elementare Phantasie, nicht selten um eine satirische Note angereichert, die trotz aller Zeitbefangenheit des Künstlers ein waches Auge für zeitlos übergreifende Kritik an »Menschlichem-Allzumenschlichem« offenbar werden läßt.

Aus der Mappe "Die Wiedertäufeer"

Josef Sattler. Tod des Propheten Jan Matthiesen, Lichtdruck, 15 x 15 cm. Aus: „Die Wiedertäufer“ 1895

Sattler und Schrobenhausen – biografischer Zufall ohne Folgen

Von allen Künstlern, die in diesem Buch [Anmerkung 2023: gemeint ist das »Schroenhausener Lese- und Bilderbuch«] behandelt werden, bleibt Sattlers Beziehung zu Schrobenhausen die zufälligste, an ausmachbaren Konsequenzen geringste. Er wurde eben hier geboren, weil sich sein Vater gerade für einige Jahre in der kleinen Stadt niedergelassen hatte, ehe er Attraktiveres fand. Dies zeigt sich auch am kunstgeschichtlichen Selbstverständnis Schrobenhausens. Ehe das Museum eröffnet wurde, das so etwas wie eine lokale »Sattler-Renaissance« brachte, rangierte sein Name an letzter Stelle.

Unternimmt man den Versuch, Sattlers Lebensweg zu skizzieren, so stößt man schnell auf Grenzen. Zwar liegt eine leidlich genügende Anzahl »harter« biographischer Fakten vor, doch lassen diese nur ein grobes Raster entstehen, ein zu grobes, als daß der Mensch Joseph Sattler als Individuum aus Fleisch und Blut sinnlich faßbare Konturen annehmen könnte. 5

Joseph Sattlers Geburtshaus in Schrobemhausen (Foto ca.1920. (Stadtarchiv Schrobenhausen)

Joseph Sattlers Geburtshaus in Schrobemhausen, heute Metzgergasse 3 (Foto ca.1920, Stadtarchiv Schrobenhausen)

Joseph Kaspar Sattler wurde am 26. Juli 1867 in Schrobenhausen geboren. 6 Sein Vater, Joseph Sattler, Glas- und Dekorationsmaler, war wohl Ende 1863 von Donaualtheim nach Schrobenhausen gezogen, erwarb das spätere »Engelhard-Haus« (heute Lenbachstraße 68; 1982 abgerissen) und verheiratete sich 1864 mit der Organistentochter Rosalie Lachner. Joseph Sattler sen. scheint ein Mann der Tat gewesen zu sein. Wie anders ließe es sich erklären, daß der Zugezogene, die Gunst der Stunde nutzend, 1870 Bürgermeister der Stadt wurde und dieses Amt drei Jahre innehatte? Doch bereits 1875 zog die Familie Sattler nach Landshut.

Der kleine »Sepp«, wie man ihn wohl gerufen haben mag, verbrachte also seine ersten acht Lebensjahre in Schrobenhausen. Über diese Zeit ist weiter nichts bekannt. Spekulationen, Franz von Lenbach sei der Taufpate Joseph Kaspar Sattlers gewesen, erwiesen sich als Fehlschlag. So reizvoll es auch für Heimatkundler gewesen wäre, dergestalt eine »künstlerische Begegnung« herzustellen, das Geburts- und Taufregister der Stadtpfarrkirche St. Jakob nennt als Paten nur einen Kaspar Geiger aus Dillingen und eine Anna Fuchs. Kontakte des späteren Künstlers zu seiner Geburtsstadt sind nicht nachgewiesen. Man darf wohl mit Georg August Reischl konform gehen, der schreibt, daß Sattler »nur noch spärliche Erinnerungen an die Stadt seiner Kindheit hatte«. 7 Für sein künstlerisches Werk scheint Schrobenhausen jedenfalls lediglich biographische Marginalie.

Auf dem Weg nach oben

Mit Sattlers weiterem Lebensweg beschäftigte sich Ludwig Hollweck, Leiter der Monacensia-Sammlung in München, auf dessen Arbeit die folgenden Zeilen mehrmals Bezug nehmen. 8
Die folgenden Anmerkungen beziehen sich auf das erstgenannte Typoskript.Der Vater, bei dem Joseph Sattler in Landshut zunächst als Anstreicherlehrling tätig war, brachte für die künstlerischen Neigungen seines Sohnes Verständnis auf. Im Jahre 1882 kam der 15jährige nach München, wo er bei dem Genremaler Heinz Heim ersten Unterricht genoß. Mit seinem Lehrer an der Kunstakademie, Gabriel Hackl, kam der Student nur schwer aus. 1886, im Alter von 19 Jahren, mußte Sattler die Akademie aufgrund finanzieller Probleme verlassen. Er malte nun – der Not gehorchend – alles, was Geld einbrachte, ehe er beim zweiten Anlauf in den heil‘gen Hallen der bildenden Künste dann auf einen Lehrer traf, bei dem e mit großer Freude arbeitete: Nikolaus Gysis. »Der temperamentvolle Grieche regte Sattler zu klarer formaler Durcharbeitung an, er zeigte ihm, daß monumentale Kunst nicht an große Flächen gebunden ist, und er führte ihn auch zur damals noch nicht anerkannten Plakatkunst. 9

1891 wird Sattler zusammen mit seinem elsässischen Malerfreund Leo Hornecker an die im Vorjahr gegründete Kunstgewerbeschule Straßburg berufen. In der Rolle des Lehrenden fühlt er sich jedoch nicht wohl; nach einem Semester gibt er diese Tätigkeit auf und arbeitet fortan freischaffend. Zunächst entstehen graphische Blätter und Folgen in »Anlehnung an die alten Meister … Dürer, Holbein, Cranach, Baldung«. 10 Als früheste gedruckte Arbeit wird in der greifbaren Literatur ein unter dem Titel » Die Quelle« 1892 erschienener Bilderbogen mit zwölf Lichtdrucken genannt. 11Hollweck bezeichnet als erstes größeres Werk die nach seinen Angaben 1893 in 100 numerierten Exemplaren herausgegebene Mappe »Bilder aus der Zeit des Bauernkrieges« (30 Blatt in Lichtdruck).12 Zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes und zur Freude seiner Mäzene zeichnet Sattler nun auch reizvolle Exlibris, die ihn bei Sammlern dieser Buchzeichen innerhalb kurzer Zeit international berühmt machen. 1893 stellt der Künstler Zeichnungen im renommierten »Salon de Paris« aus; er erntet Anerkennung und ermutigende Kritik. Diese Erfolge öffnen ihm 1894 die Tore des Berliner Kunstgewerbemuseums, wo er im November ausstellt. Aufträge für die Kunstzeitschrift »Pan« und der zunehmend enger werdende Kontakt zum Verlag von J. A. Stargardt veranlassen Sattler 1895, nach Berlin zu ziehen. 13 Allein in diesem Jahr erscheinen bei Stargardt seine Werke »Bilder vom internationalen Kunstkrieg«, »Die Wiedertäufer« und »Deutsche Kleinkunst in 42 Bücherzeichen«.

Die Kunstzeitschrift »Pan« existierte nur fünf Jahre von 1895 bis 1900. Mit ihr sind Namen wie Otto Julius Bierbaum, Arnold Böcklin, Thomas Theodor Heine und Max Liebermann verbunden. Als Werbemittel für den ersten Jahrgang 1895/96 kreiert Sattler ein Plakat, »das in allen neuen Werken über den Jugendstil jetzt … als beispielgebend erwähnt wird«, wie Ludwig Hollweck betont, der diese Arbeit so beschreibt: »Drei Blütenfäden einer Lotusblume zeichnen das Wort >Pan < in den Himmel, der gehörnte Naturgott lauert im Hintergrund, Spaten und Rechen sollen zu neuer Arbeit rufen.« 14

 

Plakat für Kunstzeitschrift "Pan" 1895

Joseph Sattler, Plakat für die Kunstzeitschrift „Pan“ 1895 (Stasdtarchiv Schrobenhausen)

»Den bedeutendsten Auftrag seines Lebens« erhält Sattler im Jahre 1898. 15 Er wird in die Berliner Reichsdruckerei berufen, »um ein Monumentalwerk deutscher Buchkunst – ›Die Nibelunge‹ – zu schaffen«. 16 Der Künstler zeichnet die Bilder und Initialen, entwirft die Drucktypen und den Einband, kümmert sich um die Wahl des Papiers. Auf der Pariser Weltausstellung von 1900 erhält die Prachtausgabe einen »Grand Prix«. Einzug hielt diese »Nibelunge« mit ihrem äußerst stolzen Preis von 600 Mark nur in außerordentlich betuchten Bibliotheken.17 Im Jahre 1927 erschien eine einfachere, erschwinglichere Ausgabe für 9,80 Mark.

Josef Sattler, Titelblatt zu "Die Nibelunge", Zeichnung 1900

Josef Sattler, Titelblatt zu „Die Nibelunge“, Zeichnung 1900 (Stadtarchiv Schrobenhausen)

1904 verläßt Sattler Berlin und kehrt nach Straßburg zurück. Seiner Vielseitigkeit entsprechend, entstehen unter anderem graphische Einzelblätter, Exlibris, Buchillustrationen, Buchschmuck, Plakate und Gebrauchsgraphik. Im März 1917 wird Joseph Sattler durch ein Patent des »Kaiserlichen Statthalters in Elsaß-Lothringen« zum Professor ernannt, doch kurz vor dem Einzug der französischen Truppen verläßt der Künstler Straßburg und kehrt nach Bayern zurück.

München und Heinrich Graf

Sattler wohnt nun in München bei seiner Schwester Rosa in der Ainmillerstraße 15/III rechts. Am 19. November 1918 meldet er sich polizeilich an. Obwohl es um ihn nun still geworden ist, arbeitet er weiter. So entstehen bis 1931 noch über 90 Exlibris, die Bücher angesehener Bürger zieren. Einen neuen Impuls beschert Sattler 1924 die Begegnung mit dem heute [Anmerkung: 1982] 84jährigen Kunstkupferdrucker Heinrich Graf. Durch ihn wendet er sich der Radierung zu. Heinrich Graf schreibt darüber im Mai 1934: »Als ich damals den Künstler in seinem bescheidenen Heim besuchte, machte ich ihn auf die Technik der Radierung aufmerksam, besorgte ihm auch einige Kupferplatten und präparierte diese. Nach einigen Tagen brachte er mir eine Platte, auf der sein Monogramm, umgeben von mindestens tausend Köpfen, prangte. Ich hatte mich damals bereit erklärt, seine Platten zu ätzen: als ich aber die mühevolle Arbeit sah, verlor ich fast den Mut. Denn ich wollte es nicht auf mich nehmen, eine solche Arbeit möglicherweise zu verätzen, und bat den Künstler, vorerst mit einer einfacheren Arbeit zu beginnen.

Das tat er, und die Ätzung fiel zu unserer Zufriedenheit aus, was der sofort hergestellte Probedruck bewies. Der Tod, welcher mit der linken Hand schreibt, wurde dann als >erste< Radierung bezeichnet, und wir nannten sie nur die >Zwanzig-Minuten-Ätzung<. Der Künstler fand große Freude an der Technik, und auch ich bekam im Ätzen größere Sicherheit. In der Folge habe ich alle Platten Sattlers selbst geätzt und manches dabei gelernt. Es entstanden nach und nach eine Anzahl von Exlibris, auch Gelegenheitsgraphik, die er teils von seinen Freunden und Gönnern in Auftrag bekam, teils konnte ich ihm aus meinem Kunden- und Freundeskreise mehrere kleine Aufträge vermitteln. Mein Bemühen ging dahin, den Künstler zu einem größeren Werke anzuregen, und so entstand für das Lutherjahr: >Zehn Bilder aus Dr. Martin Luthers Leben<. Diesem sollte das Werk >Helden und Burgen der Reformation< folgen; doch entstanden dafür nur zwei Platten, denn am 12. Mai 1931 nahm der Tod dem Künstler den Griffel aus der nimmermüden Hand und vereitelte alle weiteren Pläne.« 18

So wurden die »Zehn Bilder aus Doctor Martin Luthers Leben«, 1929 als Handpressenkupferdruck von der Graf-Presse hergestellt und verlegt, das letzte größere Werk, das zu Sattlers Lebzeiten erschien. Heinrich Graf blieb dem Künstler jedoch auch nach dessen Tode treu. In drei Teilen verlegte er 1934 posthum Sattler-Radierungen, die in den Jahren der Zusammenarbeit entstanden waren.

 

Josef Sattler, Radierung, 14,5 x 9,5 cm. Aus: Zehn Bilder aus Doctor Martin Luthers Leben, 1929

Josef Sattler, Radierung, 14,5 x 9,5 cm. Aus: Zehn Bilder aus Doctor Martin Luthers Leben, 1929

Die Zäsur

Betrachtet man das Leben Joseph Kaspar Sattlers zusammenfassend, so fällt eine tiefe Zäsur auf: der Erste Weltkrieg und der Zusammenbruch des Kaiserreichs. Vor 1914 der erfolgreiche, geschätzte, anerkannte Künstler, nach 1918 der vergessene, unverstandene, verbitterte Künstler. Mag dieser Gegensatz vielleicht auch etwas zu kraß formuliert sein, die wenigen vorhandenen Anhaltspunkte scheinen auf einen Menschen zu deuten, der sich in der Zeit der Republik nicht mehr zurechtfand. Eine jener tragischen Figuren, wie sie Joseph Roth in seinen Romanen zeichnet? Ein Unschuldiger, oder ein Schuldiger? Zweifelsohne war Sattler ein bürgerlicher Künstler, weder Bohemien noch Avantgardist, sondern einer, der in der Welt des kaiserlichen Deutschlands zuhause war, darin seine Identität hatte. Ebensowenig dürften Zweifel bestehen, daß für Sattler als Kind seiner Zeit Begriffe wie Deutschtum und Vaterland einen Stellenwert besaßen, den heute in dieser Form zu akzeptieren die Geschichte uns unmöglich gemacht haben sollte. Keinesfalls aber repräsentierte Sattler jenen »gefährlich übersteigerten Nationalismus«, 19 der in den Abgrund führte; keinesfalls war er ein platt-fanatischer Propagandist deutschen »Weltmachtstrebens«, eines »Größeren Deutschlands« Rohrbachscher Prägung, mögen auch Arbeiten von ihm in diesem Sinne eingesetzt und interpretiert worden sein. Dies zu konstatieren, genügt ein Blick auf sein Werk. Dafür ist es zu differenziert, zu gut. Als Künstler lebte Sattler in einer Welt, die mit den gesellschaftlich-politischen Verhältnissen des Wilhelminismus zwar nicht unbedingt vollkommen identisch war, mit ihnen aber in Übereinklang stand. Die Republik bot diesen Rückhalt nicht mehr. Die Umwälzung entläßt den eher unpolitisch anmutenden Sattler in eine neue Realität, in der er sich als dreifach Heimatloser wiederfindet: künstlerisch, geistig und geographisch.

»Er lebte sehr zurückgezogen; seine ihm lieb gewordene Wahlheimat, das Elsaß, und vor allem sein Straßburg hat er schweren Herzens verlassen, … und damit verlor er auch den Kreis seiner Freunde und Gönner, die überallhin zerstreut wurden, soweit sie nicht Franzosen wurden. … Einige seiner Straßburger Freunde suchten ihn zur Rückkehr zu bewegen, aber er konnte es nicht über das Herz bringen, sein geliebtes Straßburg in französischen Händen zu wissen. Darunter litt er sehr«, erinnert sich Heinrich Graf. 20 So recht heimisch werden konnte also Sattler in München nicht mehr. »Joseph Sattler war ein sehr liebenswürdiger Mensch!« betont Graf. 21 In das Privatleben des Künstlers gewann der Kupferdrucker jedoch kaum Einblick. »Er soll aber häufig und viel getrunken haben, ist mir erzählt worden.« 22 Graf sieht darin auch eine Erklärung dafür, warum im Spätwerk die Darstellung des Todes eine besondere Rolle spielt.23 Angetrunken soll Sattler nachts in niedergeschlagener Stimmung sich immer wieder mit diesem Motiv beschäftigt haben. Wenn sich auch kein expliziter Hinweis finden läßt, so liegt dennoch der Schluß nahe, daß Sattlers Krankheit und Tod zumindest mittelbar mit seinem Alkoholkonsum zusammenhängen. Von den letzten Lebenstagen ist überliefert: »Graf wollte den Künstler besuchen, … doch die Schwester erklärte, es gehe ihrem Bruder nicht gut. Am nächsten Tag, als Graf wieder kam, war Sattler bereits ins Schwabinger Krankenhaus eingeliefert worden. Auch dort besuchte der Drucker den Künstler und brachte einen neu gefertigten Druck mit. Sattler betrachtete die Arbeit und lobte sie, doch Graf hatte bemerkt, daß der Kranke das Blatt verkehrt gehalten hatte. Im nächsten Moment wollte Sattler mit Graf den Raum verlassen: >Gehn wir in die Werkstatt<, sagte der Kranke und stand auf, suchte seinen Kragen, griff nach dem Kragenknöpferl und langte, ohne dies zu bemerken, in die Zuckerdose. >Da war mir klar, wie schlimm es mit ihm stand<, sagt Graf dazu. Am nächsten Tag wollte er noch einen Besuch im Krankenhaus machen, doch er kam zu spät. Sattler war kurze Zeit vorher gestorben.« 24

 

 

Josef Sattlers "erste Radierung": Der Tod schreibt mit der linken Hand. Entstandem ca. 1924 in München

Josef Sattlers „erste Radierung“: Der Tod schreibt mit der linken Hand. Entstandem ca. 1924 in München

 

Ein »archaisierender« oder ein »sattlernder« Sattler

»Für sein Kunstschaffen und für seine Kunstauffassung hatte man in der Republik wenig Verständnis. Dies tat dem Künstler oft bitter weh. … Die Scheinblüte der Kunst in der Inflationszeit und der schnellebige moderne Zeitgeist waren ihm ein Greuel. Er zog sich mehr und mehr in sich selbst zurück«, notiert Heinrich Graf. 25

Welcher Art nun war diese Kunstauffassung? Hierzu seien einige zeitgenössische Meinungen zitiert. Als erster Zeuge Sattler selbst: »Es reizte mich vor allem der alte Holzschnitt-Stil, den ich bei alten Darstellungen mit großer Liebe verfolgte. Wenn auch manchmal bei alten Holzschnitten die Zeichnung darunter litt, so ist doch die Behandlung dieser Blätter mit dem Schneide-Messer karakteristisch. Die Verbindung harter Züge mit vorsichtiger Freiheit war mir höchst interessant.« 26 Hier wurzelt eine Kontroverse: Ist Sattler nun ein – handwerklich zwar hervorragender – Nachahmer des Dürerschen oder Holbeinschen Holzschnittstils, oder besitzt er Originalität? Der Berliner Kunstkritiker Daniel Greiner verteidigt im Jahre 1903 den gerade 36jährigen Künstler so: »Es konnte nicht ausbleiben, daß bei solch hingebendem Studium es unser Künstler zu ähnlicher Meisterschaft in der Beherrschung der Holzschnitt-Technik der Alten brachte, wie sein Landsmann Lenbach auf dem Gebiete der Öl-Malerei. Indes bewahrte ihn seine selbständige Art, bei bloßer Nachahmung stehen zu bleiben und in Archaismus unterzugehen. Jene glänzende Epoche deutscher Kunst wurde für ihn zwar Meisterin, aber er wußte diese selbstgesetzte gefährliche Schranke zu überwinden und, den Stil der Alten fortentwickelnd, zu einem eigenen Stil zu gelangen. Schon die am auffallendsten altmeisterlich gezeichneten Bilder aus dem Bauern-Kriege zeigen die keimende Eigenart Sattler’s auch in diesem Punkte. >Ganz die Art der alten Meister!< >Und doch nicht ganz!< So zeichneten die alten Meister nicht. Vor allem fehlt die naive Art der Alten, man sieht schon diesen Blättern an, daß ein moderner Mensch sie gezeichnet hat.« 27 Und Kühl sieht etwa zur gleichen Zeit einen Entwicklungsprozeß: »Gewiß archaisiert Sattler. Gewiß wimmelt es in seiner Phantasie von alten Burgen und Verließen, von Folterwerkzeugen und eisenbeschlagenen Türen, von siegelbehangenen Urkunden und Scharteken.« Doch habe ihn »der unbekannte Geist seines Innern« … » mit der Zeit völlig von allem Altertümeln frei gemacht«. Daß Sattlers Illustrationen zu Heinrich Boos‚ »Geschichte der rheinischen Städtekultur« (Berlin 1897-1901) von Kritikern erneut des Archaisierens geziehen wurden, erscheint Kühl »schlechterdings unbegreiflich«. Er meint: »Wer so urteilt, hat den Stil der Alten vergessen und begeht ein einfaches Quidproquo: er hat sich aus Sattlers früheren Werken eine Vorstellung von der mittelalterlichen Welt angeeignet und nimmt nun das Persönliche in seinem Stil, der sich hier sozusagen ganz abstrakt gibt, ohne weiteres für archaisch. Wie kann man nur angesichts dieser durchsichtigen, frei komponierten, weiträumig gedachten Rundbilder den Eindruck haben, daß der Künstler darin dürert oder holbeint. Keine Spur. Er sattlert in diesem Werk, das ist alles.« 28

Joseph Sattler, Zeichnung/Heliogravur. Aus: Ein moderner Todtentanz 1894

Joseph Sattler, Zeichnung/Heliogravur. Aus: Ein moderner Todtentanz 1894

Daß Sattler in der Welt des Mittelalters zu Hause war, zeigt bereits ein erster flüchtiger Blick auf sein Werk mit hinreichender Deutlichkeit. Greiner stellt fest:» Der Künstler hat etwas von einem Geschichtsforscher in sich. … Auch hierin leistet er Hervorragendes. Es ist wohl kein Künstler so innig vertraut mit den Kultur-Verhältnissen des deutschen Mittelalters und der Renaissance wie der Schöpfer der ‚Bilder aus dem Bauernkrieg‘, der ‚Wiedertäufer’…« 29 Sattlers düstere Weltschau, durch das satirische Element eher betont als abgemildert, kommt hier voll zur Geltung. Er »schildert das Leben von seiner rauhen Seite, den wildtosenden Kampf, den Schrecken und das Entsetzen, die Macht des Todes«. 30 Von den Blättern » Kalktaufe«, »Münsterisch Straßenleben« und »Das Wort ist Fleisch geworden und wohnet in uns« aus den »Wiedertäufern« schwärmt Kühl: »Welche Phantasie hat diese Menschen erschaut, die sich zwischen Himmel und Erde an ein paar Leitern emporarbeiten, und von der heißen Flüssigkeit getroffen, wie Würmer in sich zusammen kriechen! … Die Szene ist hell gehalten, keine kleinste dunkle Partie, die zur Hebung der Lichter dienen könnte, und doch brennt einem das Weiß des Kalkes geradezu in den Augen. Man meint, ihn auf dem eigenen Rücken zu fühlen. Von gleicher Grandiosität ist das dunkler gehaltene Blatt, das die Verhungernden in den Straßen Münsters zeigt, wie sie da herumhocken und -stehen und -liegen, die Armen, aus deren lemurenhaften Gesichtern jeder Lebensausdruck, selbst der Haß geschwunden ist.« Das dritte Bild schließlich >zeigt den vertierten König<, auf vier Tatzen gehend, aber mit menschlichem Kopf, in einer Haltung, die eine leise Erinnerung an den grasfressenden Nebukadnezar wachruft. Doch trägt dieser hier die Bibel im Maul. Unter seinem Mantel, der vorzüglich sein Hinterteil deckt, sieht man das kleine Volk an den Sphinxbrüsten hangen. Der unmittelbare Eindruck ist der einer ekelhaften Blödigkeit, die auch deutlich aus seinen Augen hervorschaut; zugleich aber eine verschwommene und unehrliche Vorstellung von Würde. … gerade in den ernstesten und fürchterlichsten Bildern klingt ein grausiges Lachen durch. Ob dem Zeichner selber einmal unheimlich zu Mute geworden ist in dieser lrrenanstalt?« 31

 

Sattler und die Kleinkunst

Neben den großen Arbeiten mit den vorwiegend mittelalterlichen Themen – Federzeichnungen, Pinselzeichnungen, getuschte Bilder, Holzschnitte und Radierungen, viele von ihnen als Zyklen unter Anwendung des Lichtdrucks, des Kupferdrucks, der Photogravur in Mappen oder in Buchform veröffentlicht – nimmt in Sattlers Werk die sogenannte Kleinkunst einen bedeutenden Platz ein: Buchillustrationen, Buchschmuck (Vignetten, Initialen, Ornamentik mit Streifen, Bändern, Schnitzeln, Spänen, Splittern), Signets und natürlich Exlibris. Greiner und Kühl kommen hier zu ähnlicher Einschätzung. Der eine: »Man weiß nicht, was man an Sattler’s Fantasie mehr bewundern soll: ihre Tiefe oder ihre oft geradezu überraschende Originalität oder ihre eminente Vielseitigkeit. Sie ist immer frisch, lebendigsprudelnd, wie ein unversieglicher Berg-Quell. Ihr Reichtum zeigt sich namentlich in einer Fülle kleiner Zeichnungen, Vignetten, Leisten, Initialen, Signets und Bücher-Zeichen. Immer wieder eine neue, reizvolle Idee, manche, und nicht wenige, sind wahre Kostbarkeiten zeichnender Kleinkunst. Sehr häufig begegnet der menschliche Kopf in immer anderen Variationen … Er kann sich gar nicht genug thun, immer wieder Köpfe zu zeichnen, und bedeckt ganze Blätter mit zahllos scheinenden Köpfen und zwingt ihre Mannigfaltigkeit zum Ornamente.« 34

Joseph Sattler. Die Kalktaufe, Lichtdruck 23 x 30 cm- Aus: Die Wiedertäufer, 1895

Joseph Sattler. Die Kalktaufe, Lichtdruck 23 x 30 cm- Aus: Die Wiedertäufer, 1895

 

Joseph Sattler, Exlibris, Zeichnung/Kunstdruck, 6 x 9 cm. Aus: Deutsche Kleinkunst in 42 Bücherzeichen, 1895

Joseph Sattler, Exlibris, Zeichnung/Kunstdruck, 6 x 9 cm. Aus: „Deutsche Kleinkunst in 42 Bücherzeichen“ 1895

Besondere Anerkennung erwarb sich Sattler bei seinen Zeitgenossen mit seinen Exlibris. Die »Zeitschrift des Ex-libris-Vereins zu Berlin« stellt – besonders in den Jahren 1893 bis 1906 – immer wieder Sattlers neue Buchzeichen vor und bespricht sie meist mit ausgesprochener Euphorie, diese »genialen Kompositionen des jungen Meisters«. 35 »In eleganter Mappe«, für 40 Mark, erscheint 1895 bei J. A. Stargardt »Deutsche Kleinkunst in 42 Bücherzeichen«.36 Noch im gleichen Jahr folgt die englische Ausgabe »Art in Book-Plates. Forty two original Ex-Libris designed by Joseph Sattler«. Exlibris des Künstlers sind zwischen 1898 und 1906 unter anderem in London, Straßburg, Wien, Berlin und München zu sehen. 37 Die Bücherzeichen-Kundschaft Sattlers rekrutiert sich aus Hochadel, Adel und Geldadel, Bürgern und Künstlern. Vertreten sind beispielsweise auch »Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Auguste Victoria« und Philipp Graf zu Eulenberg. Buchzeichen wie auch andere Beispiele Sattlerscher Kleinkunst sind nicht selten vom Jugendstil geprägt. Einigen Exlibris ist anzusehen, daß es auch Geschmack und besondere Wünsche des erlauchten Auftraggebers zu berücksichtigen galt. Nicht immer konnte der Künstler so »sattlern«, wie er es wohl gerne gewollt hätte. Derlei Zwängen enthob er sich mitunter durch Exlibris­Zeichnungen, hinter denen kein Besteller stand, die gar nicht den Zweck eines Buchzeichens erfüllen sollten, sondern sich lediglich der Form eines solchen bedienten. Beispiele dieser Art enthält auch die Mappe »Deutsche Kleinkunst in 42 Bücherzeichen«. Über derart Afunktionales freilich rümpften Exlibristen die Nase. Daß Sattlers Exlibris-Skizzen im »Durcheinander« (Berlin 1897) »wirkliche Exlibris« sind, bezeichnet ein Anonymus als »entscheidenden Fortschritt«. 38

Einigkeit herrscht unter den Zeitgenossen, was die in jenen Jahren gerade auflebende »Exlibris-Bewegung« Joseph Sattler verdankt. Er hat bei den Buchzeichen »auf den heraldischen Zopf verzichtet und damit für die dekorative Fassung neuer stofflicher und ornamentaler Einfälle freie Luft geschafft«, stellt Kühl fest. 39 Der Exlibris-Forscher und Sammler Walter von zur Westen schreibt: »Erst Joseph Sattlers Bucheignerzeichen haben die schöne alte Exlibrissitte einer großen Gemeinde von Kunstfreunden nahegebracht und haben Anstoß gegeben, daß die Exlibriszeichnung sich aus einer Domäne heraldischer Künstlerspezialisten zu einem weiten Schaffensgebiet für die Künstler der verschiedensten Richtungen erweitert hat.« 40

Josef Sattler. Exlibris, Zeichnung/Kunstfahrendruck, 15 x 8,5 cm. Aus: "Deutsche Kleinkunst in 42 Bücherzeichen" 1895

Josef Sattler. Exlibris, Zeichnung/Kunstfahrendruck, 15 x 8,5 cm. Aus: „Deutsche Kleinkunst in 42 Bücherzeichen“ 1895

Sattlers Mappen und Bilder

Eine Bibliographie von Sattlers Mappen und in Buchform veröffentlichten Graphik-Zyklen sowie der von ihm illustrierten und geschmückten Bücher fehlt bis heute. Die folgende Zusammenstellung, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, versucht, wenigstens einen kleinen Überblick zu geben. Als Quellen dienten in erster Linie Titelverzeichnisse des Verlages von J. A. Stargardt, Berlin, in den Sattler-Werken »Die Wiedertäufer« und »Bilder vom internationalen Kunstkrieg«, der Katalog der Bayerischen Staatsbibliothek, München, und die in den USA erscheinende Bibliographie »The National Union Catalog«. Eingeklammerte Jahreszahlen weisen darauf hin, daß es sich nicht um eine Erstausgabe handelt. In Anführungszeichen gesetzte Angaben sind wörtlich den genannten Titelverzeichnissen von Stargardt entnommen.

1892
Die Quelle. 12 satyrische Blätter
12 Lichtdrucke in Gross-Folio.
Verlag von J. A. Stargardt, Berlin

1892 oder 1893
Bilder aus der Zeit des Bauernkrieges
30 Blatt in Lichtdruck. Limitierte und numerierte Ausgabe in 100 Exemplaren. (Nach Kühl 1892, nach Hollweck 1893 erschienen, vgl. Anm. 12.)
Verlag von J. A. Stargardt, Berlin

1893
Une cure merveilleuse
Kurzgeschichte, illustriert von Joseph Sattler
ohne Ort

1893–96
zusammen mit Charles SPINDLER: Elsaesser Bilderbogen. Images alsaciennes
1.-3. Jahrgang.
F. X. de Roux & Co., Straßburg

1894
Ein moderner Todtentanz
»13 zum Theil farbige Heliogravuren. Folio. In art-linen-Originaleinband.« Verlag von J. A. Stargardt, Berlin

1894
A Modern Dance of Death
(Englische Ausgabe von Ein moderner Todtentanz.)
H. Grevel & Co., London

1895
Friedrich SARRE: Die Berliner Goldschmiede-Zunft
Mit einem Titelblatt von Joseph Sattler.
Berlin

1895
Deutsche Kleinkunst in 42 Bücherzeichen
Mit einem Vorwort von Friedrich Warnecke
»42 Original-Ex-libris, meist in prächtigem Kunstfarbendruck. Folio. In Originalmappe.«
Verlag von J. A. Stargardt, Berlin

1895
Art in Book-Plates. Forty two original Ex-libris designed by Joseph Sattler. With an introduction on artists, literature and collectors of Ex-libris in England, the United States, Germany and France by Frederick Warnecke
(Englische Ausgabe von Deutsche Kleinkunst in 42 Bücherzeichen.)
H. Grevel & Co., London

1895
Bilder vom internationalen Kunstkrieg. La guerre des peintres. Artists on the war-path
J. A. Stargardt, Berlin

1895
Die Wiedertäufer
Es erschienen folgende Ausgaben:
»1 Originalradierung und 29 Blätter in Lichtdruck und Holzschnittmanier. Folio.
Liebhaber-Ausgabe auf altjapanischem Papier, enthaltend drei Originalradierungen und 27 Blätter in Lichtdruck und Holzschnittmanier. Nur in 100 in der Presse numerierten Exemplaren gedruckt. Grossfolio.«
Verlag von J. A. Stargardt, Berlin

1896
Meine Harmonie
6 Blätter, 10 Tafeln. In Mappe. Verlag von J. A. Stargardt, Berlin

1896
Georg FUCHS (Hrsg.): Das Werk des Malers Heinz Heim
Mit Titelzeichnung und Initialen von Joseph Sattler.
Verlag von J. A. Stargardt, Berlin

1897
Durcheinander. Allerlei Zeichnungen und Skizzen von Ex-libris, Titelblätter, Zierleisten, Vignetten usw. im Laufe der letzten Jahre gefertigt von Joseph Sattler
Verlagsbuchhandlung Stargardt, Berlin

1897-1901
Heinrich BOOS: Geschichte der rheinischen Städtekultur von den Anfängen bis zur Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung von Worms
Mit Zeichnungen von Joseph Sattler.
J. A. Stargardt, Berlin

Werbung des Verlages J. A. Stargardt

Werbung des Verlages J. A. Stargardt

1900
REICHSDRUCKEREI (Hrsg.): Die Nibelunge
Gestaltet und illustriert von Joseph Sattler.
Berlin

1904
Die Nibelunge
Text der Hohenems-Münchener Handschrift A des Nibelungenliedes nach der Ausgabe von Karl LACHMANN.
Illustriert von Joseph Sattler.
Stargardt, Berlin

1905
Légendes d‘Alsace, in: Revue Alsacienne Illustrée (hrsg. von Charles SPINDLER), 7. Jahrgang.
Illustrationen von Joseph Sattler. 46 Blätter mit Abbildungen, 15 Tafeln. Strasbourg

(1912)
Ein Moderner Totentanz in 16 Bildern gezeichnet
16 farbige Heliogravuren; 2 Blätter, 16 Tafeln.
Zweite, vermehrte Auflage
Stargardt, Berlin

1917
Ostergruß der Kaiser Wilhelms Universität Straßburg an ihre Studenten im Felde
Zusammengestellt und herausgegeben von der Kriegsstelle der Universität Straßburg durch Joh. FICKER. Den Schmuck des Buches schuf Joseph Sattler.
Straßburger Druckerei und Verlagsanstalt, vorm. R. Schultz & Co., Straßburg

1927
Die Nibelunge
Einfache Volksausgabe nach der Prachtausgabe der Reichsdruckerei aus dem Jahre 1900.
Deutsche Buchgemeinschaft, Berlin

(1929)

Will VESPER: Tristan und lsolde. Parzival. Ein Liebes- und Abenteuerroman
Mit Bildern von Joseph Sattler.
188. Tausend
Die Bücher der Rose
Wilhelm Langewiesche-Brandt. Ebenhausen bei München

1929
Zehn Bilder aus Doctor Martin Luthers Leben
Handpressenkupferdruck in 400 numerierten Exemplaren. 22 Blätter.
Druck und Verlag der Graf-Presse, München

1932
Joseph Sattlers letzte Arbeit
Zwei fertige Platten – Goetz von Berlichingen und Sebastian von Rotenhahn –aus dem geplanten Werk Helden und Burgen nach dem Tode des Meisters herausgegeben von Heinrich GRAF.
Graf-Presse, München

1934
Radierungen. 1. Teil
Mit einem Vorwort von Heinrich GRAF
Gedruckt und verlegt von der Grafpresse-München

Joseph Sattler, Radierung 1929

Joseph Sattler, Radierung 1929

1934
Radierungen. 2. Teil
Mit einem Vorwort von Heinrich GRAF.
Gedruckt und verlegt von der Grafpresse-München

1934
Kaltnadelradierungen. 3. Teil
Mit einem Vorwort von Heinrich GRAF.
Gedruckt und verlegt von der Grafpresse-München

(1936)
Ernst von WILDENBRUCH: Das Hexenlied
Buchschmuck von Joseph Sattler.
13.-15. Tausend
Grote, Berlin

ohne Jahr (vor 1896)
Merkbuch des Ritters Hans von Schweinichen
Mit einem Titelblatt von Joseph Sattler.
ohne Ort

ohne Jahr
Hans Jakob Christoffel von GRIMMELSHAUSEN: Simplicius Simplicissimus
Bilder, Initialen und Vignetten von Joseph Sattler.
ohne Ort

ohne Jahr
Exlibris. Neue Folge
20 ein- und mehrfarbige Handpressen-Kupferdrucke.
0. Wiegand, Leipzig

 

Nachbemerkung

Dieser Text erschien erstmals 1982 im „Schrobenhausener Lese- und Bilderbuch“ unter dem Titel „Joseph Kaspar Sattler. Ansätze zu einer Spurensicherung“. Die damalige Rechtschreibung wurde beibehalten. An wenigen Stellen finden sich Anmerkungen mit dem Stand 2023 in eckigen Klammern. Die Illustrationen wurden um zwei Abbildungen ergänzt. Die Reproduktionen stammen – soweit nicht anders angegeben – aus der Sammlung des Autors.

 




HIAG und PARAXOL im Hagenauer Forst:
eine Buchempfehlung

HIAG und PARAXOL im Hagenauer Forst gehören zu den interessantesten Themen der neueren Schrobenhausener Geschichte. Der Langenmosener Wolfgang Haas hat darüber ein Buch verfasst, das wir jedem geschichtlich Interessierten empfehlen möchten. Zusammen mit dem Autor planen wir auch einen umfangreicheren Beitrag auf unserer Website.

Das geheimnisvolle Werk

Jahrzehnte lang war das Werk im Hagenauer Forst bei Schrobenhausen von Geheimnissen umwittert, viele Gerüchte waren im Umlauf, man wusste aber nichts Genaues. Die Geheimhaltung war strengstens geregelt, handelte es sich doch um den Bau und Betrieb eines Rüstungsunternehmens, errichtet im Zusammenhang mit der gewaltigen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung der Nationalsozialisten.

Erstes Licht in die Angelegenheit brachte Kreisheimatpfleger Bernhard Rödig schon in den 1990er Jahren. Wolfgang Haas, der 40 Jahre bei der heute hier ansässigen MBDA und ihren Vorgängerfirmen gearbeitet hat, hat sich die Erforschung der Geschichte dieses Industriestandorts praktisch zu einer zweiten Lebensaufgabe gemacht.

Kurz zusammengefasst

„HIAG“: unter diesem Tarnnamen errichtete der Bauherr der Fabrik – die Abkürzung steht für „Holzverkohlungs-Industrie AG“ – zwischen 1938 und 1942 Fabrikgebäude im Hagenauer Forst, der damals noch gemeindefreies Gebiet war.

„PARAXOL“: Nach der Fertigstellung der Anlagen produzierte der Betrieb unter dem Namen „PARAXOL GmbH“ von 1942 bis 1945 Pentaerythrit, ein weißes, unscheinbares Pulver, ein Sprengstoff-Vorprodukt, das in anderen Firmen zu militärischem Sprengstoff weiterverarbeitet wurde. PARAXOL war ein Teil der Firma Degussa und hatte mehrere Betriebsstätten in Deutschland. Die Degussa,  gegründet 1873 als Deutsche Gold- und Silber-Scheide-Anstalt, spezialisierte sich später auf Industriechemikalien und war wie viele andere Unternehmen fest in die nationalsozialistische Kriegswirtschaft verstrickt.

Nach dem Krieg

Nach dem Einmarsch der Amerikaner wurde die Fabrikanlage demontiert, sie wurde in Südfrankreich in der Nähe von Toulouse wieder aufgebaut und produzierte dort bis zum Jahre 1980. Nach dem Krieg zogen Flüchtlinge in das „Lager Paraxol“ ein, das auch eine eigene Schule hatte. Im Jahr 1958 pachtete die Rüstungsfirma Ludwig Bölkow Apparatebau aus Ottobrunn das Gelände, im Jahr 1968 entstand daraus die Firma Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB). Heute ist das Industriegebiet Hagenauer Forst Hauptsitz des Rüstungsunternehmens MBDA Deutschland.

Heute finden wir innerhalb und außerhalb des Firmengeländes noch verwitterte Betonruinen. Viele Fabrik- und Bürogebäude haben die Zeit überdauert und werden auch heute noch genutzt.

Ein Buch entsteht

Wolfgang Haas, selbst 40 Jahre bei der MBDA und den Vorläuferfirmen beschäftigt, hat sich schon immer für die Geschichte des geheimnisvollen Werks im Wald interessiert. Viele Jahre hat er alle Informationen zusammengetragen, keine Mühen gescheut, Zeitzeugen befragt, Dutzende Archive besucht und angeschrieben: Firmenarchive und staatliche Archive, nicht zuletzt auch Archive in Frankreich, Polen, England, den Niederlanden und den USA. Sogar in den Archiven des US-Geheimdienstes CIA waren Dokumente zu finden. Schon früh begann er, seine Erkenntnisse einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, zum Beispiel in Vorträgen für die VHS Schrobenhausen.

Schließlich hat er seine Erkenntnisse in einem Buch zusammengefasst, das im Selbstverlag erschienen ist. Doch die Neugier nahm kein Ende und so wurden laufend weitere interessante Dokumente aufgespürt. Sie verschwanden nicht im Schreibtisch, sondern wurden immer wieder in die Buchpublikation eingearbeitet, so dass 2023 bereits die 9. Auflage des Werks erscheinen konnte. Nur wenige Publikationen behandeln ein Thema derartig umfassend in allen Aspekten: vom Bau und Betrieb der Anlage über die komplizierten chemischen Prozesse der Herstellung bis zur geschichtlichen Einbindung in die Aufrüstung der Nationalsozialisten.

Beantwortet werden unter vielen anderen folgende Fragen:

  • wie sind HIAG und PARAXOL entstanden
  • was ist Pentaerythrit
  • welche chemischen Verfahren wurden angewendet
  • welche Funktionen hatten die einzelnen Gebäude
  • wie schwierig war die Wasserversorgung aus der Paar
  • wie erfolgten Anlieferung und Versand über den eigenen „Paraxol-Bahnhof“
  • wie viele Zwangsarbeiter wurden beschäftigt
  • warum wurde das Werk nur leicht bombardiert
  • was geschah nach dem Einmarsch der Amerikaner

Wolfgang Haas würdigt im Vorwort auch die Verdienste von Bernhard und Barbara Rödig, ohne deren Forschungen und Unterstützung seine eigene Forschungsarbeit vielleicht nie in Gang gekommen wäre.

Sehr viel Information für nur 13 Euro

Wolfgang Haas: „Was waren HIAG und PARAXOL im Hagenauer Forst Schrobenhausen“. Das Werk ist im Eigenverlag erschienen, umfasst 160 Seiten im Format DIN A 4, enthält über 200 Fotos, Bilder und Originaldokumente und ist durchgehend vierfarbig gedruckt. Derzeit ist die 2023 erschienene 9. Auflage des Buchs erhältlich.

Es kann zum Selbstkostenpreis von 13 Euro nur direkt vom Autor bezogen werden:

Wolfgang Haas
Goethestraße 5
D-86571 Langenmosen
Tel 08433 – 536
Mail: haas.la@neusob.de